AA

"Wir brauchen frischen Wind!“

500 bis 700 Haushalte werden vom Vetterhof jede Woche mit Gemüsekisten beliefert.
500 bis 700 Haushalte werden vom Vetterhof jede Woche mit Gemüsekisten beliefert. ©MiK
Lustenau - W&W sprach mit Simon Vetter vom Vetterhof über die Situation und die Zukunft der Bauern in Vorarlberg.

Anlässlich der neuen Doku „Bauer unser“ unterhielt sich W&W mit Protagonist und Biobauer Simon Vetter. Der Vetterhof in Lustenau ist geradezu ein Unikat: Über 90 Prozent der produzierten Güter werden über den Direktvertrieb an die Kunden gebracht. Ein Großteil davon gelangt in der Gemüsekiste zum Verbraucher, andere Waren werden im eigenen Hofladen verkauft. „Das Rheintal ist für diese Form des Vertriebs geradezu prädestiniert“, sagt Simon Vetter. „Die Nachfrage ist geradezu irre. Wir liefern wöchentlich 500 bis 700 Gemüsekisten aus.“

„Nicht für den Weltmarkt“

In Zeiten von Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA, haben viele Bauern große Sorgen, dass der Preiskampf mit Produkten aus Übersee noch verschärft wird. „Ich möchte mich nicht vom Welthandel abhängig machen, aber ich muss ja auch nicht für den Weltmarkt produzieren“, erklärt Vetter. „Allerdings stellt ein liberalisiertes System die Bauern vor große Herausforderungen. Die meisten kleinen Betriebe müssten ohne Förderungen garantiert zusperren. Da gibt es welche, deren Umsatz zu 70 Prozent aus Fördergeldern kommt.“ Eben hier befänden sich die Bauern in einem Dilemma. „Wir produzieren ja öffentliche Güter und es wird allen immer suggeriert, dass alle im gleichen Boot sitzen. Großbesitzer bekommen Millionenförderungen, kleine Bauern werden ,gerettet‘. Wenn jemand das infrage stellt, wird einem schnell vermittelt, dass entweder alle Förderungen bekommen, oder niemand. Wieso braucht jemand, der 50.000 Hektar Grund hat, eine Förderung in Millionenhöhe? Wenn er das nicht gewinnbringend bewirtschaften kann, hat er sowieso ein Problem. Im Gegenzug werden bei kleineren Betrieben aber Existenzen bedroht, was die Diskussion vollkommen lähmt.“

„Dinge ausprobieren“

„Wir brauchen frischen Wind und neue Ideen“, ist Vetter sicher. „Alle sagen immer, wir hätten hier so ein schönes Land, das muss aber auch gepflegt werden. Wenn dafür billige Mittel eingesetzt werden, wirkt sich das entsprechend aus. Der Standort und das wirtschaftliche Umfeld geben vor, was möglich ist. Man muss aber auch neue Dinge ausprobieren, sofern man sich das Risiko erlauben kann. Mit der Bank im Nacken, kann man keine Experimente wagen, wenn man von jedem Euro abhängig ist.“ Er selbst habe glücklicherweise den Handlungsspielraum, neue Dinge zu versuchen. „Wir bauen Pflanzen an, die bei uns angeblich überhaupt nicht wachsen dürften! Es geht aber zuerst darum, es zu versuchen. So hatten wir heuer z.B. eine echt gute Ingwer-Ernte und machen jetzt Gin mit Produkten von unserem Hof.“

Neues Bewusstsein

In letzter Zeit habe sich in der Bevölkerung ein neues Bewusstsein für Lebensmittel entwickelt. „Viele junge Menschen interessieren sich für Landwirtschaft. Wir hatten vom Computerspieleentwickler aus Berlin bis zum Berufssoldat aus der Schweiz schon die unterschiedlichsten Leute hier, die einmal sehen wollten, wie das funktioniert.“ Diese interessierten jungen Leute haben aber kaum Möglichkeiten, in der Landwirtschaft tätig zu werden. „Das System ist geschlossen – wenn man nicht hineingeboren wird, hat man fast keine Chance. Wer steckt schon eine halbe Million Euro in einen Hof, wenn er nicht kalkulieren kann, was er damit verdient? Hier müssen wir uns etwas für die Zukunft überlegen, denn die Bauern sterben hierzulande aus – obwohl es ein Hammer-Beruf ist! Hier in Lustenau leben beispielsweise schon mehr Chinesen, als Bauern.“

Zahlen

1000 BAUERNHÖFE AM TAG SCHLIESSEN IN DER EU

2% DIREKTVERTRIEB IN DER LANDWIRTSCHAFT

25% MILCHPREISSTURZ SEIT FALL DER QUOTE 2015

100 kg FLEISCH VERZEHRT EIN ÖSTERREICHER IM JAHR

Podiumsdiskussion zu „Bauer unser“

Am Donnerstag, um 20 Uhr, läuft im Bregenzer Metrokino die Vorarlberg- Premiere der neuen Doku „Bauer unser“. Der neue Film beleuchtet die Situation der Bauern in Europa vor dem Hintergrund neuer Entwicklungen, wie auch TTIP/CETA. Im Anschluss stehen Simon Vetter und Regisseur Robert Schabus für eine Podiumsdiskussion zur Verfügung.

Hier die ganze WANN & WO-Ausgabe online lesen

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Lustenau
  • "Wir brauchen frischen Wind!“