“Die Evaluierung hat ergeben, dass Wolfgang Priklopil die Entführung mit hoher Wahrscheinlichkeit alleine durchgeführt hat”, sagte der Präsident des deutschen Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, bei der Präsentation des Evaluierungsberichtes am Montag.
Die damals zehnjährige Kampusch war am 2. März 1998 entführt und mehr als acht Jahre lang in einem Keller bei Priklopils Haus in Strasshof (Niederösterreich) gefangen gehalten worden.
Spektakulärer Entführungsfall Kampusch
Erst am 23. August 2006 gelang der mittlerweile 18-Jährigen die Flucht, Priklopil beging daraufhin Selbstmord. Obwohl die polizeilichen Ermittlungen zum Ergebnis kamen, dass der Entführer alleine gehandelt hatte, und auch Kampusch selbst dies bestätigte, waren anderslautende Verschwörungstheorien nie verstummt.
Ein parlamentarischer Unterausschuss empfahl daher im Vorjahr eine neuerliche Evaluierung des Falles unter Beiziehung internationaler Ermittler.
Ermittlungspannen festgestellt
Die Evaluierungskommission hat sich laut Jörg Ziercke, Chef des deutschen Bundeskriminalamts (BKA), “eindeutig für die Einzeltätertheorie ausgesprochen”. Zwar sei ein endgültiger Beweis nach wissenschaftlichen Kriterien nicht möglich, “weil Herr Priklopil nicht mehr am Leben ist”, sagte Ziercke. Verbindungen des Entführers zu Rotlicht-, Sado-Maso- oder Pädophilenszene “konnten trotz umfangreicher Ermittlungen nicht festgestellt werden”.
Sehr wohl festgestellt wurden von der Kommission aber “Ermittlungspannen” und “Fehleinschätzungen” bei den Ermittlungen. Die Aussage einer jungen Zeugin, die Kampuschs Entführung beobachtet und von zwei Tätern berichtet hatte, bezeichnete Ziercke als “subjektiv glaubwürdig”, dennoch habe sich das Mädchen “objektiv geirrt”. Denn sie habe das Auto des Entführers mit einem anderen Wagen verwechselt, den sie wenig später an einer Kreuzung gesehen habe und in dem tatsächlich zwei Männer gesessen seien.
Keine Hinweise auf Mittäter in Priklopils Haus
Auch in Priklopils Auto und Haus seien keine Hinweise auf weitere Täter gefunden worden.
Festgestellt wurden “Ermittlungsfehler in einzelnen Stadien” der Untersuchung des Falles sowie “Fehleinschätzungen”. Etwa die Tatsache, dass Hinweisen auf Priklopil aus der Anfangsphase der Entführung nicht nachgegangen wurde. Allerdings verwies Ziercke darauf, dass das Verlies, in dem Kampusch festgehalten wurde, wohl auch bei einer Hausdurchsuchung ohne konkreten Hinweis nicht hätte gefunden werden können.
Fall Kampusch nun abgeschlossen?
Wie der frühere Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl, bei der Präsentation des Berichtes sagte, hat die Evaluierungskommission 84 Befragungen und 18 Lokalaugenscheine durchgeführt. Nicht noch einmal befragt werden soll Natascha Kampusch selbst.
Ob nun Ruhe in den Fall kommen wird, bleibt abzuwarten. Die Kommission wird jedenfalls keine Anzeige einbringen, die ein neuerliches Verfahren zur Folge hätte. Lediglich ein Verdacht gegen den einst besten Freund von Priklopil, Ernst H., wurde den Behörden übermittelt: Dabei handelt es sich aber um einen möglichen Betrug rund um die Hinterlassenschaft von Priklopil, der mit der eigentlich Causa aber nichts zu tun hat.
(APA)
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