Die britische Zeitung “The Times” kommentiert am Dienstag den Schuldenkompromiss in den USA:
“Dieser Kompromiss ist unbefriedigend und lindert keine der strukturellen wirtschaftlichen Schwächen der USA. Ein großer Teil der enormen Devisenüberschüsse Chinas ist auf amerikanischen Kapitalmärkten investiert. Doch wenn die USA ihre Schulden nicht in den Griff bekommen, könnten internationale Investoren sich von Dollar-Investitionen abwenden. Die Position der USA ist gefährdet und die Regierung in Washington muss sich der Grenzen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten bewusstwerden. Vielleicht war der Zusammenbruch der Banken nur das erste Kapitel der Finanzkrise. Amerikas internationaler Status beruht auf seinem Reichtum, seinem diplomatischen und militärischen Gewicht. Dieser Status wird durch diese Schuldenlast neu definiert.”
Die “Neue Zürcher Zeitung” schreibt:
“Das eigentliche Problem besteht auch in den USA darin, dass die Politiker immer höhere Ausgabenverpflichtungen beschlossen haben, ohne diese zu finanzieren. Offenbar fehlt es am politischen Willen sowohl zu strukturellen Ausgabenkürzungen wie zu Steuererhöhungen. Das kann auf Dauer nicht gutgehen. (…) Viel besser wäre eine Schuldenbremse, wie die Schweiz sie kennt: auch die USA brauchen dringend ein Instrument, das Politik und Regierung dazu zwingt, mit einem über den Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichenen Finanzhaushalt zu planen und zu wirtschaften.”
Die Prager Wirtschaftszeitung “Hospodarske Noviny”:
“Das Drama ist vorbei – jetzt schnell vergessen! Doch der Kompromiss, in dem sich Demokraten und Republikaner auf eine Anhebung des Schuldenlimits geeinigt haben, hat das zugrundeliegende Problem des Landes nicht gelöst. Er gibt keine Antwort auf die Frage, wie sich die Schuldenspirale in Zukunft stoppen ließe. Das Abkommen hat den Absturz der USA in die Zahlungsunfähigkeit verhindert, was sich verheerend auf die Stabilität der amerikanischen und globalen Finanzmärkte ausgewirkt hätte. Amerika kann sich nur in diesem einen Punkt auf die Schulter klopfen. Ansonsten hinterlässt das derzeitige Washington einen ziemlich düsteren Eindruck.”
Die Berliner “tageszeitung” sieht Präsident US-Präsident Barack Obama als Verlierer im erzielten Schuldenkompromiss:
“Der jetzt erzielte Schuldenkompromiss ist kein Grund zum Aufatmen. (…) Es gibt keinen Kompromiss zwischen Staat und dem von der Tea-Party-Bewegung angestrebten Nicht-Staat. (…) Die aktuelle Schlacht aber hat einen klaren Verlierer: Obama, der weder die vorherigen Steuersenkungen rückgängig machen noch Geld in Soziales und Bildung investieren kann. Obama hat es in den ersten zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit niemandem recht machen können. (…) Was soll so ein Präsident jetzt noch tun? Die Antwort lautet: genauso viel oder wenig wie bisher. Vernünftige Kompromisse kann er, wie sich gezeigt hat, gegen diesen Kongress nicht durchsetzen. Mit der Faust auf den Tisch hauen – das wäre dann auch nichts anderes als eine hilflose Geste gegenüber seinen wenigen verbleibenden Fans.”
Auch die “Leipziger Volkszeitung” widmet sich dem Schuldenkompromiss:
“Präsident Obama dürfte der zäh errungene Kompromiss schwer im Magen liegen. Denn er erwies sich nicht als ein souveräner Steuermann, sondern agierte wie ein in die Enge Getriebener, eingeklemmt zwischen den liberalen Demokraten und den sich nicht vom Fleck rührenden extrem konservativen Tea-Party-Aktivisten. Die Vereinigten Staaten von Amerika driften auseinander; nicht nur der Politik, auch der Gesellschaft droht weitere Spaltung. Das Aufatmen über das erhöhte Schuldenlimit kann daher nur von kurzer Dauer sein. Denn damit sind die Kernprobleme längst nicht vom Tisch. (…) Am Abbau des Schuldenberges führt kein Weg vorbei, zumal die Amerikaner jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben und das Wirtschaftswachstum unter den Erwartungen bleibt.”
Die Zeitung “Sud-Ouest” aus dem südwestfranzösischen Bordeaux kommentiert:
“Aber zu welchem Preis hat Barack Obama diesen Waffenstillstand erreicht? Indem er auf fast alles verzichtet hat, was die grundlegenden Werte seines Lagers ausmacht. Die Forderungen der Republikaner wurden respektiert. Keine Steuererhöhung. Keine Absenkung der Steuervorteile. Nur klare Einschnitte in den öffentlichen Ausgaben, die stärksten seit 15 Jahren, wie das ‘Wall Street Journal’ lobt, Sprachrohr des republikanischen Lagers. In der Tat hatte Obama keine Wahl. (…) Die Welt hat fassungslos einem Wahlkampf beigewohnt, während die Zukunft des Planeten am seidenen Faden hing, in einem unerhörten Szenario: Die USA vom Bankrott bedroht und von der Zahlungsunfähigkeit.”
Die Zeitung “Le Republicain Lorrain” aus Metz in Ostfrankreich bemerkt:
“Die großen Sieger des kleinen taktischen Spielchens, das Washington in den vergangenen Wochen in Aufregung versetzt hat, sind in der Tat sicher die Mitglieder der Tea Party, die im republikanischen Lager das Grundlegende ihrer Forderungen durchgesetzt haben: Weder Einschnitte in den Steuernischen noch Steuererhöhungen für die Reichsten. Und eine Erhöhung der Schuldenobergrenze die durch gleichwertige, wenn nicht höhere Haushaltseinsparungen gesichert ist. (…) Obama betrachtet es als einen Beinahe-Erfolg, durchgesetzt zu haben, dass die Frage der Schuldenobergrenze bis zur Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr unter den Teppich gekehrt wird. Und die Republikaner haben den Mann im Weißen Haus in die geforderten Haushaltseinsparungen mit einbezogen, was seine Popularität vor der Wahl 2012 nicht stärken wird.”
Die linksliberale spanische Zeitung “El Pais” schreibt am Dienstag:
“Das in letzter Minute von Demokraten und Republikanern erzielte Abkommen zur Anhebung der Schuldenobergrenze (…) sichert zwar das normale Funktionieren der amerikanischen Wirtschaft bis 2013 unter der Regierung Obama – es vermittelt aber die Botschaft, dass die von der Tea Party vorgeschlagene radikale Politik ein Hindernis für die Antikrisen-Politik Washingtons sein wird. Das Abkommen rettet die Gegenwart, denn es vermeidet den Zahlungsausfall des Landes. Es bringt jedoch die Zukunft in Gefahr.”
“La Repubblica” (Rom):
“Undankbare Wall Street. US-Präsident Barack Obama hat eine Zahlungsunfähigkeit abgewendet, und die Märkte reagieren darauf mit einem Einbruch. Am Tag nach der Einigung im Schuldenstreit entdeckt die Wall Street eine einmalige Übereinstimmung mit der fortschrittlichen öffentlichen Meinung in den USA, steht in einer Linie mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, der ein ‘schädliches Manöver für die schon niedertourige Wirtschaft’ geißelt. Grausame Koinzidenz: Am dem Tag, an dem Obama seinen Kompromiss den wütenden demokratischen Parlamentariern in Washington ‘verkaufen’ musste, ist es auch ein Signal der Realwirtschaft, das die Märkte frösteln lässt: Die Industrieproduktion ist in der Talsohle, was bestätigt, dass sich Amerika in einer Stillstandsphase befindet – einen Schritt davor, in die Rezession zurückzufallen.”
“La Stampa” (Turin):
“Bedeutet die Revolte der liberalen Kräfte gegen diesen Kompromiss jetzt, dass Barack Obama abgeschrieben ist? In der Tat hatte der Chef des Weißen Hauses eine andere Zielgruppe und wagte ein kühnes Abenteuer: Die Umfragen besagen, dass die Mehrheit der Amerikaner diese Einigung wollte. Indem Obama sie zufriedenstellte, hat er also versucht, die politische Mitte zu besetzen, die von den extremen Kräften der Tea Party aufgegeben worden ist. Seine Hoffnung ist es nun, dass sich die gemäßigten Wähler bei den Wahlen in einem Jahr daran erinnern werden, während die liberale Basis aus Mangel an Alternativen zurückkehrt.” (APA)
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