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Asylkrise: Österreich sichert eigene Grenzen - EU-Sonderrat einigt sich auf Verteilung von 40.000 Flüchtlingen

Grenzkontrollen in Österreich - Flüchtlingsstrom reißt weiterhin nicht ab.
Grenzkontrollen in Österreich - Flüchtlingsstrom reißt weiterhin nicht ab. ©APA
Asyl: Vorarlberg trifft Vorkehrungen


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Asylkrise im Kurzüberblick

 

VORARLBERG

Anders als im Osten Österreichs angesichts der anhaltenden Flüchtlingsströme ist die Lage in Vorarlberg am Montagnachmittag ruhig geblieben. Es gebe derzeit keine Anzeichen, dass sich die Reiseroute der Hilfesuchenden nach Westen verlagere, sagte Landesrettungskommandant Werner Meisinger vom Roten Kreuz auf APA-Nachfrage. Man sei aber für den Ernstfall vorbereitet.

Im Bahnverkehr wurden die Kontrollen durch die Polizei nicht ausgeweitet. In den Reisezügen nach und durch Vorarlberg werden Kontrollen im “gleichen Ausmaß wie bisher” fortgeführt, so Polizeisprecherin Susanne Dilp. Sowohl am Autobahn-Grenzübergang Hörbranz als auch an der Grenze zu Lindau über die Bundesstraße wurde weiterhin stichprobenartig kontrolliert. Das könne sich aber jederzeit ändern, hieß es dazu seitens der deutschen Bundespolizei in Rosenheim. Mehr lesen…

Keine Einigung auf Flüchtlingsquote

Die EU-Innenminister haben sich am Montag nicht auf eine verbindliche und fixe Verteilung von Flüchtlingen in der Europäischen Union geeinigt. Stattdessen vereinbarte die Mehrheit der Länder im Grundsatz nach rund siebenstündigen Beratungen, 120.000 Flüchtlinge über die EU-Staaten zu verteilen, wie der luxemburgische Außen- und Immigrationsminister Jean Asselborn als Ratsvorsitzender mitteilte.

Aber auch dabei handelt es sich laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nur um “eine Empfehlung” Asselborns. Über eine Flüchtlingsquote sei gar diskutiert und auch kein Beschluss getroffen worden. “Da heißt es dranbleiben und die Diskussion weiterführen”, sagte Mikl-Leitner nach Ende der Beratungen am Montagabend in Brüssel.

Ein Beschluss über die Verteilung der 120.000 soll erst beim nächsten Innenministertreffen am 8. Oktober fallen, hieß es. Bereits formal beschlossen wurde am Montag die Umsiedlung von 40.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien. Laut Asselborn geschieht dies allerdings ohne eine feste Quote. Asselborn zufolge soll die Türkei weiters wegen der Eskalation im Kurden-Konflikt EU-weit nicht wie erwartet als sicheres Herkunftsland eingestuft werden, so wie dies für die sechs Erweiterungsländer auf dem Westbalkan (Kosovo, Albanien, Serbien, Montenegro, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina) am Montagabend beschlossen wurde.

Die EU-Kommission hatte einen verbindlichen Verteilungsschlüssel vorgeschlagen, um Staaten mit einer EU-Außengrenze zu entlasten. Die Pläne waren allerdings bei einer Reihe von Mitgliedsländern auf Widerstand gestoßen. Gegen eine Einigung auf Quoten stellten sich laut Mikl-Leitner, wie im Vorfeld schon angekündigt, vor allem die mittel-osteuropäischen und die baltischen Staaten.

Die Minister konnten sich bei ihrem Sondertreffen zur Flüchtlingsfrage nur grundsätzlich auf die Zahl 120.000 einigen, sagte auch der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere nach den Beratungen. Ein verbindlicher Verteilschlüssel, wie die EU-Kommission ihn vorgeschlagen hatte, fehle aber bisher. Es sei nicht einmal möglich gewesen, zur grundsätzlichen Verteilung von 120.000 Flüchtlingen “ein einstimmiges Ergebnis zu erzielen”, sagte de Maiziere. Deutschland, Frankreich und andere Staaten hätten deshalb die EU-Ratspräsidentschaft bitten müssen, “hierüber eine Mehrheitsentscheidung herbeizuführen”, an die sich dann auch die Gegner einer Verteilung halten müssten.

Die EU-Kommission kritisierte die Krisenberatungen der Innenminister zur Flüchtlingskrise deutlich. “Wir haben nicht die Vereinbarung erzielt, die wir haben wollten”, sagte Innenkommissar Dimitris Avramopoulos. Mit Blick auf den jüngsten Vorschlag seiner Behörde zur Verteilung von weiteren 120.000 Flüchtlingen fügte der Kommissar hinzu: “Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten ist bereit voranzugehen, aber nicht alle.” Über die bereits im Mai von der Kommission vorgeschlagene Umsiedlung von 40.000 Flüchtlingen gibt es hingegen eine verbindliche Absprache der EU-Staaten. Mehr lesen…

Bundesheer kann in 72 Stunden 2.200 Soldaten entsenden

Das österreichische Bundesheer kann im Rahmen des von der Regierung angeforderten Assistenzeinsatzes wegen der Flüchtlingskrise innerhalb von 72 Stunden bis zu 2.200 Soldaten bereitstellen. Die Soldaten werden zur Unterstützung der Polizei abgestellt und werden etwa bei den punktuellen Grenzkontrollen die Exekutive unterstützen. Zu einer Bewachung der “Grünen Grenze” werde es nicht kommen.

Ausmaß der Grenzkontrollen unklar

Österreich ist am Montag Deutschland nachgezogen und sichert nun auch verstärkt die eigene Grenze. Dazu wurden beim Bundesheer bis zu 2.200 Soldaten für einen Assistenzeinsatz angefordert. 500 Soldaten sind laut Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) bereits ab Dienstagfrüh einsatzfähig. Der Flüchtlingsstrom riss trotz dieser verschärften Maßnahmen jedoch nicht ab.

Das Bundesheer kann im Rahmen des von der Regierung angeforderten Assistenzeinsatzes wegen der Flüchtlingskrise innerhalb von 72 Stunden bis zu 2.200 Soldaten bereitstellen. Die Soldaten werden zur Unterstützung der Polizei abgestellt und werden etwa bei den punktuellen Grenzkontrollen die Exekutive unterstützen. Zu einer Bewachung der “Grünen Grenze” werde es nicht kommen.

Unter Zugzwang wurde die Regierung durch Deutschland gebracht. Nachdem Berlin am Sonntag verstärkte Grenzkontrollen in die Wege geleitet und den Zugverkehr von Österreich gestoppt hatte, verständigte sich Rot-Schwarz nach einigen Schockstunden darauf, nachzuziehen. In einem Rundlauf-Beschluss wird von der Regierung der Assistenzeinsatz des Heers beschlossen und gleichzeitig der EU-Kommission mitgeteilt, dass es im Rahmen der Möglichkeiten des Schengener Abkommens wieder zu Grenzkontrollen kommt.

Welcher Art diese sind, war am Dienstag nur schwer herauszufinden. Während die Regierungsspitze bei einer gemeinsamen Pressekonferenz eher den Eindruck vermittelte, es würde sich um zusätzliche stichprobenartige Grenzraumkontrollen halten, geht das Innenministerium von echten Grenzkontrollen aus. Das heißt, es würden die ehemaligen Grenzübergänge besetzt und auch Patrouillen an der Grünen Grenze zu Ungarn durchgeführt.

Bundesheer im Assistenz-Einsatz

Viel Zeit will man sich dabei nicht lassen: “Wir werden auf alle Fälle so schnell als möglich beginnen, direkt an der österreichisch-ungarischen Grenze”, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), deren Wunsch nach einem Assistenzeinsatz des Heers nach einem halben Tag Wartens vom Koalitionspartner doch erfüllt wurde.

SPÖ-Chef Werner Faymann ließ am Montag durchblicken, dass man davon ausgehe, dass Deutschland trotz der eingeleiteten Kontrollen die ins Land drängenden Flüchtlinge zumindest fürs erste aufnehme. Es sei kein Fall bekannt, wo ein Asylwerber nach Österreich zurückgeschoben worden sei.

Was den Assistenzeinsatz des Heers angeht, betonte der Kanzler, dass die Soldaten in erster Linie humanitäre Hilfe leisten würden. Was sie letztlich wirklich tun, müssen freilich der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, und Generalstabschef Othmar Commenda ausmachen. Fürs erste war einmal geplant, 500 der theoretisch zur Verfügung stehenden 2.200 Soldaten zum Einsatz zu bringen. Bei der ersten Gruppe wird es sich ausnahmslos um Berufssoldaten handeln.

Heutiger Dienstag als Stichtag

Dass ein Signal an fluchtwillige Personen gesendet werden musste, ist für Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) auf der Hand liegend. Angesichts des unkontrollierten Zustroms von Flüchtlingen nach Österreich müsse gegengesteuert werden, so der VP-Chef. Es gelte, das Signal Deutschlands aufzugreifen. Genauer besprechen kann man die Lage mit dem Nachbarstaat bereits am Dienstag. Die Regierungsspitzen und die Innenminister beider Länder treffen in Berlin zusammen. Dafür entfällt in Wien sogar der Ministerrat.

Dienstag ist nicht nur deswegen in der aktuellen Flüchtlingskrise ein Stichtag. Denn ab Dienstag treten in Ungarn die verschärften Fremdengesetze in Kraft, weshalb zumindest auf dieser Route mit einem Abschwellen des Flüchtlingsstroms gerechnet wird. Umso stärker drängen jetzt noch Asylsuchende Richtung Österreich und Deutschland. Untertags sollen sich um die 20.000 Flüchtlinge in Österreich auf dem Weg befunden haben. Diese Zahl könnte noch deutlich steigen.

BURGENLAND

Die Flüchtlings-Situation an den Grenzübergängen bei Nickelsdorf und Heiligenkreuz hat sich in der Nacht auf Dienstag im Vergleich zur vorhergehenden Nacht sehr ruhig dargestellt. Seit Mitternacht wurden in Nickelsdorf rund 1.500 Flüchtlinge aus Ungarn erwartet, sagte ein Vertreter des Einsatzstabs im Burgenland der APA am Dienstag Früh.

Aus Ungarn sei ein Zug mit rund 1.400 Flüchtlingen avisiert worden, der bereits in Hegyeshalom angekommen sei, erklärte Franz Recker der APA gegen 05.00 Uhr. Nun würden die Menschen “nach und nach” in Nickelsdorf eintreffen. Sie seien zu Fuß in Großgruppen unterwegs. Derzeit sei es noch unklar, mit wie vielen Neuankünften man in den kommenden Stunden in Nickelsdorf rechnen könne.

In Heiligenkreuz sei es “sehr ruhig”, seit Mitternacht sei niemand über die Grenze gekommen. Derzeit halte sich dort kein Flüchtling auf: Alle seien in der Informhalle Oberwart untergebracht worden. Dies betreffe rund 500 Personen.

Im Laufe des Montags waren laut einem Vertreter des Einsatzstabes der Polizei im Burgenland insgesamt 19.736 Flüchtlinge aufgegriffen worden. In den Abendstunden ab 18.00 Uhr hätten bis zu 6.000 Personen von Ungarn aus die Grenze passiert, hieß es auf Anfrage der APA am Montagabend.

Über 10.000 Personen in Notquartieren

In ganz Österreich wurden in der Nacht auf Montag mehr als 10.000 Personen in Notquartieren untergebracht und “weitere 5.000 verbrachten die Nacht an der Grenze, wo sie vom Roten Kreuz versorgt wurden”, berichtete Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes auf Anfrage der APA. “Heute und in den kommenden Tagen werden viel mehr temporäre Unterkünften benötigt, um eine geordnete Unterbringung zu ermöglichen”, betonte er. An die 2.000 Flüchtlinge hielten sich Montagabend auf den beiden großen Wiener Bahnhöfen auf. Wie am Westbahnhof kontrolliert die ÖBB jetzt auch am Hauptbahnhof den Zugang zu den Bahnsteigen. Die Flüchtlinge werden nach und nach vom Roten Kreuz und der Berufsrettung in Quartiere gebracht, berichtete ein Polizeisprecher der APA.

Zugverkehr erneut unterbrochen

Schwierig gestaltet sich die Weiterreise für jene, die es trotz der verstärkten Grenzkontrollen weiter nach Deutschland zieht. Denn der Zugverkehr wurde zwar am Vormittag mit Einschränkungen wieder aufgenommen, dann aber am Nachmittag neuerlich eingestellt. Züge stranden in Salzburg. Wie lange dieser neuerliche Stopp gilt, war vorerst nicht absehbar. Züge Richtung Schweiz und Vorarlberg werden ohnehin seit gestern über Zell/See umgeleitet. Probleme gibt es auch auf der Straße. Die A4 musste am Nachmittag bei Nickelsdorf gesperrt werden, nachdem immer wieder Flüchtlinge die Fahrbahn querten.

SALZBURG

Am Salzburger Hauptbahnhof war die Situation am Montagnachmittag weiterhin angespannt. Zwar reisten am Vormittag vereinzelt Flüchtlinge mit Zügen weiter, ehe der Bahnverkehr nach Deutschland wieder unterbrochen wurde, für eine größere Entlastung war dies aber zu wenig. Am Nachmittag bereiteten sich die Hilfskräfte für die Versorgung der Flüchtlinge in der Nacht vor.

Der Großteil der rund 1.000 Menschen, die die vergangene Nacht in der Bahnhofs-Tiefgarage verbracht haben, befand sich auch am Nachmittag noch in Salzburg. Neue Flüchtlinge sind allerdings heute bisher kaum angekommen, weil jene, die mit dem Zug in Salzburg eintrafen, gleich weiter über die Grenze gefahren sind. Laut einer groben Schätzung der Polizei befanden sich um 15.00 Uhr noch etwa 900 Flüchtlinge am Bahnhof. Einen Ausblick auf die kommende Nacht vermochte Polizeisprecher Michael Rausch zu dieser Zeit noch nicht zu machen.

BAYERN

Im bayrischen Grenzort Freilassing nahe Salzburg wurden in Zügen aus Österreich 500 Migranten registriert. “Die Personen, die nicht über die notwendigen Dokumente verfügen, müssen hier den Zug verlassen”, so ein deutscher Bundespolizeisprecher. “Sie werden hier erstregistriert und zur Dienststelle gebracht.” Am Münchner Hauptbahnhof kamen laut deutscher Polizei auch nach Wiederaufnahme des Zugverkehrs zwischen Österreich und Deutschland am Montag bis zum Mittag fast keine Flüchtlinge mehr an. (APA)

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