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Zwischen Landleben und großer Kunst

(VN) Bregenz – Christine Urspruch über den "Tatort", ihre Rolle beim Vorarlberger Landestheater und ihr Leben am Land – im Allgäu
VN-Interview: Im Grunde genommen würde Christine Urspruch auch gerne Shakespeares Fiesling Richard III. spielen, aber auch in „Misery“ gibt sich der „Tatort“-Alberich ziemlich böse.

Ist es die Faszination des Bösen, oder wo liegt die Herausforderung in der Rolle der Annie in „Misery“, die Sie am Landestheater spielen?

Christine Urspruch: Das Sadistische, Zynische ist mir ja noch fremd, ich war bisher nicht so sehr mit den bösen Charakterzügen konfrontiert. Man kann das so oder so spielen, das sind die Wege, die ich erkunde.

Steckt im Bösen nicht etwas, das man gerne auch in sich erkundet bzw. gerne spielt?

Christine Urspruch: Ich kenne das auch, dass man wütend ist oder sehr genervt, dass man ganz brutal austeilt. Das tut dann ja auch gut, das ist eine Erleichterung, aber es bleibt im verbalen Bereich, die Annie wird tätlich.

Was bewegt die Frau wirklich, die da einen Dichter einsperrt, damit er einen Text in ihrem Sinne schreibt?

Christine Urspruch: Das ist sehr vielschichtig. Es gibt Passagen aus der Kindheit, wo man Rückschlüsse ziehen kann, die Flucht in eine andere Welt, ihr Verrücktsein. Sie flüchtet in eine Traumwelt, sie ist fasziniert, dass sie diesen Gott, der er für sie ist, bei sich aufnehmen kann, sie nährt sich an ihm.

Finden Sie grundsätzlich etwas von sich selbst in dieser Figur?

Christine Urspruch: Sie liebt ihn wirklich und sie wird vor den Kopf gestoßen. Sie bleibt oft unverstanden und zurückgestoßen, das sind Dinge, die ich auch kenne. Wenn einem etwas am Herzen liegt und man merkt, das interessiert keinen, dann schmerzt das.

Der Regisseur Tobias Materna ist Ihr Ehemann. Gestaltet sich die Zusammenarbeit deshalb schwieriger?

Christine Urspruch: Es ist das erste Mal, dass wir zusammenarbeiten und eine große Freude. Es ist aber auch eine große Herausforderung. Wir haben ein Privatleben und ein Familienleben mit einer Tochter und kriegen das ganz gut auf die Reihe. Wir sind offen zueinander und tauschen uns aus. Zu Hause können wir die Arbeit aber auch gut Arbeit sein lassen. Wir sprechen fast die selbe Sprache, und das erleichtert die Kommunikation. Es fällt mir leicht, mich zu öffnen und mich fallen zu lassen. Da denke ich nicht dauernd daran, dass mir jetzt mein Mann zuschaut.

Zum „Tatort“, die Pathologie, in der sie da in der Rolle arbeiten, ist ja bereits etwas Unheimliches. Zudem wird ganz schön flapsig gesprochen und mitunter herrscht ein grober Umgang untereinander. Wie sehen Sie Ihre Rolle?

Christine Urspruch: Ich bin diejenige im Hintergrund, die alles wieder richtet und für den Ausgleich sorgt, für den seelischen Balsam.

Können Sie die Lust am Bilden von Wortwitzen einbringen?

Christine Urspruch: Ja, wir kriegen die Drehbücher zum Lesen, aber es ist tatsächlich oft so, dass wir beim Drehen am Set noch etwas umstellen. Da ist auf jeden Fall immer noch ein Spielraum. Ich kenne das ja auch so aus meinem Privatleben, ich bin humorvoll eingestellt, wenn man Witze über meine Größe macht, ist es auch ein Ventil, ich kann einer Verdrossenheit Luft machen und es ist auch ein Ventil für die Leute, die verunsichert sind und nicht wissen, wie sie mit mir umgehen sollen.

Der Alberich, der ihr Spitzname im „Tatort“ ist, ist der Böse in der Oper „Ring des Nibelungen“. Waren Sie damit gleich einverstanden?

Christine Urspruch: Mein Professor ist ja ein Opernfan, der Name ist liebevoll gemeint, deshalb auch wie eine Verehrung.

Wie geht es weiter mit dem „Tatort“?

Christine Urspruch: Sicher noch eine Weile. Es stellt sich immer die Frage, wie lange man die Serie so erfolgreich und für alle zufriedenstellend machen kann.

Sie leben nun in Wangen im Allgäu. Wie haben Sie sich dort eingewöhnt?

Christine Urspruch: Es ist eine wunderschöne Gegend, morgens gehe ich joggen, da geht mir das Herz auf. Ich sehe die sanften Hügel und dahinter die Schweizer Berge. Ich hätte nicht gedacht, dass es sich so gut ergibt, dass ich in der Nähe arbeiten kann.

Ist es ein Rückzug?

Christine Urspruch: Ich mag es gerne ein bisschen ruhiger, ich habe in Berlin gelebt, wenn ich die Erfahrung in der Großstadt nicht gemacht hätte, wäre mit das Landleben vielleicht zu langweilig.

Ich kann mir also die Schauspielerin im Garten vorstellen?

Christine Urspruch: Durchaus, ich ziehe Tomaten und habe auch einen Hasen.

Hatten Sie am Landestheater bereits Produktionen gesehen?

Christine Urspruch: Ja, mein Mann hat im letzten Jahr „Mahlzeit“ hier inszeniert. Ich hatte mir bereits einmal eine Produktion während der früheren Intendanz angesehen und dann die Eröffnungspremiere von Alexander Kubelka.

Kennen Sie die Festspiele?

christine Urspruch: Die Seebühne habe ich noch nicht geschafft, im letzten Jahr aber die Oper im Festspielhaus, da war ich so begeistert und dachte, das ist toll, direkt vor meiner Haustür, da muss ich gar nicht in die Metropolen.

In welchem Verhältnis teilt sich für Sie die Film- und die Theaterarbeit auf?

Christine Urspruch: So fifty-fifty, ich bin in Berlin an der Volksbühne in der „Spanischen Fliege“ und dann wieder in einem „Tatort“.

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