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Auch Lettland protestiert wegen Ex-KGB-Offizier

Auch Lettland hat Österreich einen offiziellen Protest wegen der raschen Freilassung des von Litauen als Kriegsverbrecher gesuchten russischen Ex-Offiziers, Mikhail Golovatov, übermittelt. Lettlands Staatspräsident Andris Berzins sagte am Dienstag bei einem Besuch in Vilnius, die Österreichische Botschafterin sei ins Außenministerium in Riga zitiert worden. Dabei habe man ihr eine Protestnote ausgehändigt.
Proteste vor Botschaft
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Lettland verstehe die Situation “ganz genau”, zitierte die Nachrichtenagentur BNS den lettischen Präsidenten. Er unterstütze auch persönlich “voll und ganz” die Position und die Haltung Litauens. Seine Gastgeberin, Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite, dankte ihrem Amtskollegen Berzins ausdrücklich für das dadurch erwiesene Verständnis und die Solidarität mit ihrem Land.

Des Weiteren hat Estlands Außenminister Urmas Paet Unterstützung für Litauen bekundet. Er nannte am Montagabend die Entscheidung der österreichischen Behörden, den gesuchten Mikhail Golovatov vergangene Woche weniger als 24 Stunden nach seiner Festnahme in Wien-Schwechat wieder freizulassen, eine “böse Überraschung”.

Österreichs Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger zeigte Verständnis für die Sensibilität des Themas in Litauen, verwies jedoch auf die unabhängige Entscheidung der österreichischen Justiz. Sowohl Spindelegger als auch der Generalsekretär im Wiener Außenministerium, Johannes Kyrle, wiesen Anschuldigungen aus Litauen, Österreich habe auf Druck von Moskau gehandelt, entschieden zurück.

Litauen: Beziehungen nicht beschädigt

Das Außenministerium sieht die Beziehungen zu Litauen trotz des aktuellen Konflikts um den ehemaligen russischen KGB-Offizier als nicht beschädigt. “Ich kann mir einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen nicht vorstellen“, sagte der Generalsekretär des Außenministeriums, Johannes Kyrle, im “ZiB2”-Interview des ORF am Montagabend.

Litauen hatte zuvor seinen Botschafter in Österreich zu Konsultationen nach Vilnius einberufen. Die Regierung in Vilnius reagierte damit auf die kurzzeitige Festnahme und darauffolgende Freilassung eines von dem baltischen Staat als Kriegsverbrecher gesuchten russischen Ex-KGB-Offiziers Mikhlail G. durch die österreichischen Behörden.

Mikhlail G. war am vergangenen Donnerstag am Flughafen Wien-Schwechat festgenommen worden. Weil die von Litauen im Rahmen eines Europäischen Haftbefehls gelieferten Informationen laut dem Wiener Außenministerium aber “zu vage” waren, wurde der in Litauen als Hauptverantwortlicher der blutigen Ereignisse vom 13. Jänner 1991 in Vilnius Angeklagte jedoch wieder freigelassen. Er halte die Entscheidung der heimischen Justizbehörden für “richtig”, sagte Kyrle. Die Kritik, dass Österreich Mikhail G. nach nur 24 Stunden zu schnell freigelassen habe, weist Kyrle zurück: Litauen habe einen Antrag auf eine andere Vorgehensweise nach Ansicht der Justiz nicht genau genug begründet. Der österreichische Völkerrechts- und Menschenrechtsexperte Manfred Nowak sprach dagegen in der “ZiB2” von einer “schiefen Optik”.

“Entscheidung von Russland beeinflusst”

Der litauische Justizminister Remigijus Simasius will das Thema in einem bilateralen Treffen mit Justizministerin Beatrix Karl (V) ansprechen. Die beiden Ressortchefs sollen am Rande des EU-Justizministerrats am Dienstag im polnischen Sopot zusammentreffen. Simasius erklärte der baltischen Nachrichtenagentur BNS, dass die Entscheidung, G. trotz des Europäischen Haftbefehls wieder freizulassen, “höchstwahrscheinlich politisch” und von Russland beeinflusst sei.

Die Vorwurfe, wonach es von Seiten Moskaus Druck auf Österreich gegeben habe, wies der russische Botschafter in Österreich, Sergej Netschajew, dezidiert zurück: “Wir haben keinen politischen Druck gemacht, was ich von unseren Partnern aus dem dritten Land nicht sagen kann“, sagte er am Montag gegenüber der APA unter Anspielung auf Litauen. Auch Kyrle dementierte. Es habe keine politische Intervention gegeben: “So einfach ist Österreich nicht unter Druck zu setzen.” Zuvor hatte Außenminister Michael Spindelegger (V) betont, dass er persönlich von russischer Seite nicht kontaktiert worden sei.

Spindelegger sieht keinen Fehler

Spindelegger war in Brüssel mit seinem litauischen Amtskollegen Audronius Azubalis zusammengetroffen: “Wir werden das schon wieder ins Lot bringen“, sagte er nach dem Gespräch. Er sehe nicht, dass Österreich Fehler gemacht hätte. “Wenn es einen Justizentscheid gibt, muss man das zur Kenntnis nehmen“. Azubalis seinerseits verglich G. mit dem früheren bosnisch-serbischen Militärchef Ratko Mladic. Österreich habe mit der Freilassung des Ex-KGB-Offiziers gegen alle Regeln verstoßen.

Zuvor hatte der österreichische Geschäftsträger in Vilnius eine Protestnote Litauens im Außenministerium entgegengenommen, in der eine “plausible Erklärung” für das Vorgehen der österreichischen Behörden gefordert wird. Außer der diplomatischen Note erhielt Botschaftsrat Josef Sigmund auch ein Geschichtsbuch über jene blutigen Ereignisse im Jänner 1991 überreicht, für die Litauen den ehemaligen Sondertruppen-Kommandanten Mikhail G. für verantwortlich hält.

“Spucken in das Gesicht” Litauens

Am Montag schloss sich die Staatspräsidentin Litauens, die ehemalige EU-Kommissarin Dalia Grybauskaite, der litauischen Kritik an Österreich an. Sie nannte die Vorgehensweise der Wiener Behörden “eine politisch nicht zu rechtfertigende Handlung, die die Rechtszusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten kompromittiert“. Parlamentspräsidentin Irena Degutiene kündigte an, das Europaparlament mit der Angelegenheit befassen zu wollen. Der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses des litauischen Parlaments (Seimas), Emanuelis Zingeris, drohte zudem mit einem völligen Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Österreich. Er sprach von einem “Spucken in das Gesicht” Litauens – aber auch in jenes von Europa.

Proteste vor Österreichischer Botschaft

Am Montag zu Mittag protestierten nach Angaben der Österreichischen Botschaft in Vilnius mehrere Hundert Menschen vor dem Botschaftsgebäude. Botschaftsrat Sigmund beschrieb den Verlauf der Kundgebung gegenüber der APA als ruhig. Die Protestaktion habe unter Polizeischutz stattgefunden und eine halbe bis dreiviertel Stunde gedauert. Einige Kundgebungsteilnehmer hätten Slogans wie “Schande!” oder “Freunde Putins!” gerufen.

Die blutigen Ereignisse vom 13. Jänner 1991

In der Nacht auf den 13. Jänner 1991 starben bei einem von Panzern begleiteten Angriff der sowjetischen Sondereinheit “Alpha” auf eine Menschenmenge vor dem Vilniuser Fernsehturm 14 Menschen, Hunderte weitere wurden verletzt. Litauen ist seit zwei Jahrzehnten bemüht, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Sechs Personen wurden 1999 verurteilt, 23 weitere, unter ihnen Mikhail G., werden verschiedener Kriegsverbrechensdelikte verdächtigt. 

(APA)

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