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Zweifel am Sinn der Terrorwarnungen in USA

US-Präsident George W. Bush wird wie Millionen seiner Landsleute am Neujahrsmorgen glücklich festgestellt haben. Es ist nichts passiert.

Vor zehn Tagen hatte die US-Regierung die zweithöchste Terroralarmstufe „Code Orange“ ausgerufen und das ganze Land dramatisch an die Bedrohung durch den Terrorismus erinnert. Aber in den USA gibt es auch Zweifel, wie viel Sinn solch flächendeckende, vage gehaltene Warnungen vor Terroranschlägen haben.

Im ganzen Land waren seit dem 21. Dezember Kontrollen und Sicherheitskräfte massiv verstärkt worden. Washington drängte Frankreich, sechs Flüge in die USA zu streichen. Mehrere Flugzeuge mit verdächtigen Passagieren wurden – wie zuletzt eine Maschine von British Airways am Mittwoch in Washington – nach der Landung auf US-Flughäfen sofort in abgelegene Bereiche dirigiert und genau überprüft. Ein Flugzeug aus Mexiko wurde mitten im Flug in die USA zur Umkehr bewegt.

Symbolträchtige Orte wie New York, Washington oder Las Vegas wurden zu Silvester in Ausnahmezustand versetzt. Schwer bewaffnete Polizisten und Nationalgardisten überall, Hubschrauber in der Luft, Polizei-Scharfschützen auf den Dächern. Auf den Autobahnen mahnten flackernde Hinweise die Autofahrer, Ungewöhnliches sofort den Behörden zu melden.

Auf allen Kanälen wurde vor drohenden Anschlägen gewarnt, auch wenn Heimatschutzminister Tom Ridge zugeben musste, dass es kaum konkrete Hinweis auf Art oder Tatort des Anschlags gebe. Erkenntnisse der Geheimdienste und Hinweise „glaubwürdiger Quellen“ aber hätten alle Bedenken gegen die Alarmierung der Bevölkerung beiseite geschoben. Zum zweiten Mal wurde 2003 der „orange terror alert“ gegeben, seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 war es das vierte Mal.

Für viele Polizeichefs großer Städte waren die Warnungen allerdings einem Bericht des „Cristian Science Monitor“ zufolge viel zu weit gefasst und zu vage, um angemessen reagieren zu können. Alle klagten zudem über einen Mangel an Finanzmitteln, um den Aufwand und die Überstunden bezahlen zu können. Die Zeitung berichtete von den Sorgen von Sicherheitskräften, dass zu viele Alarme die Bürger abstumpfen und sie Warnungen nicht mehr ernst nehmen würden. „Es ist ein Problem, dass bei unserem Kampf gegen Terroranschläge der Erfolg selten messbar ist, nur der Misserfolg wäre augenscheinlich“, meinte der Polizeichef von Washington, Charles Ramsey. Die „Washington Post“ zitierte Sicherheitsexperten, die davor warnten, die Amerikaner zu „Geiseln der Angst“ zu machen.

Öffentlich kritisierten die demokratischen Präsidentschaftskandidaten die landesweite Alarmierung kaum. Allerdings wurde in den Wahlkampfstäben laut einem Radiobericht auch diskutiert, ob der ganze Rummel weniger der Sicherheit als vielmehr einem innenpolitischem Kalkül von Bush diene.

Selbst der Vorsitzende des Ausschusses für Heimatschutz im Repräsentantenhaus, der republikanische Abgeordnete Cristoph Cox (Kalifornien), meinte skeptisch, das derzeitige System „alarmiert eine Menge Menschen, die eigentlich nicht wissen, wie sie mit den Informationen umgehen sollen“. Das System erlaube Terrororganisationen, gar nicht ernsthaft einen Terroranschlag planen zu müssen, so der Parteifreund von Bush. Schon einigermaßen glaubwürdige Drohungen genügten, um die USA in Alarm zu versetzen und vor allem enorme Kosten für die US-Wirtschaft und den Staat zu verursachen.

US-Staaten wie Arizona erwägen sogar, sich künftig einem Alarm der Stufe „code orange“ zu entziehen. Schon nach dem letzten dieser Art im Juni hatte der Heimatschutzchef Arizonas, Frank Navarrete, über den Alarm gesagt: „Er schafft unglaubliche Probleme, zeitlich, finanziell und in den Abläufen… und sehr viel Unruhe“.

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