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Zweiter Prozesstag: Polizist befragt

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Am Mittwoch Vormittag wurde der Frage nachgegangen, warum es notwendig war, Cheibani Wague zu neunt mit gefesselten Händen in Bauchlage am Boden zu fixieren - Ausbildungsmängel bei der Polizei geortet.

Im Wiener Landesgericht ist am Mittwoch der Prozess um den Tod des am 15. Juli 2003 im Stadtpark ums Leben gekommenen Cheibani Wague fortgesetzt worden. Die zehn der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen Beschuldigten – sechs Polizisten, drei Sanitäter und ein Notarzt – wurden zum zentralen Punkt der Anklage befragt: Weshalb war es notwendig, Wague zu überwältigen, zu neunt mit bereits mit am Rücken gefesselten Händen in Bauchlage am Boden zu fixieren – nur der Notarzt beteiligte sich daran nicht – , so dass dieser einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitt?


Der erste Polizist, der zu diesem Komplex einvernommen wurde, erklärte, die Amtshandlung sei an sich schon abgeschlossen gewesen, als Wague plötzlich aus dem Krankenwagen sprang, in den man ihn zur Beruhigung auf einer Bahre geschoben hatte: „Wir wollten schon zur nächsten Psychose fahren.“

“Oberkörper blau gequetscht”


Wague sei auf einen Kollegen „gesprungen“, habe auf die Beamten einzutreten begonnen. Er habe ihn zu bändigen versucht, „aber er wollte sich eindeutig befreien. Er konnte es schaffen, dass er seine gefesselten Hände um meinen Oberkörper gelegt hat und ihn mir blau gequetscht hat.“


Seine Kollegen seien ihm zu Hilfe gekommen, schilderte der 31-jährige Polizist. Wague wurde zu Boden gerungen. Jener habe dann mit seinem Kopf ständig absichtlich auf den Asphalt geschlagen, was die Beamten verhindern wollten: „Ich hab’ mich auf seinen Kopf konzentriert. Kopfverletzungen sind nicht so lustig. Wir sind da, um zu helfen, nicht damit etwas passiert.“


Dass sich Cheibani Wague in Bauchlage befand, habe sich „durch das Niederreißen ergeben“. Dieser habe weiter Widerstand geleistet, bis ihm der Notarzt eine Haldol-Spritze verabreichte: „Der Mensch liegt am Boden und arbeitet mit seinen Schultern, Armen, Beinen, dem Kopf. Es war für uns keine leichte Aufgabe, den Herrn unten am Boden zu fixieren.“

“Toll, die Spritze wirkt”


Nach der Spritze sei der Widerstand zwei bis drei Minuten später erlahmt, sagte der Beamte. Wague sei „in dem Bereich, den ich gesehen habe“ nicht geschlagen worden. Er selbst habe die Atmung und den Puls des Mannes kontrolliert und sich gedacht: „Toll, die Spitze wirkt!“


Erst der Notarzt stellte fest, dass Wague keinen Puls mehr hatte. Dieser wurde darauf in Seitenlage gebracht. Es dauerte immerhin zwei Minuten, ehe man den offenbar leblosen Mann in den Rettungswagen brachte.

Ausbildungsmangel bei der Polizei


Im weiteren Verfahrensverlauf kam ein teilweise eklatanter Ausbildungsmangel bei den auf der Anklagebank sitzenden Polizisten ans Tageslicht. Jener Beamte, der Cheibani Wague am Oberkörper zu Boden gedrückt und dabei sein linkes Knie in dessen Rücken gepresst hatte, gab an, niemals dahin gehend geschult worden zu sein, wie man eine Fesselung bzw. Fixierung durchführt. „Das hat es nicht gegeben, dass man mir beigebracht hat, wie das geht“, so der seit 1992 bei der Polizei tätige Beamte.


„Ich habe bis heute keine Schulung gehabt“, erklärte der 33-jährige Polizist auf die Frage, ob man ihm keine korrekte Fesselungstechnik beigebracht habe. In Bezug auf Cheibani Wague habe er deswegen „nicht gesehen, dass da etwas passieren könnte.“


Der betreffende Beamte hatte zuvor dem Gerichtsmediziner Daniele Risser erklärt, er habe Wague zwar mit seinem Knie im Nierenbereich fixiert, die Intensität aber „je nachdem, wie es erforderlich war“ variiert.


Ein anderer Polizist gab zu seiner Ausbildung an, es finde alle zwei Jahre eine dreitägige Schulung statt, wo den Beamten vor allem die wichtigsten gesetzlichen Änderungen beigebracht werden. Kurse im Umgang mit psychisch Kranken fänden auf Freiwilligenbasis statt, wofür sich aber oft nur zehn Teilnehmer interessieren.


Ein dritter Polizist berichtete, zwar an einer berufsbegleitenden Fortbildung teilgenommen zu haben. Wie man jemanden fesselt, bekam er allerdings seiner Aussage nach ebenfalls nicht zu sehen: „Wenn mir das erklärt worden wäre, wäre mir das noch in Erinnerung.“


„Ich weiß, dass bei uns eine körperliche Ausbildung stattfindet. Aber dahin gehend ist es relativ dürftig bis gar nicht vorhanden“, war von einem der Beschuldigten auf die Frage zu hören, ob Fesselung und Atmung bei der Polizei denn gar kein Thema wären.


Einer der Verteidiger kündigte darauf an, er werde auf der Ladung eines Ausbildners der Sicherheitswachebeamten bestehen, um diesen „zur fehlenden Schulung bis dato“ zu befragen.

Prozessende am Donnerstag unwahrscheinlich


Da der Richter mit seinem Verhandlungsplan deutlich im Verzug ist, ließ er bereits durchblicken, dass die Verhandlung nicht wie ursprünglich geplant am Donnerstag zu Ende gehen wird.

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