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Bregenzer Festspiele - Metzler: "Diese Benachteiligung ist skandalös"

Bregenzer Festspielpräsident: "Der Bund bewegt sich nicht".
Bregenzer Festspielpräsident: "Der Bund bewegt sich nicht". ©VOL.AT/Stiplovsek
Schwarzach - Die Bregenzer Festspiele sind auch ein bedeutendes Wirtschaftsunternehmen. Die APA sprach mit dem 55-jährigen Vorarlberger Physiker und Technologie-Unternehmer Hans-Peter Metzler, seit 2012 Festspielpräsident, über die wirtschaftliche Situation der Festspiele, die heuer am 23. Juli mit HK Grubers Oper "Geschichten aus dem Wiener Wald" starten.
Metzler: "Licht aus" ohne Festspiele
Start der Proben auf der Seebühne

APA: Herr Metzler, als Bregenzer Festspielpräsident haben Sie bereits mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass die Festspiele immer drastischer unterdotiert sind. Wenn Ihre Kollegin in Salzburg dasselbe sagt, erregt sie viel mehr Aufmerksamkeit. Woran liegt das?

Hans-Peter Metzler: Das liegt daran, dass man uns Vorarlbergern wohl zutraut, dass wir das selbst in den Griff kriegen. Wir sind einfach zu brav. Das beginnt damit, dass unser Kontrollorgan, der Vorstand, ehrenamtlich also gratis arbeitet. Wir sparen da schon einmal eine viertel Million. Ich möchte nicht wissen, was Kontrollorgane anderswo kosten. Dabei nehmen die offenbar die Kontrolle gar nicht wahr, denn sonst könnten nicht plötzlich 18, 20 Mio. Euro fehlen. Mit dem Geld können wir genau zehn Jahre Oper im Haus machen. Und wir sind eben sehr, sehr weit weg von Wien. Wenn ich zu Minister Ostermayer gehe, dann sieht er in mir vor allem einen konservativen Vorarlberger Unternehmer. Dass wir mehr als andere dem Bildungsauftrag des Bundes nachkommen, wird übersehen. Wir argumentieren ohnedies schon ständig wirtschaftlich – was ja eigentlich falsch ist. Denn wozu brauche ich überhaupt ein Gemeinwesen, wenn es nicht auch auf Bildung und Wissenschaft, Kunst und Kultur achtet? Bei einem Budget von 25 Millionen Euro generieren wir jedes Jahr über 22 Millionen Euro an direkten Steuergeldern fürs Finanzministerium. Davon bekommen wir nur 3 Millionen fürs Programm zurück.

APA: Wie können Sie glaubhaft machen, dass Sie mehr Geld brauchen?

Metzler: Natürlich bin ich da, um nach Lösungen zu suchen. Aber meine Lösungen werden vielleicht nicht allen schmecken. Wir werden fragen müssen: Können wir uns Personal und ein Orchester leisten (die Wiener Symphoniker, Anm.), das jedes Jahr zwei bis drei Prozent mehr kostet? Müssen von den sechs bis sieben Millionen, die wir alle zwei Jahre in die Bühne und Aufbauten investieren 100 Prozent an österreichische Firmen gehen oder können wir unsere Produktionen auch woanders anfertigen lassen? Wir schaffen oder erhalten ja außerhalb des Festspielhauses über 1.150 Vollzeitarbeitsplätze, ganz zu schweigen von der Auswirkung auf den Tourismus. Diese Fragen muss man dann stellen. Natürlich könnten wir weniger Programm machen. Aber wenn wir nur den See machen, in der gleichen Qualität, verlieren wir innerhalb von zehn Jahren die Hälfte der Besucher, weil das Festival sein Profil verliert. Und wir zerstören damit einen Teil unseres materiellen und immateriellen Wohlstands.

APA: Aber Sie machen ja bereits weniger Programm: Das Schauspiel wurde gestrichen.

Metzler: Es ist schade um jeden Programmteil, der wegfallen müsste. Drei Dinge dürfen wir allerdings nicht aufgeben: die Seebühne, die Oper im Haus und das Neue. Innovation muss Teil des Programms bleiben. Wir müssen Jugendarbeit und Neues machen, wir müssen Auftragswerke vergeben. Wenn wir daran rütteln, können wir das Festival abschaffen.

APA: Das Konzept, die Seebühne als Cashcow für den Rest zu verwenden, scheint unumstößlich. Dass er das infrage gestellt hat, hat auch den designierten Intendanten Roland Geyer scheitern lassen.

Metzler: Kunst finanziert Kunst, das ist unser Algorithmus. Geyer hat tolle Ideen gehabt und präsentiert, und dann haben wir begonnen zu rechnen und er hat den Mut verloren. Auf der Seebühne spielen wir zwei Jahre eine große Oper der Weltliteratur mit großen Bildern – und damit finanzieren wir den Rest. Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir heuer 29 Aufführungen am See – und eine Reihe mehr Stühle. Und wir werden, so Gott will, zum ersten Mal vor der Eröffnung am See ausverkauft sein. Damit stoßen wir aber an natürliche Grenzen. Sehr viel mehr können wir nicht tun.

APA: “André Chenier” ist 2011/12 weit unter den Erwartungen geblieben. Ist das Risiko, von einer einzigen Produktion abhängig zu sein, nicht zu groß?

Metzler: Von den 200.000 Menschen, die zu uns kommen, geht wohl die Hälfte sonst nicht in die Oper. Wir nennen das Demokratisierung der Kunstform Oper, bei einem hohen Qualitätsanspruch ein großes Publikum anzusprechen. Auch ich habe über diesen Weg zur Oper gefunden. Ich glaube an diesen Mechanismus, weil ich ihn selbst erlebt und durchlebt habe. Bei “Chenier” hatten wir vorher gesagt: Die Bregenzer Festspiele laufen gut, wir gehen ins Risiko, um auszuloten, wie stark die Marke trägt. Leider waren das in diesem Fall sehr ernüchternde Erfahrungen.

APA: Wie dramatisch war vor zwei Jahren die Situation der Bregenzer Festspiele?

Metzler: Wir haben ordentlich Rücklagen gehabt und ausgeglichen abgeschlossen.

APA: Wo bohrt man denn bei den Subventionen die härtesten Bretter?

Metzler: Beim Bund in Wien. Wir sind Nutznießer und Gefangene eines Vertrags zwischen den drei Subventionsgebern. In unserem Vertrag steht ein Verteilungsschlüssel zwischen Bund, Land und Stadt (40/35/25, Anm.). Landeshauptmann Wallner und Bürgermeister Linhart sagen uns Unterstützung zu, aber der Bund bewegt sich nicht. Bei den Salzburger Festspielen ist dagegen die Situation einfacher: Die haben einen Vertrag, in dem steht drinnen, dass das Defizit ausgeglichen wird. Das ist kein schlechter Vertrag.

APA: Salzburg hat jetzt eine Zusage vom Bund über eine Mio. Euro mehr bekommen – was sich durch deren Vertrag auf insgesamt 2,5 Mio. summiert.

Metzler: Ich freue mich für Salzburg. Wir sind nun aber offensichtlich die einzigen, die allein gelassen werden und keine Erhöhung bekommen. Diese Benachteiligung ist skandalös und nicht zu akzeptieren.

APA: Bei den Salzburger Festspielen, im Burgtheater und bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik kamen in den vergangenen Monaten bzw. Jahren teils unglaubliche Malversationen oder Nachlässigkeiten zutage. Wie sicher sind Sie, dass nicht auch bei den Bregenzer Festspielen etwas gefunden wird?

Metzler: Wir haben ein doppeltes Kontrollsystem. Es wird hier nichts von jemandem allein unterschrieben. Wir treffen uns im Beirat sechs, sieben Mal im Jahr. Wir haben keinen Cent Schulden, nirgendwo Außenstände, sondern mit drei Millionen Euro die geforderten Rücklagen. Wir haben eine übersichtliche Maschinerie, und wir haben externe Prüfer im Haus. Klar, das sagt natürlich jeder. Nur: Bei uns gibt es nichts zu finden.

(APA)

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