AA

Wilma Brüstles Kampf gegen die Lkw-Lawine

Lustenau -  Ein Leben in Lkw-Lärm und Dreck. Seit 30 Jahren kämpft Wilma Brüstle, 85, für eine Entlastung.

Lustenau, Bahnhofstraße 1, direkt an der L 203. Das Haus von Wilma Brüstle. Dort kam die bald 85-Jährige „an einem ruhigen Sonntagnachmittag“ auf die Welt. „Dort möchte ich auch eines Tages hinausgetragen werden.“ Ihr wunderschönes, 300 Jahre altes Rheintalhaus ist zu einer Art Symbol geworden. Zum Symbol für ein Stück Heimat, das der unbarmherzigen Verkehrslawine ausgeliefert ist. „Eins, zwei, drei, vier, fünf sechs!“, ruft die rüstige Frau. „Sechs Laster sind gerade in den letzten paar Sekunden durchgedonnert.“ Ihr Haus steht an der sogenannten Lustenauer- Hof-Kreuzung. Von insgesamt vier Straßen kommen die „Brummis“. Sie steuern die großen Firmen im unteren Rheintal an oder kommen von dort. Dreifach verglast hat Brüstle die Fenster zur Straße. Als sie eines aufreißt, versteht man kaum noch das eigene Wort. Und als die betagte, aber sehr rüstige Frau mit der Handfläche über den äußeren Fenstersims fährt, ist ihre Hand kohlrabenschwarz. „Aber glauben Sie nicht, ich würde hier nicht immer putzen.“

Die Schatten

Wilma Brüstle hat zwar mit der enormen Belastung zu leben gelernt, sich aber nie damit abgefunden. Die wunderschöne Stube zur Straße hin meidet sie. „Denn ich kann auch die Schatten der Lkws nicht mehr ertragen. Ich muss mich in den hinteren Teil des Hauses zurückziehen.“ Das Leben an der Straße ist für die alleinstehende Witwe ein Portfolio verschiedenster Erinnerungen. „In meiner Jugend“, sagt sie sentimental, „da spielten wir draußen Völkerball. Ein Auto kam da vielleicht alle halbe Stunde.“ Die Straße wurde für Wilma Brüstle jedoch auch zum Horror. Vor rund zehn Jahren musste sie miterleben, wie ein Kind zu Tode gefahren wurde. „Ich höre die Schreie noch heute. Wie das Kind verzweifelt ‚Mama‘ rief. Kurz darauf war es tot.“ Der Frau kommen die Tränen, wenn sie sich diese Momente vergegenwärtigt. Sie hörte damals auf mit dem Autofahren.

Aufbruchstimmung

Wilma Brüstle ist Kämpferin für eine Entlastungsstraße, seit in Lustenau darum gekämpft wird. Sie erlebte hautnah das Wechselbad der Gefühle. Als die Menschen sich leidenschaftlich engagierten, als Zeiten von Resignation aufzogen. „Doch jetzt ist wieder eine Aufbruchstimmung. Viele spüren, dass Druck gemacht wird.“ Böse, sagt die Großtante von Handball-Jungstar Lucas Meyer, sei sie den Gegnern einer Entlastungsstraße nicht. „Aber ich verstehe sie nicht. Man kann doch nicht, so wie die Grünen, gegen alles sein, die Natur schützen wollen, aber uns gleichzeitig dieser Belastung aussetzen. Nein, also das verstehe ich wirklich nicht.“

Verkauf kein Thema

Wilma Brüstle ist ihr Haus heilig. Stolz merkt sie an, wie sie das altehrwürdige Gebäude noch selber putzt, den Garten pflegt. „Nur zwei Mal im Jahr hole ich Verstärkung. Und dann habe ich noch jemanden, der mir den Rasen mäht.“ Streng genommen arbeite sie eigentlich nur für ihr Haus. Nie sei ihr in den Sinn gekommen, es zu verkaufen. Die 85-Jährige macht sich dennoch nichts vor. „Ich werde es nicht mehr erleben, dass Lustenau eine Entlastungsstraße bekommt. Aber ich möchte noch erleben, dass der definitive Entschluss gefasst wird, eine Entlastungsstraße zu bauen.“

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Lustenau
  • Wilma Brüstles Kampf gegen die Lkw-Lawine