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Zukunftsforscher sieht Ökologie als größten Gewinner

Der Zukunftsforscher glaubt, dass wir gestärkt aus der Krise hervorgehen.
Der Zukunftsforscher glaubt, dass wir gestärkt aus der Krise hervorgehen. ©Steurer/VOL.AT
Der österreichische Zukunftsforscher Harry Gatterer glaubt, dass sowohl die Gesellschaft als Ganzes, als auch jeder Einzelne, gestärkt aus der Coronakrise hervorgehen wird. Er sei "absolut optimistisch", so Gatterer im Gespräch mit der APA. "Wir werden einen großen Lernschritt machen." Die Umwelt sieht er als größten indirekten Gewinner der Krise.

Wien. Als historisch und "ganz große Zäsur, an die wir uns alle erinnern werden", beschreibt der Leiter des 1998 gegründeten Zukunftsinstitut mit Sitz in Wien und Frankfurt die aktuelle Krise. Sie sei deshalb mit keiner anderen zu vergleichen, weil erstmals alle Systeme der Gesellschaft "global und simultan gewissermaßen auf einen Nullpunkt" gestellt wurden. Betroffen seien neben sozialen Beziehungen und individuellen Bedürfnissen auch Arbeitsbeziehungen, unser Sicherheitsbedürfnis, Wirtschaft, Kultur und Sport.

"Schock wird zu groß sein"

"Ich glaube nicht, dass wir danach so weitertun wie bisher, der Schock wird zu groß sein", sagt Gatterer. Das Individuum erlebe gerade eine extreme Phase der Isolation, "in der wir auf uns selbst zurückgeworfen sind, in der wir uns aber eigentlich Begegnung wünschen würden, diese aber nicht haben. Das geht nicht spurlos an uns vorbei", erklärt der Zukunftsforscher.

Ein pessimistisches Nach-Krisen-Szenario wäre, dass es zu stärkerer Isolation kommt, die Menschen argwöhnischer werden, es mehr Rückzug ins Private gibt. Gatterer glaubt aber, dass insgesamt die "Wir-Kultur" profitieren wird: "Ich bin absolut optimistisch, dass wir eine Lernkurve hinkriegen." Das bedeutet nach Ansicht des gebürtigen Tirolers, dass die Gesellschaft resilienter, also widerstandsfähiger sein wird. Studien des Zukunftsinstituts würden zeigen, dass schon jetzt ein relevanter Teil der Gesellschaft eine sehr ausgeprägte Wir-Kultur, eine "solidarische Kultur" lebe, die auf "Strukturen des Helfens und Aufeinanderschauens" baue.

Systeme müssen sich erholen

"Ganz friktionsfrei wird es aber nicht gehen", prophezeit Gatterer. Die Systeme müssten sich erst wieder erholen und vor allem bei der Wirtschaft werde dies noch länger dauern. In der Ökonomie als Ganzes wird sich nach Einschätzung des Zukunftsforschers das Konzept des Post-Wachstums durchsetzen, also ein Ende des "Immer-Mehr" und stetigen Wirtschaftswachstums.

Damit einher gehe auch ein gewisser Fokus auf das Lokale. "Wir werden wahrscheinlich der Globalisierung nicht mehr blind Glauben schenken, etwa gewisse Produktionsketten wieder zurückholen". Internationale Organisationen werden zwar nicht den "totalen Rückschlag" erleben, "aber sie werden sich sicherlich neu aufstellen müssen", so Gatterer, der den Punkt für den Fokus auf mehr Regionalität und vernetzte Systeme auf globaler Ebene gekommen sieht. Doch: "Es bedingt eines großen Umdenkprozesses, um Systeme zu ändern", fügt er hinzu.

Großer Gewinner ist die Ökologie

Großer Gewinner der Situation ist laut Gatterer die Ökologie, "da bin ich überzeugt". Einerseits verspreche sie die vielfach gewünschte Innovation, andererseits habe das Virus ins Bewusstsein aller gebracht, selbst Teil der Natur zu sein. Dieser "Bewusstseinseffekt" werde etwa in der Wirtschaft Einzug halten, wenn sich diese nach der Krise neu orientiert. "Es wird nicht mehr nur alles auf Leistung und Wachstum gerichtet sein, man wird sich vermehrt an ökologischen Kriterien orientieren."

Große Einschnitte sieht der Experte im Lern- und Schulsystem, "weil wir einfach merken, dass es auf jegliche Form von Selbstorganisation nicht vorbereitet ist und das schon schmerzt". Die Krise wühle viel auf und zeige, wie gut wir uns vorbereitet haben und auf was eben nicht", betont Gatterer.

Positive Effekte auf Generationenkonflikt

Positive Effekte könnte die durch das Covid-19-Virus ausgelöste Krise auf den Generationenkonflikt haben. Die derzeit in Form von Hilfsangeboten für die ältere Generation - sogenannte Risikogruppen - gelebte Solidarität biete die Chance, dass sich Generationen "neu erkennen, sehen, verstehen", sagt Gatterer. Das könne zu dialogischen Strukturen beitragen.

(APA)

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