Für Christian Pilnacek, den Strafrechts-Sektionschef im Justizministerium, handelt es sich dabei allerdings nur um einen “Diskussionsvorschlag”, wie er am Montag erläuterte.
Pilnacek: “Sicher nicht morgen”
Mit Fernseh-Übertragungen vom Ausgang prominenter Prozesse sei “sicher nicht morgen” zu rechnen, betonte Pilnacek. “Das Thema muss in alle Richtungen erörtert werden. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten”, legte der Sektionschef dar. In jedem Fall “müsste man vorher mit den betroffenen Berufsgruppen darüber sprechen”, stellte Pilnacek klar.
Katharina Holzinger, die Mediensprecherin Brandstetters, präzisierte gegenüber der APA, der Vorschlag des Justizministers ziele darauf ab, den Gerichtsbehörden grundsätzlich die Möglichkeit einer TV-Übertragung zu bieten. “Ob und inwieweit davon Gebrauch gemacht wird, würde – wie bisher beim Livetickern – im Ermessen der Gerichte liegen”, sagte Holzinger.
TV-Übertragung der Urteilsverkündung wird diskutiert
Die Richtervereinigung und die Staatsanwälte zeigten sich zu vorerst abwartend. “Wir haben zum Thema TV-Übertragung unsere interne Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen”, erklärte der Präsident der Richtervereinigung, Werner Zinkl. Man werde sich mit dem Thema bei einer Präsidiumssitzung am kommenden Montag auseinandersetzen, kündigte er gegenüber der APA an. Gerhard Jarosch, der Präsident der Vereinigung der Österreichischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, bezeichnete die Idee grundsätzlich als “interessant”, verwies gegenüber der APA aber ebenfalls darauf, dass man sich vor einem öffentlichen Statement erst intern eine Meinung bilden müsse.
Deutlicher wurde Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK), der im Gespräch mit der APA “eine Reihe von Bedenken” anmeldete. Sollte sich Brandstetters Vorschlag auf Strafprozesse beziehen, “wäre darauf zu verweisen, dass derzeit Bild- und Tonaufzeichnungen von Hauptverhandlungen gesetzlich verboten sind. Das wäre etwas Neues, dass Bürger nicht filmen dürfen, es unter Umständen aber von Staats wegen erlaubt ist”.
Brandstetter-Vorschlag rechtlich problematisch?
Eine Live-Übertragung einer Urteilsverkündung würde nach Ansicht Wolffs den Schutz persönlicher Daten untergraben sowie medien- und urheberrechtliche Normen verletzen, und zwar gleichermaßen auf Kosten von Angeklagten und Zeugen bzw. Opfern von Straftaten. “Abgesehen davon hat das etwas von An-den-Pranger-Stellen. Und das hinterlässt bei mir einen bitteren Nachgeschmack. Solche Methoden sollten wir hinter uns gelassen haben”, bemerkte der ÖRAK-Präsident. Zudem sei im Strafrecht nach einem gewissen Zeitraum die Tilgung einer Strafe vorgesehen, die dann nicht mehr im Strafregister aufscheint: “In der digitalen Welt gibt es aber kein Vergessen. Da ist eine Vorstrafe auch noch nach 20 oder 30 Jahren abrufbar.”
Wolff befürchtet außerdem, dass sich eine TV-Ausstrahlung auf das Verhalten der Richterschaft auswirken könnte: “Wenn Richter wissen, dass sie gefilmt werden, ist es durchaus vorstellbar, dass sie dann strenger urteilen.” Jedenfalls sei eine Fernseh-Übertragung geeignet, “einen Druck auf die Richter aufzubauen”, so Wolff.
Kopfschütteln und Verwunderung im Straflandesgericht
Im Wiener Straflandesgericht löste Brandstetters Idee am Montag Kopfschütteln bzw. Verwunderung aus. Unter anderem wurde seitens der Richterschaft darauf verwiesen, dass weder eine Sprecher-Ausbildung noch schauspielerisches Talent bisher Bestandteil des Berufsbilds sind. Außerdem sind Richter bei der schriftlichen Urteilsausfertigung nicht an ihre mündliche Urteilsbegründung und die dort berücksichtigten Strafzumessungsgründe gebunden.
Erst vor kurzem ist das Justizministerium übrigens an Medien herangetreten und hat darum ersucht, bei Terror-Prozessen gegen Sympathisanten des “Islamischen Staats” (IS) aus Sicherheitsgründen von der namentlichen Nennung von Richtern und Staatsanwälten Abstand zu nehmen. Ob eine TV-Übertragung einer Urteilsverkündung nach einer Verhandlung wegen terroristischer Umtriebe das Sicherheitsgefühl des betreffenden Richters stärken würde, scheint doch mehr als fraglich.
(apa/red)
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