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"Das Herz schreit nein, der Bauch ja"

Anna und Martin in ihrem Sommerurlaub auf Bali.
Anna und Martin in ihrem Sommerurlaub auf Bali. ©handout/Anna
Anna (22) und Martin (25), beide aus Dornbirn, haben nach vier Jahren Partnerschaft den Versuch gewagt, eine offene Beziehung zu führen. In der W&W-Ausgabe vom Sonntag erzählt Anna, wie es sich anfühlte, fremd gehen "zu dürfen".

Anna plante vor rund einem Jahr ein Auslandssemester – weg von der Familie, Freunden und ihrem langjährigen Freund Martin, rein in ein neues Abenteuer und das ganz allein: “Es war mein großer Traum, einmal für längere Zeit in einem anderen Land zu leben. Eine Beziehung sollte meiner Meinung nach Träume nicht verhindern – Martin hat das genauso gesehen.” Die beiden hatten schon öfters über das Thema offene Beziehung gesprochen, aber noch nie konkretisiert: “Das Auslandssemester war eine gute Möglichkeit, diesen Versuch anzugehen. Martin war dem Thema nie negativ gestimmt, aber innerlich hatten wir beide ein bisschen Angst. Wir sprachen lange und viel darüber. Mir war es sehr wichtig, dass jeder mit diesen Weg leben konnte.”

Klare Regeln

Anna und Martin legten einige Regeln fest, damit niemand verletzt oder bloß gestellt wird: “Die Regeln besagten, dass wir das Ganze eher geheim angingen, also dass man nicht aus der ‚Dorfdisco‘ die Bekanntschaft mit nach Hause nimmt. Ich wollte nicht, dass jeder von unserem Versuch etwas mitbekommt, da die Umgebung recht skeptisch auf die Idee reagierte. Eine weitere Vereinbarung war, nicht miteinander über die Bekanntschaften zu sprechen – wir wollten erst nach dem Auslandsjahr, wenn wir uns wieder sahen, über die Erfahrungen reden. Aber natürlich verlief es anders und die offene Beziehung führte zu mehr Problemen, als wir gedacht hätten.” Wie es schließlich mit den beiden weiterging und wie das Ganze aus Martins Sicht lief, ist in der nächsten Ausgabe am Mittwoch, 17. April, zu lesen.

Thema “Offene Beziehung”

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Anna berichtet

“Am ganzen Körper erregt”
“Er fragt mich, ob er mich küssen darf. Das Herz schreit nein, der Verstand ist stumm, nur mein Bauch sagt ja. Mein Kopf bewegt sich, wie der eines Wackeldackels, und bevor ich mich versehe, spüre ich seine Lippen auf meinen. Nach drei Jahren mit ein und demselben Mann wollte ich diese neue Freiheit doch eigentlich so sehr. Und jetzt? Jetzt frage ich mich, ob ich das überhaupt noch kann. So schnell, ohne Gefühle, nur mit Kondom. Und vor allem ohne Martin. Es fühlt sich so falsch an und doch bin ich am ganzen Körper erregt. Unsere Zungen berühren sich, ich schmecke Bier, Zigaretten und ein scharfes Parfum – es ist so anders, als ich es gewohnt bin und das erregt mich noch viel mehr. Ich will dieses Unbekannte spüren. Das falsche Gefühl weicht der puren Lust, Lust endlich wieder in eine neue Welt eintauchen zu können. Ich ziehe an seiner Hose, bin so ungeduldig, wie ein kleines Kind am Heiligen Abend. Er schubst mich aufs Bett und alles passiert wie in einer dieser Filmszenen, nur bin ich nicht Angelina Jolie, sondern eine bodenständige Frau, die mit ihrem Freund den Versuch wagt, eine offene Beziehung zu führen. Es ist schneller vorbei, als ich es eigentlich gewohnt bin. Mein Atem geht schwer, ich fühle mich erleichtert und auch ein bisschen stolz. Mein Gegenüber schläft gleich ein, während ich an die Decke starre, mir wünsche der Typ würde jetzt einfach nur abhauen und mich alleine lassen. Das Gefühl der Erregung ist verraucht, ich habe einen fahlen Geschmack im Mund – plötzlich sehne ich mich nach Martin und würde mich jetzt am liebsten in seine Arme kuscheln. Und dann merke ich, wie sehr ich ihn vermisse. Ich will ihn gegen keinen anderen Mann in der Welt tauschen, auch nicht für einen One Night Stand. Manchmal muss sich wohl etwas falsch anfühlen, um dann ganz richtig zu sein. Und manchmal muss man etwas wagen, um herauszufinden, wohin man gehört.”

Anna (22), Dornbirn

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