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Evo Morales: Koka-Bauer als Rebell im Hinterzimmer der USA

Wenn Südamerika nicht mehr wie früher ausschließlich als Hinterzimmer der USA wahrgenommen wird, dann liegt dies nicht zuletzt an Männern wie dem bolivianischen Koka-Bauern Evo Morales.

Seit 2006 ist er Präsident Boliviens und maßgeblich an der öffentlichen Emanzipation des Kontinents von den Vereinigten Staaten beteiligt. Den USA wirft er immer wieder imperialistische Bestrebungen vor, bis Anfang März oft im Verbund mit dem mittlerweile an Krebs verstorbenen Amtskollegen in Venezuela, Hugo Chavez. Morales hielt es im März – wieder einmal in Wien übrigens – für durchaus möglich, dass Chavez ermordet worden sein könnte, und forderte eine Untersuchung.

Morales wurde 2005 zum ersten Präsidenten Boliviens gewählt, der indigener Abstammung ist. Im Jänner 2006 trat er sein Amt an und legte sich mit den meisten traditionell einflussreichen Gruppen seines Landes an. So verstaatlichte er die Erdöl- und Erdgasindustrie, verteilte Land an arme Bauern und setzte eine neue Verfassung durch. Bisher jedenfalls konnte sich der 53-Jährige auf eine solide Wählerbasis der Bauern, der Armen und der Indios verlassen.

Ob das 2014 bei den nächsten Präsidentenwahlen auch noch so sein wird, bleibt offen: Umfragen signalisierten zuletzt sinkende Werte für ihn. Dass er noch einmal kandidieren darf, dafür sorgten eine verkürzte erste Amtsperiode und eine Verfassungsänderung, durch die die zweite Amtszeit de facto zur ersten wurde.

Morales präsentierte sich immer als Kämpfer für die seit langem benachteiligte und ausgegrenzte Indio-Mehrheit und die Kleinbauern seines bitterarmen Landes. Ihre Frustrationen angesichts neoliberaler Experimente, die die Schere zwischen Arm und Reich nur noch weiter öffneten, fing er geschickt mit einem nationalistischen und bei Bedarf auch immer noch antiamerikanischen Diskurs auf. Den US-Botschafter ließ er ausweisen und die Beziehungen zu den USA haben sich auch unter Präsident Barack Obama nicht grundlegend verbessert.

Mit Kubas Präsidenten Raul Castro und bis zu dessen Tod mit Chavez pflegte er enge Beziehungen und empfing auch den international umstrittenen iranischen Noch-Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad in La Paz, dem Sitz der Regierung.

Der Mann mit dem verschmitzten Lächeln und dem buschigen schwarzen Haar kommt von unten und weiß, wovon er redet, wenn er sich über die Armut äußert. Der frühere Minenarbeiter hat sich in schlechteren Zeiten schon als Eisverkäufer, Bäcker, Steinträger und Trompeter durchgeschlagen, bevor er seine Arbeit als Minenarbeiter durch die Privatisierung verlor und Koka-Bauer wurde.

Nicht zuletzt die Entkriminalisierung der Koka-Pflanze – Motto: “Coca si! Cocaina no!” – hat Morales immer wieder nach Wien geführt. Hier ist der Sitz des UNO-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC). Das erste Mal kam er in den 90er-Jahren als Anführer der Koka-Bauern Boliviens, wurde aber nicht in das UNO-Gebäude vorgelassen.

Das hat sich mittlerweile geändert, als Staatschef sprach er bei diversen Konferenzen in der Bundeshauptstadt. Auch mit Bundespräsident Heinz Fischer traf er wiederholt zusammen, gegen Hans Krankl und eine österreichische Legenden-Auswahl kickte er im Vorjahr. Wegen des Todes von Chavez wurde die Revanche-Partie heuer im März abgesagt.

Der zweite von drei Söhnen einer armen Arbeiterfamilie konnte nicht einmal seine Hauptschule beenden. “Ich lese keine Bücher, ich lese das bolivianische Volk”, bekundete er einmal. Morales hat zwei Kinder, ist aber nicht verheiratet: “Ich bin mit dem bolivianischen Volk verheiratet.” (APA)

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