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Eine unglaubliche Erbschaft: "Erst Glück und dann viel Pech"

Karlheinz Grißinger hat kein Verständnis für die Vorgehensweise in diesem Erbschaftsfall.
Karlheinz Grißinger hat kein Verständnis für die Vorgehensweise in diesem Erbschaftsfall. ©VN/Wolfgang Heyer
Götzis - Erst wird einer Götznerin ein Erbe zuteil. Acht Jahre später muss sie es aber doppelt zurückzahlen.

Plötzlich liegt im Briefkasten eine Benachrichtigung eines öffentlichen Notars aus Wien: „Sie haben geerbt“, ist da zu lesen. Nach Abzug des Notar-Honorars und der Zusage des Erben werden rund 6000 Euro überwiesen. Und das alles nur, weil ein Ahnenforschungs-Institut mit Firmensitz auf den British Virgin Islands die rechtmäßigen Erben ausfindig machen konnte. Da spielt es auch keine Rolle, dass der Verstorbene bereits seit acht Jahren begraben liegt und den Erben nicht einmal bekannt war.

Abstruse Erbschaft

Diese unglaubliche Erbengeschichte, die noch weitere abstruse Wendungen parat halten soll, berichtete Karlheinz Grißinger den VN. „Im Jahr 1995 ist ein Grazer verstorben. Acht Jahre später hat meine Bekannte diesen ominösen Brief erhalten und das Erbe angenommen“, fasst der pensionierte Gendarmeriebeamte und Detektei-Betreiber kurz zusammen.

British Virgin Islands

Die Verwunderung über den unverhofften Geldsegen steht ihm heute immer noch sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben. „Als ich British Virgin Islands gelesen habe, war ich schon skeptisch. Aber das Geld wurde ja überwiesen.“ Diese Skepsis teilt auch der Vorarlberger Notar Richard Forster: „Es ist sehr seltsam, dass ein genealogisches Institut von dort aus in Österreich aktiv wird. Aber es scheint möglich.“ Und so ziehen weitere acht Jahre ins Land, ehe ein erneuter Brief für ungläubiges Staunen sorgt.

„Meine Bekannte wurde im April von einem Anwalt aus Wien angeschrieben. Dieses Mal forderte er das Geld allerdings wieder zurück“, erklärt Grißinger und tippt sich mit dem Finger an den Kopf. In dem Schriftstück steht, dass sich ein neuer Verwandter gemeldet hätte, der in der Erbfolge noch vor der Götznerin läge. Binnen 14 Tagen sollte das Geld auf ein Wiener Konto überwiesen werden.

Eine Frechheit

Und zwar der gesamte Betrag. Also neben den 6000 Euro auch noch das ursprüngliche Notar-Honorar in Höhe von rund 3000 Euro. „Das ist doch eine Frechheit“, echauffiert sich der ehemalige Polizist. „Wenn die Erbschaftsverhandlungen noch nicht abgeschlossen waren, dann handelt es sich hierbei aber um die übliche Vorgehensweise“, erklärt Notar Forster. Die 15-jährige Dauer des Verfahrens erscheint ihm zwar lang, aber nicht unmöglich.

Verlassenschaftsgericht

Dennoch bitten der Detektiv und seine Bekannte den Anwalt, den Weg über das Verlassenschaftsgericht in Graz zu gehen. „Wir wollten das einfach ganz offiziell geregelt wissen.“ Stattdessen reichte der Wiener eine Klage beim Bezirksgericht Feldkirch ein.

„Um der Sache den Wind aus den Segeln zu nehmen, haben wir eine außergerichtliche Einigung getroffen“, gesteht Grißinger zähneknirschend ein. Und so überwiesen sie dem Anwalt knapp 13.000 Euro – inklusive der Zinsen. Also mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2003 geerbt. „Es ist doch erstaunlich, wie schnell man an ein Erbe kommen kann und wie schnell es dann auch wieder weg ist“, resümiert der 71-Jährige enttäuscht.

Informationen einholen

„Diese Konstellation kommt in 50 Jahren vielleicht einmal vor. Die Beteiligten hatten also erst Glück und dann großes Pech“, verdeutlicht Notar Forster die einzigartige Kuriosität des Falls. Der Experte rät allen potenziellen Erben dazu, sich vor der Abgabe einer Erbantrittserklärung bei einem ortsansässigen Anwalt oder Notar zu informieren.

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