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Mitten in London: Paar hält drei Frauen jahrzehntelang als Sklavinnen

Britische Polizei befreit drei Frauen aus Sklaverei - im Bild: Kevin Hyland von Scotland Yard stellt sich nach Bekanntwerden des Falls der Presse.
Britische Polizei befreit drei Frauen aus Sklaverei - im Bild: Kevin Hyland von Scotland Yard stellt sich nach Bekanntwerden des Falls der Presse. ©EPA
Es war ein ganz normales Haus im Londoner Süden, in einer ganz normalen Straße. Die Nachbarn wussten von nichts. Aber hinter seinen Mauern im Stadtteil Lambeth hat sich in den vergangenen Jahrzehnten offenbar eine menschliche Tragödie unbeschreiblichen Ausmaßes abgespielt. Drei Frauen sollen von ihren Peinigern als Sklavinnen gehalten worden sein - mehr als 30 Jahre lang.
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Die Behörden schritten am Donnerstag im Morgengrauen ein. “Sie sind in der Obhut einer Organisation, die sich mit tief traumatisierten Menschen auskennt”, sagte Kevin Hyland von Scotland Yard. “Etwas von diesem Ausmaß haben wir bisher nicht gesehen.”

Nach einem Bericht der Zeitung “Guardian” sollen die drei Frauen bereits am 25. Oktober befreit worden sein. Die Zeitung nannte allerdings keine Quelle für ihre Information. Ein Sprecher der Metropolitan Police bestätigte den Zeitpunkt auf Nachfrage nicht.”Wir haben kein Datum genannt,” sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Allerdings sei aus Mitteilungen zu schließen, dass die Befreiung “zwischen Oktober und jetzt” stattfand. Die Festnahmen der Hauseigentümer sei am Donnerstag erfolgt.

Opfer physisch und psychisch schwer gezeichnet

Die Frauen sind frei – doch die Zeit in Gefangenschaft hat den Berichten zufolge Spuren hinterlassen. Alle drei sollen sowohl physisch als auch psychisch gezeichnet und “extrem traumatisiert” sein. Zumindest sind sie nun einmal in Sicherheit. Es gehe jetzt darum, dass sie ihr Leben wieder in normale Bahnen lenken, hieß es von der Hilfsorganisation Freedom Charity, die an der Befreiung mitgewirkt hatte.

“30-Jährige hatte niemals Kontakt zur Außenwelt”

Die Polizei schirmte die Opfer am Donnerstag ab. Es wurde nicht viel über sie bekannt. Es handle sich um eine 69 Jahre alte Frau aus Malaysia, eine 57-jährige Irin und eine Britin im Alter von 30 Jahren. Sie seien vermutlich versklavt worden. Gegenüber dem Mirror bestätigte die Polizei: “Die 30-Jährige hatte niemals Kontakt zur Außenwelt”, sie sei in dem Haus in Lambeth zur Welt gekommen. Und: Es bestehe kein Hinweis darauf, dass die drei Frauen miteinander verwandt seinen.

Älteres Paar festgenommen

Festgehalten wurden die Frauen offenbar von einem Paar, das mittlerweile festgenommen wurde. Laut BBC handelt es sich dabei um eine 67-jährige Frau und ihren gleichaltrigen Partner. Die genauen Hintergründe des Falls waren zunächst noch unklar.

Opfer meldete sich bei Hilfsorganisation

Eine Fernsehdokumentation über Zwangsehen war für die drei nach Lage der Dinge der Schlüssel zur Freiheit. Nach der Sendung habe sich die 30-Jährige im Oktober telefonisch an die Hilfsorganisation Freedom Charity gewandt – ein Akt “höchster Tapferkeit”, wie Aneeta Prem von der Hilfsorganisation es ausdrückte.

Befreiungsaktion minutiös geplant

“Wir begannen intensive Gespräche mit ihnen. Sie gaben uns Zeitpunkte an, zu denen wir mit ihnen sprechen konnten”, sagte Prem. Die Experten planten offenbar minutiös die Befreiung der Frauen. “Es war geplant, dass sie heute das Gebäude verlassen sollten”, sagte Prem. Die Polizei habe sich in der Nähe bereitgehalten.

“Massive Angst vor Peinigern”

Die Frauen seien von den beiden Festgenommenen, die sich als “Familienoberhäupter” präsentierten, völlig eingeschüchtert gewesen. Sie hatten “massive Angst vor ihren Peinigern, so Prem. “Sie hatten den Eindruck, in großer Gefahr zu sein”, betonte sie. “Sie waren bei allem, was sie tun konnten, erheblich eingeschränkt.” Mehrmals beschrieb sie mit dem Begriff “Haussklaven” die Situation. Mehr wollte auch sie zunächst nicht sagen. Der Fall wird in London, wo die Nennung von Namen auch von Verbrechensopfern sonst üblich ist, mit höchster Sensibilität behandelt.

Motiv völlig unklar

Bei den beiden Festgenommenen handelt es sich nach Angaben der Polizei um die Wohnungseigentümer – einen Mann und eine Frau im Alter von jeweils 67 Jahren. Obwohl deren Herkunft und ihr Motiv noch völlig im Dunkeln liegen, wurden am Donnerstag Verbindungen zum organisierten Menschenhandel gezogen.

Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsehen

Die britische Regierung hatte in den vergangenen Jahren verstärkt Maßnahmen gegen Menschenhandel und Zwangsehen ergriffen und eine Spezialeinheit bei Scotland Yard eingerichtet. Bereits im Oktober war ein 84 Jahre alter Mann in Manchester zu 13 Jahren Haft verurteilt worden, weil er ein zehn Jahre altes behindertes Mädchen verschleppt, vergewaltigt und mehr als zehn Jahre als Sklavin gehalten hatte.

Erinnerungen an Drama von Cleveland

Das Drama weckt Erinnerungen an einen Fall aus den USA. Dort wurden im Mai drei Frauen aus den Fängen des Entführers Ariel Castro befreit, der sie rund ein Jahrzehnt lang in seinem Haus in Cleveland eingesperrt, misshandelt und vergewaltigt hatte. Eines der Opfer konnte schließlich fliehen. Anfang August wurde der 53-jährige Peiniger der Frauen zu lebenslanger Haft plus tausend Jahre verurteilt. Einen Monat später wurde er erhängt in seiner Gefängniszelle aufgefunden.

Michelle Knight im TV-Interview:

(APA/dpa/red)

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