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Adoptivkind aus Äthiopien: „Der hat einfach Chili im Hintern"

18 Adoptionen wurden in dne letzten fünf Jahren in Vorarlberg durchgeführt.
18 Adoptionen wurden in dne letzten fünf Jahren in Vorarlberg durchgeführt. ©Symbolbild/bilderbox.de
Susanna (34) hat 2010 ein Kind aus Äthiopien adoptiert. Im Interview erzählt sie über ihre Beweggründe, Anpassungsschwierigkeiten und die Reaktionen aus ihrem Umfeld.
Der lange Weg zur Adoption
Alltag im neuen Zuhause

Schon 2007 haben Susanna* und ihr Mann Andre* beschlossen, ein Kind aus dem Ausland zu adoptieren. Nicht etwa darum, weil die beiden keine Kinder bekommen konnten. Sondern um zumindest einem Kind vom armen Kontinent die Chance zu geben, im reichen Österreich aufzuwachsen.

“A very active boy”

Gedauert hat es dann bis August 2010. Damals hielt Susanna erstmals den kleinen Niklas* in Händen. An den Moment im „Übergaberaum” in Äthiopien kann sich die Dornbirnerin noch gut erinnern: „Die Schwester legte ihre Hand auf meine Schulter und sagte: ‚This is Niklas, he is a very, very active boy.’ (‚Das ist Niklas, er ist ein sehr, sehr lebhafter Junge.’)” Sofort sei ihnen klar gewesen, dass Niklas perfekt zu ihnen passt.
Der Weg dorthin war freilich ein langer. Begonnen hat alles mit einer sogenannten „Home Study”. Dabei werden die Lebensumstände der potenziellen Adoptiveltern genau unter die Lupe genommen. Gesundheit, Einkommen, soziales Umfeld – alles wird erhoben. Damit sichergestellt ist, dass das Kind auch in stabile Verhältnisse kommt. Über den Verein
„Brücke nach Äthiopien”
landete das Bewerbungsdossier schließlich im Zielland. Dort suchten die zuständigen Behörden nach einem Kind, das zu den Eltern passt.

Anpassungsschwierigkeiten

Am 17. August 2010 betrat der kleine Niklas erstmals österreichischen Boden. Die Anpassung ging nicht ganz reibungslos vonstatten. Selbst das Spazierengehen bereitete dem Buben Schwierigkeiten: „Er kannte keine Vögel, Bäume, Motorräder”, berichtet Susanna. Mittlerweile hat sich Niklas an seine Umgebung gewöhnt. Nach wie vor problematisch ist allerdings sein Verhältnis zu Männern. Vor ihnen fürchtet sich der Kleine. Wahrscheinlich deswegen, weil er im Heim ausschließlich von Frauen umgeben war, mutmaßt seine Mutter.

Unterschiedliche Reaktionen

Die Reaktionen anderer Menschen haben Susanna mitunter schockiert. Viele nehmen den Jungen mit den krausen Haaren und der dunklen Haut zwar positiv auf. Es gebe aber auch jene anderen, die ihn am liebsten zurück in die „Heimat” schicken würden. Einen Unterschied gebe es vor allem zwischen den Generationen. In der Waldspielgruppe, die Niklas seit zwei Jahren besucht, sei noch keinem Kind die andere Hautfarbe aufgefallen: „Er ist einfach der Niklas mit der blauen Jacke.”
Neben dem feurigen Temperament – Zitat: „Der hat einfach Chili im Hintern” – gebe es zahlreiche Themen, die nur Adoptiveltern beschäftigen, erzählt Susanna. „Die Kinder haben zum Teil sehr starke Verlustängste, sie brauchen sehr viel körperliche Nähe.” Wenn man dann anderen Eltern erzähle, dass Niklas noch bei den Eltern im Bett schläft, reagierten die oft konsterniert.

18 Adoptionen in fünf Jahren

Laut Informationen des Landes Vorarlberg wurden zwischen 2008 und 2012 insgesamt 18 Adoptionen durchgeführt. Davon stammten 11 aus dem Ausland. Pro Bezirk stehen rund fünf Eltern auf der „Warteliste”. Adoptieren können sowohl Ehepaare als auch Einzelpersonen. Generell gilt: Die Adoptionswilligen müssen „gesellschaftsfähig sein und die persönlichen, sozialen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen mitbringen”. Zentrale Anlaufstelle ist der Pflegekinderdienst des Vorarlberger Kinderdorfes.

Kritik am Land

Auf Unterstützung des Landes verlassen kann man sich aber nur dann, wenn der Zielstaat das Haager Adoptionsübereinkommen unterzeichnet hat. Genau das kritisiert Susanna: Äthiopien gehört nämlich nicht dazu. Sie und ihr Mann gehörten zu den letzten, die eine solche Adoption durchführen konnte. Dass andere Eltern diese Möglichkeit nicht mehr haben, bedauern sie. Denn: „Keine Sekunden in unserem Leben möchten wir ihn uns wegdenken und sind froh, dass wir diese Entscheidung getroffen haben.” (MST)

*Namen der Redaktion bekannt.

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