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Camerons Tories gewannen absolute Mehrheit in Großbritannien

Überraschend deutlicher Erfolg für Cameron
Überraschend deutlicher Erfolg für Cameron ©EPA
Die Konservative Partei von Premierminister David Cameron hat die für eine Alleinregierung nötige absolute Mehrheit im britischen Unterhaus gewonnen. Die Tories erreichten am Vormittag die Schwelle von 325 der 650 zu vergebenden Mandate; vier Sitze aus Nordirland bleiben traditionell unbesetzt.
Cameron als großer Wahlsieger

Der Labour-Politiker Ed Miliband, dem von Meinungsforscher bis unmittelbar vor Öffnung der Wahllokale gute Chancen auf eine Ablösung Camerons in der Downing Street vorhergesagt worden waren, wurde zum großen Verlierer der Wahl. Die von ihm seit fünf Jahren geführten Sozialdemokraten kommen nur noch auf rund 230 Sitze und unterbieten damit noch ihr schlechtes Ergebnis von 2010, als sie 258 Parlamentarier stellten.

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Miliband trat noch am Freitag zurück

Ed Miliband ist als Vorsitzender der britischen Labour Party zurückgetreten. Er übernahm am Freitag die Verantwortung für die Wahlniederlage der Sozialdemokraten und gratulierte Premierminister David Cameron von den Konservativen zum Sieg. “Es ist Zeit, dass jemand anderer die Interessen der Partei wahrnimmt”, sagte der Labour-Vorsitzende Ed Miliband. Umfrageinstitute hatten über Monate ein knappes Rennen vorausgesagt, doch letztlich siegte die Konservative Partei von Premierminister David Cameron bei der Parlamentswahl am Donnerstag mit deutlichem Vorsprung vor Labour.

Miliband hatte den Parteivorsitz 2010 übernommen, nachdem Labour mit dem früheren Premierminister Gordon Brown an der Spitze die Parlamentswahl verloren hatte. Er setzte sich im Rennen um den Posten knapp gegen seinen Bruder David Miliband durch, der unter Brown Außenminister gewesen war und eigentlich als aussichtsreicherer Kandidat gegolten hatte. Bis ein neuer Parteichef gewählt ist, wird die stellvertretende Parteivorsitzende Harriet Harman Milibands Posten übernehmen.

Labour-Chef gesteht Niederlage ein

Als Miliband seinen eigenen Wahlkreis Doncaster North am frühen Morgen gewann, nahm er die Worte “Niederlage” und “Rücktritt” zwar nicht in den Mund, die Botschaft war aber klar: “Das war eindeutig eine sehr schwierige enttäuschende Nacht für die Labour-Partei.” Blass und sichtlich erschöpft stand der 45-Jährige neben seinen Konkurrenten, spielte unsicher an seinen Händen herum, das Lächeln resigniert.

Die nächste Regierung habe eine große Verantwortung, alle Teile des Königreiches zusammenzuhalten. Miliband war mit dem Ziel angetreten, die Regierung von Premierminister David Cameron abzulösen.

Auch Clegg tritt zurück

Zu den Verlierern zählen auch die bisher mitregierenden Liberaldemokraten. Nach den herben Verlusten seiner Liberaldemokraten hat Vize-Regierungschef Nick Clegg seinen Rücktritt als Parteichef erklärt. Die Wahlergebnisse seien “vernichtend”, sagte Clegg am Freitag vor seinen Anhängern. “Ich muss die Verantwortung tragen, und ich trete als Vorsitzender der Liberaldemokraten zurück”, sagte Clegg am Freitag in London. Der Parteichef, der in der bisherigen Regierung Vizepremier war, hatte bei dem Urnengang am Donnerstag seinen Wahlkreis zwar verteidigt. Seine Partei stürzte aber in der Wählergunst massiv ab.

Clegg, der als einer der europafreundlichsten Politiker in Großbritannien gilt, hatte seine Partei 2010 in eine Koalition mit David Camerons Konservativen geführt. Nach derzeitigem Auszählungsstand dürften die Liberaldemokraten im neuen Unterhaus nur auf acht Sitze kommen.

Gro§britannien - Herkunft der Sitze (641 von 650 ausgezŠhlt)
Gro§britannien - Herkunft der Sitze (641 von 650 ausgezŠhlt)

Nationalisten erringen 56 Sitzen in Schottland

Als strahlende Siegerin steht hingegen die Vorsitzende der schottischen Unabhängigkeitspartei SNP, Nicola Sturgeon, da. Die SNP errang in Schottland 56 der 59 Sitze und stellt damit künftig die drittstärkste Fraktion in Westminster.  Bisher hatte sie nur sechs Sitze in Westminster gehabt.

“Glückwunsch an unsere 56 Parlamentsabgeordneten und danke an alle, die der SNP ihr Vertrauen ausgesprochen haben”, schrieb die Partei nach Bekanntgabe des Ergebnisses aus dem letzten Wahlkreis auf Twitter.

Mehr Selbstständigkeit hatten die Londoner Parteichefs den Schotten versprochen und dann nach dem Referendum doch nur über England geredet. Es war das erklärte Ziel von Parteichefin Nicola Sturgeon, Cameron aus der Downing Street zu vertreiben. Daraus wird nun nichts. Dass die SNP fast alle der 59 schottischen Parlamentssitze gewonnen hat, wird Großbritannien trotzdem zu schaffen machen, spätestens während des EU-Referendums. Zumindest ein “Brexit”, also der Ausstieg aus der Union, dürfte zu einem neuen Schottland-Referendum führen – diesmal vielleicht mit anderem Ergebnis.

Die Schotten hatten sich erst im September in einer Volksabstimmung gegen die Abspaltung von Großbritannien ausgesprochen. Dies hatte dem Ansehen der SNP, die sich an vorderster Front für die Unabhängigkeit stark gemacht hatte, aber nicht geschadet. “Der schottische Löwe hat gebrüllt”, sagte der frühere SNP-Chef Alex Salmond. “Ein heftiger Wind bläst heute morgen durch das große Tal von Schottland.”

Schottin jüngstes britisches Parlamentsmitglied seit 1667

Schottland war bisher eine Labour-Hochburg, doch verloren nun auch führende Politiker wie der schottische Labour-Chef Jim Murphy ihr Mandat an die SNP. Der Labour-Wahlkampfmanager Douglas Alexander unterlag seinerseits gegen die erst 20-jährige SNP-Kandidatin Mhairi Black, die damit zum jüngsten Mitglied des Unterhauses seit 1667 wird. Auch der schottische Labour-Chef Jim Murphy muss seinen Sitz im Parlament für die SNP räumen.

Camerons “Politik für jeden”

Cameron – im Tory-blauen Anzug und überraschend frisch nach einer durchgemachten Nacht – las schon einmal ein kleines Regierungsprogramm vor: “Politik für jeden” wolle er machen und das Vereinigte Königreich zusammenhalten. Und natürlich sein Großprojekt durchziehen: das Referendum über die EU-Mitgliedschaft. Dazu könne es nun schon im kommenden Jahr kommen und nicht wie versprochen spätestens Ende 2017, mutmaßte der Politologe Tony Travers von der London School of Economics.

Londoner Bürgermeister zieht ins Parlament ein

“Es ist ein bemerkenswerter Umschwung”, sagte Londons Bürgermeister Boris Johnson, der sein Direktmandat klar gewann und damit ins Parlament einzieht, aber sein Bürgermeisteramt behält. Die Umfragen noch am Tag der Wahl hatten einen wesentlich knapperen Wahlausgang vorhergesehen.

Die großen Verlierer der britischen Wahl

Die britische Wahlnacht hatte neben Miliband weitere große Verlierer: Nick Clegg und seine Liberaldemokraten wurden böse abgestraft von ihren Wählern. Von bisher 57 Sitzen dürfen die LibDems, bisher Camerons Koalitionspartner, wohl nur rund ein Dutzend behalten. “Grausam” sei die Nacht und “eine Abstrafung”, gab Clegg unverblümt zu. Wirtschaftsminister Vince Cable schaffte es nicht mal als Abgeordneter ins Parlament. Wenn Cameron alleine regiert, droht den Liberalen – wenigstens vorübergehend – der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit.

UKIP-Chef Farage zurückgetreten

Der Chef der euroskeptischen UKIP, Nigel Farage, wird seine Partei nicht im britischen Parlament vertreten. Bei der Unterhauswahl verlor er nach Angaben aus der Wahlleitung vom Freitag im Wahlkreis South Thanet klar gegen den Kandidaten der Konservativen Partei von David Cameron. Farage legte daraufhin den Parteivorsitz nieder.

Farage fügte jedoch hinzu, es werde im September eine Wahl der Parteiführung geben, und er werde sich über den Sommer überlegen, ob er noch einmal antrete. Die United Kingdom Independence Party (UKIP), die einen sofortigen EU-Austritt des Landes fordert, war bei der Europawahl im Mai 2014 mit 27 Prozent stärkste Kraft in Großbritannien. Wegen des Mehrheitswahlrechts gewann sie nach bisherigem Auszählungsstand aber nur einen Sitz im Unterhaus.

Parlamentswahl in Gro§britannien - Die Parteien

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