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Zadic entmachtet Pilnacek: Strafrechtssektion künftig geteilt

Sollte Pilnacek bleiben wollen, muss er sich neu bewerben.
Sollte Pilnacek bleiben wollen, muss er sich neu bewerben. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Justizministerin Alma Zadic gab am Dienstag die Aufteilung der Strafrechtssektion im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt. Der umstrittene Sektionschef Christian Pilnacek wurde dadurch entmachtet.
Pilnacek erneut unter Kritik

Die Grüne Justizministerin Alma Zadic hat am Dienstag einen Schritt zur Entmachtung ihres umstrittenen Spitzenbeamten Christian Pilnacek gesetzt. Seine vor zehn Jahren fusionierte Sektion wird aufgeteilt.

Neuorganisation im Justiz-Ministerium angekündigt

Künftig werden für das Strafrecht und die einzelnen Strafverfahren wieder zwei Sektionen zuständig sein, kündigte Zadic vor Medien an. Sollte Pilnacek bleiben wollen, muss er sich neu bewerben.

Zadic begründete die Aufteilung der großen Strafsektion damit, dass der Anschein von Unvereinbarkeit in Strafverfahren vermieden werden solle. Wer für die inhaltliche Reform der Strafgesetze zuständig sei, habe zwangsläufig Kontakt zu Politikern und "Stakeholdern" aus der Wirtschaft. Das sei problematisch, wenn gleichzeitig gegen diese Personen ermittelt werde, so die Ministerin.

"Zum Problem wird das gerade in klamorösen (aufsehenerregenden, Anm.) Verfahren, wo möglicherweise gegen die selben Politikerinnen und Stakeholer ermittelt wird, mit denen man vorher in der Gesetzesausarbeitung zusammengearbeitet hat", betonte Zadic: "Das kann ein Spannungsverhältnis erzeugen, das sich die Beamtinnen und Beamten nicht verdient haben. Das kann auch schnell zu einem Generalverdacht führen, den sich unser Rechtsstaat nicht verdient hat."

Künftig soll sich die bisherige Sektion IV daher ausschließlich um die "Straflegistik" - also die Gesetze - kümmern. Die Fachaufsicht über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften soll in eine neue Sektion V für "Einzelstrafsachen" übersiedeln. Diese Aufteilung sei seit den 1960er Jahren üblich gewesen, habe sich über 50 Jahre lang bewährt und sei von ihr auch schon vor ihrer Bestellung zur Justizministerin befürwortet worden, meinte Zadic: "Gerade im Strafrecht und der Strafverfolgung geht es auch um das Vertrauen in die Justiz."

Reform soll bis Herbst abgeschlossen sein

Der Koalitionspartner ÖVP wurde den Angaben zufolge am Dienstagnachmittag über die Pläne informiert. Dass sie die Pressekonferenz so kurzfristig am Nachmittag angesetzt hat, begründete Zadic damit, dass die Vorhaben bereits gerüchtehalber durchgesickert waren. Eine Zustimmung der ÖVP zur Reform ist nicht nötig. Jeder Minister habe die Aufgabe, selbst für gute Rahmenbedingungen in seinem Ressort zu sorgen, betonte Zadic.

Sie erwartet sich von der Organisationsreform, die bis Herbst abgeschlossen sein soll, auch Verfahrensbeschleunigungen. Ob sich Pilnacek für die Leitung einer der beiden Sektionen bewerben wird, ließ Zadic offen. Sie habe allerdings bereits mit ihm gesprochen und "natürlich kann sich Sektionschef Pilnacek auch darauf bewerben". Sie habe schon bisher sehr gut mit ihm zusammengearbeitet und freue sich auf eine weitere Zusammenarbeit.

Pilnacek bereits länger in der Kritik der Opposition

Lange war Christian Pilnacek der mächtigste Beamte im Justizministerium. Unter Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) 2010 zum Chef der neuen Strafrechtssektion IV aufgestiegen, hielt er mit Legistik und Einzelstrafsachen all zu viele Fäden in der Hand. Unter Türkis-Blau auch Generalsekretär des Ressorts, wurde die Kritik an ihm zuletzt immer lauter.

Für gehörigen Wirbel sorgte vor allem die Eurofighter-Causa und der damit verbundene Konflikt mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Letztere zeigte ihn im Vorjahr wegen Amtsmissbrauchs an, was letztlich ohne Folgen blieb. Der Vorwurf: Pilnacek habe versucht, das Eurofighter-Verfahren teilweise abzuwürgen. "Setzts euch z'samm und daschlogts es, aber das hättet ihr vor drei Jahren machen können", so der legendär gewordene Satz aus einem heimlich aufgenommenen Gesprächsmitschnitt.

Der Konflikt - unterlegt mit dem Vorwurf, mit nicht als Weisungen deklarierten Vorgaben zu agieren - eskalierte so sehr, dass der damalige Justizminister Josef Moser (ÖVP) ein Mediationsverfahren einleiten ließ. Es gab aber auch eine längere Vorgeschichte, unter anderem in der BVT-Affäre. Die WKStA hatte in Eigenregie die umstrittene und letztlich rechtswidrige Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz veranlasst und wurde deswegen von Pilnacek an die Kandare genommen.

Für gehörigen Wirbel sorgte zuletzt aber eine andere, nicht weniger pikante Causa, nämlich jene um Postenschacher bei den Casinos Austria. Nachdem es Hausdurchsuchungen gegeben hatte, empfing Pilnacek - der in dem Verfahren die Fachaufsicht innehat - zwei höchst prominente Beschuldigte, nämlich die Aufsichtsräte Walter Rothensteiner und Ex-Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP), in seinem Büro.

Rufe nach Abberufung wurden nach neuen Vorwürfen lauter

Zadic, seit Jahresbeginn 2020 erste grüne Justizministerin, reagierte mit einer offiziellen Weisung an Pilnaceks Strafrechtssektion. Inhalt der Rüge: Das Treffen sei nicht in Ordnung gewesen, es solle keine weiteren derartigen Verabredungen geben. Jeder Anschein einer bevorzugten Behandlung müsse vermieden werden. Der selbstbewusste Jurist reagierte mit Unverständnis, die Rufe nach seiner Abberufung wurden immer lauter.

Zuletzt fokussierte sich die Aufmerksamkeit auf den 31. Mai 2020, sollte da doch entschieden werden, ob Pilnaceks Vertrag weiterläuft oder sein Posten neu ausgeschrieben wird. Es war wohl kein Zufall, dass kurz davor Mails zur Eurofighter-Causa aus dem Vorjahr auftauchten. Pilnacek meinte darin, man müsse "insgesamt die Leistungen der WKStA hinterfragen" und dabei "aktive und breite Öffentlichkeitsarbeit" betreiben. FPÖ, NEOS und SPÖ schäumten, sahen einen Konnex zum Misstrauen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gegen die WKStA, und pochten erneut auf eine Absetzung des Spitzenjuristen.

Pilnacek, Jahrgang 1963, Sohn aus bürgerlichem Haus, wurde 1992 zum Richter ernannt und dann der Straflegislativsektion des Justizministeriums zugeteilt. Nach sechs Jahren in der Gesetzesschmiede wechselte er zurück in die praktische Anwendung, 1998/99 war er Richter am Landesgericht Korneuburg. Seit Oktober 1999 arbeitet er im Justizministerium. Im September 2010 übernahm Pilnacek die Leitung der damals neu geschaffenen Strafrechtssektion (Legislative und Einzelstrafsachen).

Pilnacek ist in zweiter Ehe mit Caroline List, Präsidentin des Grazer Straflandesgerichts, verheiratete. Der ersten Ehe entstammen drei bereits erwachsene Kinder. Als Hobby nennt er Theater und Skifahren.

SPÖ und NEOS begrüßen Pilnaceks Entmachtung

Die Entmachtung von Pilnacek und die Teilung seiner Sektion im Justizministerium ist von der Opposition positiv aufgenommen worden. Der Schritt sei überfällig, man habe dies lange gefordert, hieß es am Dienstag bei der SPÖ. Auch die NEOS sahen einen großen Schritt in Richtung Unabhängigkeit der Justiz.

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim begrüßte die Entscheidung von Justizministerin Alma Zadic (Grüne), die Sektionen für Strafrecht und Einzelstrafsachen (und damit auch für Weisungen) wieder zu trennen. Man habe die Zusammenlegung unter ÖVP-Ministerin Bandion-Ortner immer kritisiert. Auch werde endlich auf zahlreiche Vorwürfe gegen Pilnacek reagiert. "Dieser Schritt war jedenfalls überfällig", so Yildirim, die weiter nach einem weisungsunabhängigen Bundesstaatsanwalt verlangte.

Erfreut zeigte sich auch NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper. "Pilnacek war der Kopf eines Systems der Angst, der Abhängigkeit und der Intervention. Eines Systems, in dem bestimmte Strafverfahren torpediert oder 'daschlogn' wurden", meinte sie. Staatsanwälte seien gezielt unter Druck gesetzt worden. Das System der berichtspflichtigen Verfahren müsse nun dringend evaluiert und ein Reformpaket geschnürt werden, forderten die NEOS.

Auch der grüne Parlamentsklub gab dem Vorhaben der Parteikollegin seinen Segen. Man begrüße die Schaffung der beiden getrennten Sektionen "Straflegistik" und "Einzelstrafsachen" im Justizministerium. "Diese Maßnahme gewährleistet, dass das Justizministerium in Abstimmung mit dem Parlament die anstehenden wichtigen Reformvorhaben im Strafrecht voranbringen kann, während gleichzeitig für die Staatsanwaltschaft die größtmögliche Distanz zur Politik gewahrt werden kann", meinte die Justizsprecherin der Grünen, Agnes Sirkka Prammer.

Rechtsanwälte-Präsident Wolff begrüßt Umbau des Ressorts

Der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Rupert Wolff, begrüßt die von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) angekündigte Umstrukturierung ihres Ministeriums. Legistik und Fachaufsicht wieder zu trennen, bringe Transparenz und Gewaltentrennung, sagte er im Gespräch mit der APA. Für den bisherigen Sektionschef Christian Pilnacek fand Wolff nur lobende Worte.

Zu den Gründen für die Entmachtung Pilnaceks wollte sich Wolff nicht äußern. Die Aufteilung der erst 2010 geschaffenen großen Strafrechtssektion halte er jedenfalls für gerechtfertigt. Zur Person Pilnacek meinte Wolff, dass er mit diesem zwar zu Beginn gehörig zusammengekracht sei, ihn in der Folge aber als Gesprächspartner und kompetenten Strafrechtler kennen und schätzen gelernt habe. Er attestierte ihm "Fachkompetenz und Handschlagqualität" und erinnerte daran, dass sich Pilnacek nun ja um eine der beiden neuen Sektionen bewerben könne.

Wolff lobte auch Zadic

Lob gibt es von Wolff aber auch für Zadic, denn sie sei eine, die schnell die Problemlage verstehe, zudem verfüge sie über eine juristische Ausbildung. "Deshalb bin ich froh, dass ich einen guten Gesprächsdraht mit ihr aufbauen konnte", so der Rechtsanwälte-Präsident. In der Justiz sei viel zu tun, zu allererst nannte er hier die Reform des Hauptverfahrens. Bei der jüngsten Regierungsbildung habe sich das allgemeine Verständnis durchgesetzt, dass die Justiz mehr Ressourcen brauche, so Wolff. Er äußerte die Hoffnung, dass entsprechende Pläne auch nach der Coronakrise noch Geltung haben werden.

(APA/Red)

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