AA

Die Keule der Euro-Bindung gegen Frankenhöhenflug

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat am Dienstag erstmals seit 33 Jahren einen Mindestwechsel kurs des Frankens zum Euro von 1.20 festgesetzt. So funktioniert der Coup der SNB:

Die Schweizer Währungshüter haben im Kampf gegen den Höhenflug des Franken die große Keule hervorgeholt. Um die von Euro-Schuldenkrise und US-Konjunktursorgen ausgelöste Aufwertung ihrer Währung abzumildern, legte die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Dienstag einen Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro fest. Die Währungshüter um ihren Präsidenten Philipp Hildebrand kündigten an, sie wollten mit unbeschränkten Devisenkäufen verhindern, dass der Euro unter diese Marke fällt

SNB kündigt unbeschränkte Devisenkäufe an

Die Schweizerische Nationalbank hat mit der Anbindung an den Euro ein jähes Ende bereitet. Mit der Festlegung eines Mindestkursziels von 1,20 Franken sorgte die SNB dafür, dass die heimische Währung gegenüber Euro, Dollar und Yen auf Talfahrt ging. Zugleich kam es an der Schweizer Börse zu einem Kursfeuerwerk, da vor allem die Exportfirmen des Alpenlandes zuletzt unter der Frankenstärke gelitten hatten. Die SNB will ein Absinken des Euro unter 1,20 Franken ab sofort nicht mehr tolerieren und kündigte an, den Mindestkurs mit Hilfe von unbeschränkten Devisenkäufen konsequent durchzusetzen.

Der Euro stieg am Vormittag auf 1,2031, nach 1,1270 Franken vor der Ankündigung. Der Dollar sprang auf 0,8494 von zuvor 0,80 Franken. Auch der japanische Yen legte kräftig zu auf 1,0993 Franken. Der Euro kletterte auf bis zu 1,4275 Dollar, nachdem er im späten New Yorker Geschäft bei 1,4092 Dollar notiert hatte. Zu Mittag notierte der Euro bei 1,4135 Dollar.

Kursziel gegen Spekulanten

Mit der Anbindung soll vor allem Spekulanten das Geschäft verdorben werden. Diese konnten bisher damit rechnen, dass ein neuer Schub in der Euro-Schuldenkrise oder ungünstige Wirtschaftsdaten aus den USA zu einer Flucht verunsicherter Anleger in den Franken und damit zu einer Aufwertung der Schweizer Währung führen würde. Dann konnten die Spekulanten zuvor erworbene Franken mit Gewinn wieder verkaufen. Das war Anfang August schon einmal so gewesen als der Franken zum Euro vorübergehend fast auf 1:1 gestiegen war. Ein Franken war damals 99 Euro-Cent wert – Anfang 2010 hatte die Schweizer Währung noch rund 68 Cent entsprochen.

Der starke Franken verteuerte Schweizer Waren im Ausland, außerdem müssen Touristen für Urlaub in der Schweiz mehr auf den Tisch legen. Aus dem Ausland importierte Güter wie Öl und Maschinen wurden zwar billiger. Aber die Schweizer strömten auch in Scharen über die Grenze, um in Ausland statt in ihren Schweizer Läden einzukaufen – auch nach Vorarlberg. Das führte dann auch zu Druck auf die Preise. Die Verbraucherpreise sanken im August um 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat.

Deflationssorgen bei der SNB

Das weckte bei der SNB Deflations-Sorgen. “Die gegenwärtig massive Überbewertung des Schweizer Frankens stellt eine akute Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft dar und birgt das Risiko einer deflationären Entwicklung”, erklärte die SNB. Deflationserwartungen sind für eine Volkswirtschaft gefährlich: Es besteht die Gefahr, dass Verbraucher sich zurückhalten, weil sie mit weiter sinkenden Preisen rechnen – und so eine Spirale nach unten in Gang gesetzt wird.

Die Gefahren der Devisenkäufe

Ganz ungefährlich ist der Schritt der SNB nicht. Wenn sie jetzt unbeschränkt Devisen gegen Franken kauft, wird die Franken-Geldmenge weiter aufgebläht und das kann sich als Quelle von Inflation erweisen.

Und die Märkte müssen überzeugt sein, dass die Währungshüter zu allem bereit sind. Zumindest so lange, bis sich für die Schuldenkrise eine Lösung abzeichnet und die Konjunktur in den USA wieder in Fahrt kommt. Der Devisenmarkt werde die Standhaftigkeit der SNB sicher testen wollen, sagte der Devisenanalyst Mario Mattera vom Bankhaus Metzler.

Finanzmärkte kommen in Bewegung

Am Finanzmarkt hieß es am Dienstag, Spekulanten hätten mit etwa 60 Mrd. Franken (54,0 Mrd. Euro) auf eine weitere Aufwertung der Schweizer Devise gewettet, indem sie sich in Euro verschuldeten und dafür Franken gekauft hatten.

Weniger Sorgen machen sich Schweizer Devisenexperten. “Man wird sich zweimal überlegen, gegen dieses Ziel zu spekulieren, weil die SNB mit dem Rücken zur Wand steht”, sagte der Devisenexperte Alessandro Bee von der Bank Sarasin. Die Marke von 1,20 sei ein vernünftiger Wert. Den von der Wirtschaft geforderten Kurs von 1,35 Franken hätte die SNB nicht durchsetzen können.

Kursziel vor 30 Jahren Grund für hohe Inflation

Zum letzten Mal hatte die SNB vor rund 30 Jahren zum Mittel eines Wechselkurszieles gegriffen. Damals hatte die Ölkrise zu einer Flucht in den sicheren Hafen Schweiz geführt und die SNB kaufte 1978 ebenfalls große Mengen Devisen. Vier Jahre später galten die damit verbundene Geldmengenausweitung als Quelle der Inflation, die dann mehr als 6 Prozent erreichte.

Zuletzt hatte die SNB mit einer Ausweitung der Geldmenge und Devisen-Termingeschäften den Franken zu schwächen versucht. Das hatte zwar zur Folge, dass die kurzfristigen Zinsen negativ wurden. Aber angesichts der anhaltenden Schuldenkrise, bei der sich auch kein Ende abzeichnet, blieb die Schweizer Währung massiv überbewertet.

 

Das Online Newsportal 20min.ch erklärt anhand einiger Fragen wie sich das Mindestkursziel für den Franken auswirken wird.

Was bedeutet ein Mindestkurs?

Der Mindestkurs ist nur eine Untergrenze für den Euro-Wechselkurs. Die Währung wird weiter schwanken, aber die SNB wird mit allen Mitteln veruschen den Wechselkurs nicht unter 1.20 im Verhältnis zum Euro fallen zu lassen.

Wie kann die SNB den Mindestkurs verteidigen?

Wenn der Kurs unter 1.20 zu fallen droht, kann die SNB für Franken Euro zukaufen.

Was kostet die Verteidigung des Mindestkurses?

Die SNB kann dafür soviel Franken drucken wie sie will, Verluste entstehen dabei nur falls die Verteidigung des Mindestkurses nicht gelingt.

Warum hat die SNB so lange mit diesem Schritt gewartet?

Es gibt dabei zwei große Risiken. Mit einem Tagesumsatz von vier Billionen Dollar hat der Devisenmarkt eine kaum zu steuernde Größe. Und es kann durch Große Devisenkäufe der SNB ein hohes Inflationspotential für die Schweiz entstehen.

Können Wirtschaft und Tourismus in der Schweiz mit dem Wechselkurs von 1.20 leben?

1.20 ist laut SNB noch hoch bewertet. Die Wirtschaft würde einen Kurs von 1.35 bevorzugen, die SNB sagt aber eine Anpassung nach oben wäre in Zukunft möglich.

Muss die Schweiz dennoch mit tausenden Entlassungen rechnen?

Wichtig sei die Planungssicherheit durch das Mindestkursziel für die Firmen in der Schweiz. Entscheidend wird aber die weitere weltweite Entwicklung der Wirtschaft sein.

(APA/Red.)

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Wirtschaft
  • Die Keule der Euro-Bindung gegen Frankenhöhenflug