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Zu Besuch bei glücklichen Sauen

Lustenau - Mängel bei Schweine­mast bestätigen sich. Kennzeichnung ­vehement gefordert. Alternative Haltung möglich, aber teuer.
Besuch bei glücklichen Schweinen
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Was die Tierschützer zur Anzeige gebracht haben, bewahrheitet sich zum Teil: „Wir haben zwei Drittel der Betriebe diese Woche überprüft. Der Großteil hält sich nicht an die gesetzlichen Normen. 80 Prozent bekommen ein Strafverfahren, weil es Mängel gibt“, erklärt Landesveterinär Erik Schmid. Fügt aber hinzu: „Manche sind piccobello in Ordnung.“ Und betont: „Bei vielen Mängeln handelt es sich aber um kleinere Verstöße, etwa dass Beschäftigungsmaterial fehlt.“ Anonyme Tierschützer hatten knapp 20 Vorarlberger Schweinemäster heimlich besucht und die Haltung der Tiere dokumentiert. Das Material wurde anonym an den Verein gegen Tierfabriken übergeben und am Montag präsentiert.

„Mindestnorm ist Wahnsinn“

Das Grundproblem sei aber laut Schmid ein ganz anderes: „Auch die Mindestnorm ist noch Tierquälerei. Eine Kastration bei einem Ferkel – einem Säugling – ohne Betäubung ist Barbarei. Das hat doch im 21. Jahrhundert nichts verloren. Es ist aber erlaubt. Die Mindestnorm ist ein Wahnsinn. Deshalb ist aber das Fleisch so billig.“ Beim Großteil des Fleischs sieht der Konsument nicht, wie das Tier gehalten wurde. Ob in enge Ställe gepfercht oder im Freien. Ob auf Strohboden oder Betonspaltboden. Und die Bauern müssen zu Diskontpreisen liefern. Seit Jahren fordert Schmid ein Kennzeichnungssystem. „Dieses ist längst entwickelt, da müsste man nichts neu erfinden. Aber mit der Nicht-Deklaration hat man bisher gute Geschäfte gemacht.“ Es sei einfach möglich, das Fleisch nach Art der Haltung zu kennzeichnen, etwa nach Vollspaltboden, Buchtensystem oder Freilauf. „Der Handel betreibt oft Etikettenschwindel. Konsumenten müssen stärker nachfragen. Und wer keine ordentliche Antwort bekommt, kauft es eben nicht“, rät Schmid.

Positive Beispiele

Alternativen zur konventionellen Mast gibt es in Vorarlberg. Etwa am Vetterhof in Lustenau. Elf Sauen – Wollschweine und Schwäbisch-Hällische – tummeln sich auf der Wiese im Lustenauer Ried. Sie wühlen im Heu oder liegen faul im Schatten – auf einer Fläche, auf der bei konventioneller Haltung locker 300 Schweine Platz hätten. Hubert Vetter lebt hauptsächlich von Gemüseanbau und Hühnerzucht. Die Schweine hält er sich nebenher. In zwei Wochen beginnt er mit dem Schlachten. Das Fleisch wird selbst ab Hof oder am Markt verkauft, mindestens 20 Euro pro Kilo verrechnet er. Eher mehr. Und bekommt am Markt immer wieder zu hören: schweineteuer! Vetter rechnet vor: „Bei den konventionellen Marktpreisen bleiben einem Bauern 100 Euro unterm Strich. Wenn ich ein Bioferkel vom Züchter kaufe, kostet das schon mehr.“ Die Tierschützer zeigten auch den Rankweiler Strohschweinemäster Manfred Gstach an. Zu Unrecht: Der Amtstierarzt konnte keine Mängel feststellen. Die 400 Strohschweine werden ohne Spaltenböden gehalten, mit Stroh zum Wühlen und reichlich Auslauf. „Ich habe vor knapp 20 Jahren umgestellt. Es ist besser für die Sauen. Eine andere Haltungsform kommt für mich nicht mehr infrage“, sagt Gstach. Sein Fleisch kostet gegenüber dem üblichen Handelspreis knapp 30 Cent pro Kilogramm mehr. Weil es als Strohschwein gekennzeichnet ist, bezahlen die Konsumenten den höheren Preis. „Aber wenn ich keinen Vermarkter hätte, wäre es unmöglich. Zum normalen Handelspreis geht das nicht.“ Eine allgemeine Kennzeichnung befürwortet auch er: „Mehr Geld für bessere Haltung zu verlangen geht nur, wenn es der Konsument auch nachvollziehen kann.“

Alternative Alpschwein

Besser kontrolliert wird die Haltung auch bei den Alpschweinen. Knapp 1000 tummeln sich derzeit in Vorarlbergs Bergen. Sie werden mit Molke und Getreide gefüttert. Mindestens 70 Tage verbringen sie auf den Senn­alpen, bevor sie auf den Tellern landen. „Aber es gibt sie natürlich nur zur Saison im September“, erklärt Ländle Marketing-Geschäftsführer Matthias Marxgut. Neun Euro kostet das Kilo Alpschweinefleisch. Und die Konsumenten zahlen dafür: „In der Regel haben wir knapp zu wenige Alpschweine.“ Marxgut plädiert für Änderungen im System: „Die Schweinemast wird stiefmütterlich behandelt. Es braucht alle: Politik, Handel, Mäster und den Konsumenten, der dafür zahlt.“ Von politischer Seite wäre ein Kennzeichnungssystem und höhere Unterstützungen zwingend notwendig. „Wenn man höhere Standards möchte, muss man mehr Geld in die Hand nehmen.“ Der Konsument würde es tun, glaubt Marxgut. „Wenn es möglich ist, bei den Alpschweinen höhere Preise zu lukrieren, dann funktioniert das auch ganzjährig, bei Freilandhaltung der Schweine im Tal.“ Denn nur zehn Prozent des Vorarlberger Schweinefleischbedarfs wird mit Tieren aus Vorarlberg gedeckt. „Und es ist durchaus vorstellbar, dass es zehn Prozent der Bevölkerung so viel wert ist.“

SCHWEINE

9627 Schweine wurden 2010 in Vorarlberg gezählt. 1980 waren es noch über 32.000 Schweine in den Ställen. 400 Betriebe halten in Vorarlberg Schweine. 1,97 Millionen Euro erwirtschafteten Vorarlbergs Landwirte 2010 mit der Schweinezucht. 2007 waren es noch über 3 Millionen Euro.

(VN)

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