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Ein Jahr nach dem "Frankenschock": Schweiz kämpft mit den Folgen

"Frankenschock": Auswirkungen bis heute spürbar.
"Frankenschock": Auswirkungen bis heute spürbar. ©APA
Der Schweizer Franken sorgte vor einem Jahr für Aufsehen an den Finanzmärkten. Die Schweizerische Nationalbank hob die Bindung zum Euro auf und sorgte so für den "Frankenschock". Die Auswirkungen der umstrittenen Entscheidung sind bis heute zu spüren.

Vor einem Jahr sorgte die Schweizerische Nationalbank (SNB) für einen Paukenschlag an den Finanzmärkten. Sie löste am 15. Januar 2015 die Wechselkursbindung des Franken zum Euro auf. Die Entscheidung schickte den Franken auf einen Höhenflug. Der “Frankenschock” wurde zum Schweizer “Finanzwort des Jahres” gekürt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung bewegen die Schweiz bis heute. Viele sorgen sich um die Zukunft von Industrie und Tourismus.

Die SNB hatte mehr als drei Jahre lang einen Mindestkurs von 1,20 Franken zum Euro verteidigt. Das sollte die heimische Währung künstlich billig machen, um Schweizer Exporteuren zu helfen. Denn je mehr der Franken kostet, desto schlechter ist das für Export-Unternehmen. Ihre Waren sind in anderen Ländern dann teurer und damit weniger wettbewerbsfähig. Die Notenbanker der SNB hatten immer wieder versichert, den Mindestkurs unter allen Umständen zu verteidigen.

Zu Jahresbeginn 2015 kapitulierte die Notenbank und gab ihren Mindestkurs auf. Damals zeichnete sich bei der Europäischen Zentralbank eine weitere Lockerung der Geldpolitik ab. Außerdem trieb die erneut aufflammende Griechenlandkrise noch mehr Anleger in den als besonders sicher geltenden Franken trieb. Damit, so die Sorge der Notenbank, könnte der Euro weiter an Wert verlieren – und sie müsste noch mehr Mittel einsetzen, um die eigene Währung gegenüber dem Euro zu schwächen.

Deshalb zogen die Schweizer die Notbremse und gaben den Wechselkurs frei. Der Euro stürzte ab und war kurz nach der Entscheidung kurzzeitig weniger als ein Franken wert. Zuletzt wurde der Euro recht stabil mit 1,08 Franken gehandelt.

Die durch den starken Franken schockartig verteuerten Schweizer Exporte belasteten den Außenhandel. Zu der von vielen Experten befürchteten Rezession kam es zwar bislang nicht. Aber das Wirtschaftswachstum betrug 2015 nur noch 0,7 Prozent, nachdem die Schweiz im Vorjahr mit 1,9 Prozent mehr als doppelt so stark gewachsen war.

Zudem schrumpft die Industrie. So erlitt die schweizerische Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie von Januar bis November einen Exporteinbruch von 6,8 Prozent. Bei 87 Prozent der Unternehmen sind die Gewinnspannen laut einer Umfrage der SNB im Jahr 2015 geschrumpft.

“Langfristig betrachtet bedroht der teure Franken den Schweizer Produktionsstandort”, erwartet Christian Apelt, Schweiz-Experte bei der Landesbank Hessen-Thüringen. “Die Angst vor einer Deindustrialisierung wächst, vereinzelt gab es Meldungen über Produktionsverlagerungen.” Es bleibe offen, ob die Schweiz durch Lohnsenkungen und andere Maßnahmen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten kann.

Besonders betroffen ist neben der Industrie vor allem der Tourismus. Im Zeitraum Januar bis November kamen laut SNB 13 Prozent weniger Gäste aus der EU. Zudem nutzten viele Schweizer den günstigen Franken um in den Euroländern günstig einzukaufen – schlecht für den heimischen Einzelhandel, gut für die Händler im benachbarten Ausland. So wird die Innenstadt von Konstanz Samstags regelmäßig von Kauftouristen aus der Schweiz überrannt.

Der “Frankenschock” macht sich auch am Arbeitsmarkt bemerkbar. Nach Berechnungen der Großbank Crédit Suisse hat die Entscheidung 10 000 Arbeitsplätze gekostet. Die Arbeitslosenquote stieg von 3,2 Prozent Ende 2014 auf 3,4 Prozent Ende 2015. Dabei haben bisher viele Unternehmen Entlassungen durch Übergangslösungen vermieden.

Auch das eigentliche Ziel der Notenbank, die Preisstabilität, ist in weite Ferne gerückt. Durch den teuren Franken wurden ausländische Waren deutlich günstiger und das Preisniveau ist unter Druck. So sanken die Verbraucherpreise im Dezember 2015 im Jahresvergleich um 1,3 Prozent zum Vorjahr. Ökonomen sehen dahinter die Gefahr einer Deflation, einer verhängnisvollen Spirale aus schrumpfenden Preisen und rückläufiger Nachfrage. Deswegen strebt die SNB eine Inflationsrate von Null bis knapp zwei Prozent an.

Wie geht es weiter? In der Schweiz wird bereits über die Einführung eines neuen Mindestkurses diskutiert. Einige Ökonomen plädieren zwar dafür, den Kurs nicht an den Euro allein, sondern an einen Währungsmix zu binden. Dass es dazu kommt, gilt aber nicht als wahrscheinlich. Nach Aussage von SNB-Vizepräsident Fritz Zurbrügg ist die SNB indes weiterhin bereit, “unter bestimmten Umständen direkt in den Devisenmarkt einzugreifen”. (dpa)

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