Die Zeiten, in denen Carla Bley mit ihren meist großen Bands musikalisches Neuland betrat, mit provokant neuen und aufregend avantgardistischen Kompositionen und Arrangements, sind vorbei. Auch die große alte Dame in der männerdominierten Branche der Bandleader und Komponisten ist längst Teil der Jazzgeschichte geworden. Und doch ist nichts Altbackenes oder gar ewig Reproduzierendes in Carla Bleys Musik. Was die First Lady der Jazzkomposition in der Großen Aula beim Salzburger Jazzherbst an neuen Tunes präsentierte, war schlichtweg zeitlos schöne Musik.
Carla Bley saß unscheinbar wie immer am Bösendorfer, dirigierte die Einsätze mit einem ihrer knochigen Finger und trat als Solistin kaum in Erscheinung. Dafür setzte die 69-jährige Jazz-Ikone ihre fließend weichen und dennoch glasklaren Akkorde wie Eckfahnen in diese unaufgeregt-intelligente Musik. Schnörkellos und bis an die Grenze zur Nacktheit transparent ist der Sound dieser Band. Auch in ihrem aktuellen Programm durchbricht Bley das hitzige, im Jazz immer noch häufige Aneinanderreihen von Soli. Wie seit eh und je ist diese Musik inspiriert von einer Mischung aus fast symphonisch ausgedachtem Jazzklang und individueller Improvisation für eine eingeschworene Gruppe von Musikern.
Der feinfühlig pulsierende Billy Drummond reduzierte sich auf einzelne Schläge auf Becken oder Snaredrum-Kante, und darüber ließ sich Tenorsaxofonist Andy Sheppard alle Zeit der Welt, die doch nie zu lange wurde. Humorvoll-verspielt entwickelte Sheppard seine melodisch raffinierten Gedanken und brachte mit seinen orgelpunkt-artigen Tonwiederholungen sogar einen Hauch von Hitze in den überwiegend zurückhaltenden Carla Bley-Sound.
Flügelhorn-Kollege Paolo Fresu mit seinem weichsten und wärmsten Klang seit Chet Baker hatte sogar Platz für Spielereien mit elektronischem Echo. Altmeister Steve Swallow am fünfsaitigen E-Bass verstolperte sein erstes großes Solo zwar selbst, dann aber konnte er aus akustischen Gründen keine Akzente mehr setzen. Denn die Große Aula mit ihrer halligen Kammermusik-Akustik ist und bleibt für verstärkte Jazzbands ungeeignet, selbst wenn eine Band so aufmerksam und liebevoll die feine Klinge führt.
Mehr Infos: Jazz4you.at
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