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Drei Monate Fukushima: Chronik einer Katastrophe

Drei Monate nach der Katastrophe von Fukushima haben sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet.

Der Betreiber Tepco hat mittlerweile eingeräumt, dass es in drei Reaktoren unmittelbar nach dem Erdbeben zur “teilweisen” Kernschmelze gekommen ist. Auch von der Behauptung, dass die Reaktoren bis Jahresende wieder stabil sein sollen, hat sich der Betreiber inzwischen verabschiedet. Folgend ein Rückblick über die vergangenen Monate.

MÄRZ:

Am 11. März erschüttert ein Erdbeben der Stärke 9,0 Japan. Eine gewaltige Flutwelle tötet schätzungsweise 25.000 Menschen. Zudem gerät das Atomkraftwerk Fukushima außer Kontrolle. Die Kühlung der Reaktoren fällt aus. In drei Reaktoren setzt eine Kernschmelze ein, was vom Betreiber Tepco aber nicht zugegeben wird.

Die Regierung ruft den atomaren Notfall aus. Die Reaktorblöcke werden notdürftig mit Meerwasser gekühlt. Lebensmittel aus der Präfektur Fukushima dürfen nicht mehr verkauft werden.

Die Evakuierungszone rund um das Kraftwerk wird mehrmals erweitert – von drei auf zehn und schließlich auf 20 Kilometer. Rund 80.000 Menschen müssen in Notunterkünfte umsiedeln.

APRIL:

Verstrahltes Kühlwasser fließt tonnenweise in den Pazifik. Japan stuft die Katastrophe von Stufe 5 auf Stufe 7 der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (Ines) hoch. Damit rangiert der Unfall auf der gleichen Ebene wie der bisher schwerste Atomunfall in Tschernobyl vor 25 Jahren.

Betreiber Tepco geht davon aus, dass die Reaktoren erst in sechs bis neun Monaten wieder stabil sind. Drei Monate soll es allein dauern, die Kühlung wieder in Gang zu setzen. Die Gefahr einer vollständigen Kernschmelze hält die Regierung aber für gebannt. Diese Pläne wurden inzwischen wieder verworfen.

Die 20-Kilometer-Evakuierungszone rund um die Atomruine wird zum offiziellen Sperrgebiet. Das Betreten ist nur noch mit staatlicher Genehmigung erlaubt.

MAI:

Das japanische Unterhaus beschließt einen Extra-Haushalt von umgerechnet 33,4 Milliarden Euro für den Wiederaufbau. Insgesamt leben 130.000 Menschen noch immer in Notunterkünften.

Bei den Reparaturarbeiten gibt es erste kleine Erfolge. Nach Einbau von Filtern betreten Arbeiter erstmals wieder den Reaktor 1. Immer häufiger gibt es Meldungen, dass Arbeiter zu hohen Strahlendosen ausgesetzt sind. Erst jetzt werden sie regelmäßig medizinisch untersucht.

Die Abneigung der japanischen Bevölkerung gegen die Atomkraftwerke wächst, in Tokio gehen Tausende auf die Straße. Zunächst heißt es, Japan wolle seine Energiepolitik ändern. Am 22. Mai aber bestätigen Japan, China und Südkorea gemeinsam ihren Atomkurs.

Erstmals gibt der Kraftwerkbetreiber Tepco zu, dass in den drei aktiven Reaktoren schon kurz nach dem Beben eine Kernschmelze eingesetzt hat. Die Ratingagentur Standard and Poor’s stuft wenige Tage später Tepco auf Ramschstatus herab.

Dann gibt es wieder Rückschläge: Am 27. Mai bricht in Fukushima 2 ein Brand aus. Das Feuer wird laut Tepco aber wieder schnell gelöscht. Am 29. fallen im Reaktor Fukushima 5 zwischenzeitlich die Kühlpumpen aus.

Am 30. Mai werden die Menschen im Katastrophengebiet von heftigen Regenfällen heimgesucht. Teilweise stehen Straßen unter Wasser, Flüsse schwellen bedrohlich an, melden Medien. Der Betreiber der Atomruine Fukushima zweifelt indes langsam daran, die Lage in dem zerstörten AKW bis Jahresende stabilisieren zu können. Bei zwei Arbeitern werden hohe Radioaktivität-Werte in der Schilddrüse gemessen.

JUNI:

Am 4. Juni teilt Tepco mit, im Reaktorgehäuse von Block 1 sei mit einer Strahlendosis von bis zu 4.000 Millisievertpro Stunde die höchste bisher in der Luft gemessene Radioaktivität in dem Kraftwerk festgestellt worden. Der Rekordwert bedeutet, dass Arbeiter innerhalb von vier Minuten der höchsten zulässigen Strahlendosis von 250 Millisievert pro Jahr ausgesetzt wären.

In der Atomruine macht weiter hoch radioaktiv verstrahltes Wasser Probleme. Laut Tepco schwappen dort mehr als 100.000 Tonnen der strahlenden Brühe. Der Konzern befürchtet angesichts der nahen Regenzeit, es könnte überlaufen und ins Erdreich oder Meer gelangen.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) attestiert Japan in einem Bericht, dass es die Tsunami-Gefahr für das Küstengebiet am Atomkraftwerk Fukushima unterschätzt hat. Erst etwa drei Monate nach dem Beben lässt Tokio die Ursachen des Atomunfalls von einem unabhängigen Expertenteam untersuchen. Das überwiegend von Wissenschaftern besetzte Gremium soll auch Maßnahmen des Betreibers und die Reaktion der Regierung unter die Lupe nehmen. (APA)

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