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D: Münchner Gericht spricht Urteil

Mehr als 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur entscheidet ein Münchner Schwurgericht über Schuld oder Unschuld des mutmaßlichen NS-Verbrechers Ladislav Niznansky.

Gegen den angeklagten 88-jährigen Ex-Hauptmann wird seit gut 15 Monaten wegen Mordes in 164 Fällen verhandelt. Er soll als damaliger Kommandant der slowakischen Kompanie in der Partisanenabwehrgruppe „Edelweiߓ die Mitverantwortung an drei Massakern in der Slowakei getragen haben.

Die Abwehrgruppe „Edelweiߓ hatte unter deutscher Führung in der mit Adolf Hitler kooperierenden Slowakei Partisanen bekämpft. Bei den Massakern waren Anfang 1945 in den Dörfern Ostry Grun und Klak 146 Personen – darunter 48 Frauen und 48 Kinder ermordet worden. Wenig später waren in der Gemeinde Ksinna 18 Juden ermordet worden.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat Niznansky den Befehl zur Ermordung dieser Zivilisten in den drei Dörfern gegeben. In seinem Plädoyer vor dem Schwurgericht München I hatte Staatsanwalt Konstantin Kuchenbauer Ende November deshalb lebenslange Haft wegen gemeinschaftlichen Mordes in 164 Fällen gefordert. Er plädierte zudem dafür, eine besondere Schwere der Schuld festzustellen.

Verteidiger Steffen Ufer dagegen hatte in seinem Plädoyer am 6. Dezember einen Freispruch für Niznansky gefordert. Sein Mandant habe keine Befehlsgewalt ausgeübt, ihn treffe keine strafrechtliche Schuld an den schrecklichen Massakern. Niznansky selbst hatte während des gesamten Prozesses seine Unschuld beteuert. „Ich bedaure tief die Opfer unter der Zivilbevölkerung“, hatte er in seinem Schlusswort gesagt. Er habe damals am Partisanenkampf teilgenommen, aber niemals einen Befehl bekommen, „gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen, für mich war die Zivilbevölkerung immer tabu“. Bei dem Verfahren handelt es sich um einen der voraussichtlich letzten Prozesse gegen mutmaßliche NS-Verbrecher.

Niznansky war vor knapp zwei Jahren verhaftet worden, im September 2004 hatte der Prozess begonnen. Bereits einen Monat später wurde der Haftbefehl gegen den Angeklagten mangels dringenden Tatverdachts aufgehoben, einige wichtige Säulen der Anklage waren zusammengebrochen. So verwickelte sich der Hauptzeuge der Staatsanwaltschaft in Widersprüche und war nach einem psychologischen Gutachten unglaubwürdig. Die Verteidigung versuchte mit einem Zeitdokument zu belegen, dass ein Nachkriegsprozess in der damaligen Tschechoslowakei gegen Angehörige der slowakischen „Edelweiߓ-Einheit, der 1962 für Niznansky in Abwesenheit mit dem Todesurteil endete, von der kommunistischen Partei zu Propagandazwecken beeinflusst wurde.

Das Schwurgericht ließ daraufhin Monate lang nachermitteln und reiste zu Vernehmungen noch lebender Zeitzeugen nach Österreich und in die Slowakei. Auch reichte die slowakische Justiz immer wieder Unterlagen nach, die geprüft werden mussten. Der zeit- und kostenaufwendige Prozess habe viele rechtliche Probleme aufgeworfen, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am Rande der Verhandlung, nicht zuletzt die Bewertung von Zeugenaussagen über 60 Jahre nach den Geschehnissen im Jänner und Februar 1945. „Wir machen uns das nicht leicht“, betonte der Richter.

Niznansky war nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in Österreich für den tschechoslowakischen Geheimdienst und dann auch für den amerikanischen militärischen Abwehrdienst CIC tätig. Er arbeitete später im „Kalten Krieg“ als Journalist für den US-Sender Radio Free Europe in Wien und München. Die Münchner Staatsanwaltschaft hatte 1965 schon einmal gegen Niznansky ermittelt, das Verfahren aber mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Neue Ermittlungen gegen den 1996 in Deutschland eingebürgerten Angeklagten sind 2001 durch eine Anfrage des slowakischen Justizministeriums ausgelöst worden.

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