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EuGH zwingt Google zum Vergessen: Wie man Inhalte entfernen lässt

EU-Gericht verpflichtet Google zur Löschung von Suchergebnissen
EU-Gericht verpflichtet Google zur Löschung von Suchergebnissen ©APA/ dpa (Themenbild)
Europas Bürger können im Internet ein Recht auf Vergessen einfordern. So kann ein Bürger Google dazu verpflichten lassen, Links zu unangenehmen Dingen aus seiner Vergangenheit nach längerer Zeit aus dem Netz verschwinden zu lassen. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg (Rechtssache C-131/12).
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Seit Jahren wird erbittert um die Frage gestritten: Gibt es ein “Recht auf Vergessenwerden” im Internet? Der Europäische Gerichtshof sagt Ja – wenn es um unliebsame Daten aus der Vergangenheit eines Menschen geht, die Dritte über ihn eingestellt haben. Suchmaschinenbetreiber wie Google müssen die Links dazu löschen. Experten sprechen von einem “Paukenschlag” und “Sensationsurteil”.

Inhalte löschen lassen: Konkretes Vorgehen

Um einen Link aus der Ergebnis-Liste streichen zu lassen, müssten Betroffene sich zuerst direkt an Google wenden, erklärte Michaela Zinke, die bei Verbraucherzentrale Bundesverband für die Rechte von Verbrauchern in der digitalen Welt zuständig ist.

Abgelehnt? Datenschützer zweite Anlaufstelle

Kommt Google der Bitte auf Entfernen aus der Ergebnisliste nicht nach, muss der Verbraucher sich laut Urteil bei den “zuständigen Stellen” beschweren. Das sind die nationalen Datenschutzbehörden. Bringt das keinen Erfolg, kann der Betroffene vor Gericht oder Datenschützer im Namen der Betroffenen klagen.

In diesen Fällen muss Google Links löschen

Wer bei einer Google-Suche nach seinem Namen unangenehme private Informationen findet, darf ab sofort deren Löschung aus der Ergebnisliste beantragen. Nachgewiesen werden muss nur, dass an den Daten kein großes öffentliches Interesse besteht.

Google muss auf Wunsch von Internetnutzern Links zu Seiten mit sensiblen persönlichen Daten aus seiner Liste mit Suchergebnissen löschen. Jeder Bürger, vor allem wenn er keine Person des öffentlichen Interesse sei, könne die Löschung der Links beantragen, wenn sie sich auf veraltete oder irrelevante Informationen bezögen, entschied der Europäische Gerichtshof in einem am Dienstag gefällten Grundsatzurteil. Die Regelung gilt unabhängig davon, ob die Seiten ursprünglich legal ins Internet gestellt wurden.

Ob der Bitte auch stattgegeben wird, soll demnach anhand der “Art der fraglichen Informationen und ihrer Sensibilität für das Privatleben des Datensubjekts und anhand des Interesses der Öffentlichkeit, diese Information zu besitzen”, bewertet werden. Google und andere Suchmaschinen müssten die Links zu diesen Seiten entfernen, es sei denn, sie können tatsächlich ein “überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit” geltend machen, diese Informationen bei der Suche nach der bestimmten Person auch zu finden.

Im Einzelfall müssen Gerichte klären

Links müssen demnach entfernt werden, wenn seit der Veröffentlichung Jahre verstrichen sind oder die Informationen nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck entsprechen, entschied der EuGH. Im Einzelfall müssten Gerichte klären, wann ein Verweis entfernt werden muss. Dabei müsse ein angemessener Ausgleich zwischen den Interesse der Internet-Nutzer an Informationen und den Grundrechten der betroffenen Person gefunden werden. Dieser Ausgleich könne auch angesichts der Rolle einer Person im öffentlichen Leben unterschiedlich ausfallen, schränkten die Richter ein.

Experten rechnen mit Flut an Löschanfragen

Das Urteil könnte eine Flut an Löschanfragen lostreten, meint Michaela Zinke. Die Suchmaschinen-Anbieter “müssen jetzt irgendwie überlegen, wie sie das technisch umsetzen”.

“Das Urteil hat das Potenzial, die Funktionsfähigkeit von Suchwerkzeugen erheblich einzuschränken und damit auch die Auffindbarkeit von Inhalten im Netz zu beeinträchtigen”, meinte in einer Reaktion Rechtsanwalt Thomas Stadler, ein Experte für Internetrecht.

Rollt eine Klagewelle auf Google zu?

Stellt sich die Frage, welche Erfolgsaussichten der einzelne Bürger wirklich hat. Rechtsexperten und Datenschützer erwarten wegen des Löschanspruchs eine Klagewelle. Ob dies durchzusetzen ist, beantwortet der Grünen-Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht so: “Ich hoffe, dass dieses Urteil von allen so respektiert wird, auch vom betroffenen Unternehmen.” Experten sind skeptisch. John Phelan vom Europäischen Verbraucherschutzverband BEUC warnt: “So wie die Dinge stehen, wird es schwer umzusetzen sein, weil es wenig Vorkehrungen gibt, die Nutzern in Europa erlauben, solche Daten von Suchmaschinen entfernen zu lassen.”

Klage ging EuGH-Urteil voraus

Der EuGH-Entscheid resultiert aus eine Klage des Spaniers Mario Costeja. Dieser war bei der Google-Suche nach seinem Namen auf einen Link mit einer Zwangsversteigerung gestoßen, die durchgeführt wurde, weil er Schulden bei der Sozialhilfe nicht zurückgezahlt hatte. Sowohl er als auch die spanische Behörde hatten argumentiert, dass der Link entfernt werden solle, weil die Schuld längst getilgt worden sei. Die Ankündigung der Zwangsversteigerung war ursprünglich in einer spanischen Zeitung erschienen und durch die Digitalisierung von deren Archiv auch ins Internet gelangt.

Google: “Enttäuschendes Urteil”

Und Google? Der Webriese teilte zu dem Urteil mit: “Dies ist ein sehr enttäuschendes Urteil für Suchmaschinenbetreiber und Online-Verleger.” Das Unternehmen hatte in dem Verfahren argumentiert, es sei laut EU-Datenschutzrichtlinie nicht verantwortlich dafür, dass personenbezogene Daten auf den jeweiligen Webseiten gemäß der Richtlinie verarbeitet werden. Google könne nicht einmal zwischen personenbezogenen und anderen Daten unterscheiden. Deshalb könne auch eine nationale Datenschutzbehörde die Suchmaschine nicht verpflichten, bestimmte Informationen aus ihrem Index zu entfernen.

(dpa/red)

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