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Interview mit Faymann und Spindelegger

Interview mit Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger: Beide gehen Auseinandersetzungen aus dem Weg und konzentrieren sich auf die Fragen, die sie gemeinsam lösen können.

Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, Sie sind sehr bemüht, Gemeinsamkeit zu demonstrieren: Haben Sie auch ein gemeinsames Projekt, eine gemeinsame Mission bis zum Wahltag im Jahr 2013?

Faymann: Wir haben Österreich gut durch die Krise geführt. Und jetzt geht es darum, den Aufschwung so zu unterstützen, dass wir 2013, 2014 zu den Besten gehören – in der Wettbewerbsfähigkeit, bei der Beschäftigung, in der Bildung, bei Forschung und Entwicklung, also in der Zukunftssicherung.

Spindelegger: Ich glaube, dass die Krise noch nicht zu Ende ist. Wir sind mit Herausforderungen auf der europäischen Ebene, in der Euro-Zone konfrontiert, die wir gemeinsam bewältigen müssen. Auf unserer Regierungsklausur auf dem Semmering haben wir ganz konkrete Ziele bis 2013 definiert. Seit der Klausur haben wir schon eine ganze Fülle an Gesetzen ins Parlament gebracht und beschlossen: Ich erwähne das Ökostromgesetz, weil es Sinnbild für unsere Energiepolitik ist, den Pflegefonds, die Ortstafelfrage, …  Auch im Bildungssektor haben wir mehr weitergebracht, als in den letzten Jahren geschehen ist: Ausbau der Nachmittagsbetreuung, Ganztagsschule, Oberstufenreform. Das ist eine gute Bilanz.

 

Wie erklären Sie sich, dass all das bei der Bevölkerung nicht ankommt? 50 Prozent geben der Regierung eine schlechte Note, sagen, es herrsche Stillstand.

Spindelegger: Nach 19 Jahren Erfahrung in der Politik überrascht mich das nicht: Man muss zur Kenntnis nehmen, dass das, was man tut, erst nach mehreren Monaten eine praktische Auswirkung hat. Dass also erst nach längerer Zeit an den Stammtischen festgestellt wird, dass etwas weitergegangen ist. Ich bin überzeugt davon, dass die Reformen im Herbst in der Praxis sichtbarer werden.

 

Die OECD hat erst vor wenigen Tagen darauf hingewiesen, dass wir großen Reformbedarf haben – aufgrund unserer Pensionsproblematik, den hohen Lohnnebenkosten, …

Faymann: Gerade dieser OECD-Bericht hat bestätigt, dass wir gut durch die Krise gekommen sind. Ich erinnere an die Steuerreform: Sie hat die Kaufkraft der Bevölkerung gerade in den schwereren Zeiten gestärkt. Außerdem haben wir Infrastrukturprojekte vorgezogen und damit vor allem kleinere und mittlere Unternehmen unterstützt.

 

Aber die Staatsschulden sind explodiert, die Zinsen kosten allein eine Million Euro pro Stunde.

Faymann: Auch das ist ein Teil unserer Aufgabe: Mit den Schulden runterzugehen.

 

Ohne Steuererhöhungen?

Faymann: Natürlich. Der Budgetpfad, den wir für die nächsten Jahre festgelegt haben, sieht keine neuen Steuern vor. Die einzelnen Minister müssen vielmehr versuchen, mit weniger Kosten und weniger Leuten dieselben Aufgaben zustande zu bringen.

 

Steuererhöhungen vor der Wahl 2013 sind also ausgeschlossen?

Faymann:  Ich würde mir eine andere Verteilung wünschen. Und wenn es die Rahmenbedingungen zulassen, wäre das Jahr 2013 nicht ungeeignet dafür zu sagen, wir können vermögensbezogene Steuern stärken und Steuern für jemanden, der 2000, 3000, 4000 Euro verdient und von der Progression besonders betroffen ist, senken. Alle Untersuchungen zeigen schließlich, dass wir ein Land sind mit einer relativ hohen Besteuerung von Arbeit und Leistung und dass wir ein relativ freundliches Land sind, wenn es um vermögensbezogene Steuern geht.

Spindelegger: Wir haben eine gemeinsame Zielsetzung: Wir wollen den Schuldenstand reduzieren. Der derzeitige Stand ist alarmierend. Ursprünglich wollten wir das Defizit zu einem späteren Zeitpunkt unter drei Prozent des BIP bringen; aufgrund der guten Konjunkturlage könnten wir das schon heuer schaffen. Daneben gibt es Fragen, bei denen wir nicht einer Meinung sind. Bei den Eigentumssteuern habe ich einen ganz anderen Ansatz. Ich sage, dass wir in Österreich keine neuen Steuern brauchen. Wir haben schon eine relativ hohe Steuerquote. Und wenn wir weiterhin hohe Wachstumsraten haben wollen, müssen wir jene, die Steuern zahlen, entlasten.

 

Größe Gegensätze zwischen SPÖ und ÖVP gibt es auch in der Bildungspolitik – von der Mittelschule bis zu den Universitäten.

Faymann: Auch in der Bildungspolitik haben wir schon einiges vorangetrieben. Wir führen die Neue Mittelschule anstelle der Hauptschule flächendeckend ein. In Wien wird sogar das eine oder andere Gymnasium in eine Neue Mittelschule umgewandelt. Wir forcieren ganztägige Schulformen. Das wird noch in dieser Legislaturperiode sichtbar, nicht erst am St. Nimmerleinstag. Bei den Universitäten wissen wir, dass wir – Stichwort „Studienplatzfinanzierung“ – mehr Angebot schaffen müssen. Der Wissenschaftsminister wird Vorschläge machen, wie man das am besten angeht.

 

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle will Studiengebühren.

Faymann: Wenn es nach mir geht, dann geht das ohne Studiengebühren.

 

Sie sagen nicht kategorisch „nein“ zu Studiengebühren?

Faymann: Wir müssen die Situation an den Universitäten verbessern. Daher müssen wir über Formen von Zugangsbeschränkungen diskutieren, die sich nicht auf eine Prüfung beschränken, sondern auf eine Eingangsphase erstrecken. Daneben brauchen wir mehr Plätze an den Universitäten. Wobei es gilt, dem Wunsch der Industrie gerecht zu werden, nicht die Plätze in philosophischen und ähnlichen Bereichen zu vervielfachen, sondern in technischen Fächern. Wir sind für mehr Geld für die Unis. Aber nicht über Studiengebühren, denn dieser Entfall wird den Unis bis 2013 ohnehin abgegolten. Aber wenn das jetzt so weitergeht, werden sie die Schlussfrage stellen: Wann kommt die Fusion (von SPÖ und ÖVP). Ich sage: Eine Fusion ist nicht beabsichtigt.

Spindelegger:Wir (die ÖVP) sagen, die Neue Mittelschule kommt, das Gymnasium bleibt. Aber auf Regierungsebene dürfen wir die Diskussion nicht einengen auf die Frage „Gesamtschule ja oder nein“. Wir müssen uns vielmehr auf die Fachfragen konzentrieren; und da haben wir schon einiges erreicht. Der nächste Schritt muss sein, dass wir uns auf die Volksschule konzentrieren; damit die Grund-Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen besser vermittelt werden. Zu viele Schüler können nicht Sinn erfassend lesen. Bei den Universitäten geht es um eine bessere Steuerung ohne Zwang. Wobei man sich verschiedene Lenkungsmaßnahmen überlegen kann. Wir wollen Studiengebühren. Bei Studienrichtungen, bei denen ein großer Bedarf an Absolventen besteht, könnte man beispielsweise aber keine oder nur geringe Studienbeiträge einführen. Bei anderen Fächern, bei denen es wahnsinnig viele Studierende gibt und die Berufsaussichten nicht besonders gut sind, könnte man sie höher gestalten.

 

Eines der großen Problemfelder ist die Sicherung der Pensionen. Wann folgen Maßnahmen, um das Antrittsalter zu erhöhen?

Faymann: Beim letzten Europäischen Rat wurden Statistiken über die Wettbewerbsfähigkeit der Länder verteilt. Der Grund warum unser Pensionssystem besser finanzierbar ist als in anderen Ländern ist die hohe Erwerbsquote bei Frauen. Wo schneiden wir schlecht ab? Wir haben faktisch sehr viele Frühpensionen, vor allem Invaliditätspensionen, wo schon Maßnahmen eingeleitet wurden. Da haben wir die Sozialpartner aufgefordert, Reformvorschläge zu machen. Es geht darum, wie das faktische Pensionsalter steigen kann, ohne deshalb brutale Härten einzuführen. Soziale Kälte wollen wir nicht. Schlupflöcher stopfen ja. Aber hohe Altersarbeitslosigkeit ist kein Kennwert, den ich anstrebe.

 

Wie hoch soll das faktische Pensionsalter zum Ende der Legislaturperiode 2013 sein? Derzeit liegt es bei 59  Jahren für Männer und 57 für Frauen. Soll ein Sechser vorne stehen?

Spindelegger: Das wird schwierig. Aber Ziel muss es sein.

Faymann: Die Frage ist, finden wir Instrumente, die so kurzfristig wirken.

 

In Sachen Verwaltungsreform sind zuletzt in der Steiermark große Reformen passiert. Sind Franz Voves und Hermann Schützenhöfer Vorbilder für Sie?

Faymann: Ich finde es positiv, wenn zwei Parteien ordentlich zusammenarbeiten. Wir haben aber mit der Transparenzdatenbank auch einiges vor. Diese Datenbank soll zeigen, mit welchen Kosten Bund und Länder Leistungen erbringen. Wir wollen wegkommen von der Diskussion „böser Bund, böse Länder“, hin zu einer Diskussion über Doppelgleisigkeiten. Dann kann man auch beurteilen, sind wir mutig genug, sie zu beseitigen. Diesen Scheinwerfer wollen wir aufdrehen.

Spindelegger: Und wir haben das Projekt der Verwaltungsgerichte in den Ländern. Das wird seit 20 Jahren diskutiert. Und ich hoffe, dass wir das im Herbst gemeinsam mit den Ländern erledigen können.

 

Wollen Sie nach steirischem Vorbild auch den Nationalrat oder die Bundesregierung verkleinern?

Faymann:  Es ist nie etwas in Stein gemeißelt. Aber wir würden gerne über die Transparenzdatenbank und die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsstrukturen einmal beweisen, dass wir Einsparungen zustande bringen. Ob wir dann die eine oder andere symbolische Einsparung noch dazulegen, das machen wir dann als Teil dieses Pakets.

 

Sie schildern uns die Qualität Ihrer gemeinsamen Arbeit. Die Bevölkerung scheint das aber nur zum Teil zu verstehen, wenn sich die Umfragewerte für die FPÖ betrachtet.

Faymann: Wir wollen eng zusammenarbeiten und gemeinsam darstellen, was wir tun. Auch wenn wir einmal etwas nicht erreichen, ist es keine Schande zu sagen, wir lernen aus den Fehlern und gehen des anders noch einmal an. Das wird sich dann auch in den Befragungen niederschlagen.

 

Herr Vizekanzler, wenn die Harmonie in der Koalition überbordet, werden Sie nie Erster werden.

Spindelegger: Für mich ist entscheidend, dass wir eine staatstragende Partei sind. Wir haben uns mit der SPÖ geeinigt auf ein Arbeitsprogramm für diese Periode. Und das ziehen wir mit aller Konsequenz durch. Es kann nicht sein, dass man in der Regierung versucht, sich selbst zu profilieren, indem man den Regierungspartner ausspielt. Das mögen andere versuchen. Aber das ist nicht unser Rezept. Wir wollen nicht kuscheln und nicht streiten, sondern konstruktiv zusammenarbeiten. Wir werden daher bis 2013 konsequent Reformen vorantreiben und dann in den Wahlkampf gehen. Und da wird man auch die Unterschiede zwischen den Parteien sehen.

 

Auf den Notizblöcken vor Ihnen steht der Spruch „Kleine Taten sind besser als große Pläne“. Ist das Ihr Leitmotiv für die nächsten zwei Jahre?

Faymann: Das ist das Leitmotiv des Hotels.

 

Es könnte aber für die Regierung passen.

Faymann:  Sagen wir so: Große Versprechen und die dann nicht einhalten, das ist mir schon immer ein Gräuel gewesen. Mir sind lieber realisierbare Versprechen. Berechenbarkeit in der Politik, Verlässlichkeit, Schutz, das ist etwas, das von einer Regierung verlangt wird. So sehe ich mich als Regierungschef. Und so sehe ich auch diese Koalition.

 

Wollen Sie ihre Zusammenarbeit über 2013 hinaus fortsetzen?

Spindelegger: Ich halte nichts davon, dass man versucht ist, Koalitionen zu wählen. Wenn wir 2013 das Wahlergebnis haben, können wir weiter reden. Das muss der Wähler entscheiden.

 

Voraussetzung wäre, dass Sie nach der Nationalratswahl gemeinsam noch mehr als 50 Prozent haben.

Faymann: Natürlich ist es unser Anliegen, gemeinsam weit über 50 Prozent hinauszukommen und am liebsten wieder die Zweidrittelmehrheit zu haben.

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