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Ägypten: Freudenschrei der Hunderttausenden

Jubel und Freudentänze, Gesang und Triumphgeheul brechen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo aus, als die Herrschaft von Präsident Hosni Mubarak am Freitagnachmittag nach 30 Jahren zu Ende geht.

Der zentrale Tahrir-Platz, Epizentrum der seit mehr als zwei Wochen andauernden Massenproteste im größten Land der arabischen Welt, gleicht einem Fahnenmeer. Zehntausende brechen in Beifallsstürme aus, Autos starten ein Hupkonzert.

“Die Menschen haben die Regierung gestürzt”, rufen die Demonstranten auf dem seit dem 28. Januar besetzten Platz, nachdem Vize-Präsident Omar Suleiman angekündigt hat, dass Mubarak die Führung des Landes an das Militär übergibt. “Ich bin froh, ich bin erschöpft”, sagt Mohammed Gamal von der Universität Kairo. Der 21-jährige Student gehört der neuen Internet-Generation an, die die Revolte in Ägypten mitprägte. “Jetzt haben die Ägypter ihre Freiheit, wir haben die Wand der Angst eingerissen, wir haben unser Volk verändert”, ruft er.

“Ich bin erleichtert, weil wir alle dachten, es wird nicht passieren”, sagt Alia, eine Regierungsangestellte, die ihren Nachnamen nicht nennen will. “Die Menschen haben ein sehr großes Opfer gebracht, ihr Leben”, fügt sie hinzu. “Jetzt können wir uns den freien Völkern dieser Welt anschließen – wenn wir stark genug sind, das zu tun, können wir alles tun.”

Vor dem Präsidentenpalast im Stadtteil Heliopolis rufen die Demonstranten “Gott ist groß!”. Sie fallen sich in die Arme, sie tanzen, sie weinen. Einige gehen von Gefühlen überwältigt zu Boden. In anderen Teilen der Hauptstadt sind Schüsse, Feuerwerk und das rhythmische Gehupe der Autos zu hören – normalerweise ein Hochzeitsbrauch – die Ägypter feiern die Abdankung Mubaraks.

Doch nach dem ersten Hochgefühl, zeigen einige Demonstranten gemischte Gefühle. Sie fragen sich, ob die Revolution ihr höheres Ziel erreichen wird, das System durch eine Demokratie zu ersetzen. “Ich weine, weil ich glücklich bin”, sagt die 24-jährige Lubna Darwisch. “Ich bin glücklich, aber wir müssen noch sehr viel mehr tun”, sagt sie. “Wir lieben die Armee, aber die Menschen haben diese Revolution gemacht, und sie sollten es kontrollieren.” Andere bleiben dabei: Mubarak müsse das Land verlassen und die Regierungsmitglieder müssten für Korruption und andere Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden.

Auch in der libanesischen Hauptstadt Beirut und vor allem in Tunesien – wo die Revolte in der arabischen Welt ihren Anfang nahm – feiern die Menschen in Solidarität mit den Ägyptern. Schon wenige Minuten nach der Nachricht vom Rücktritt Mubaraks ertönt ein Hupkonzert, ägyptische Flaggen mischen sich im Gemenge in der Hauptstadt Tunis mit den Flaggen des eigenen Landes. Die Menschen führen Freudentänze auf. Über der Menschenmasse kreist derweil weithin gleichgültig ein Armeehubschrauber. Es ist wie in Kairo wieder ein Volksfest – auch wenn eine demokratische Zukunft hier wie dort noch sehr ungewiss ist.

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