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Amoklauf in Niederösterreich: Wilderer richtet Blutbad an

Polizisten an einer Straßensperre in der Nähe des Bauernhofes, in dem sich der Mann verschanzt hat
Polizisten an einer Straßensperre in der Nähe des Bauernhofes, in dem sich der Mann verschanzt hat ©EPA
Ein von der Polizei wegen des Verdachts der Wilderei gesuchter Mann hat in der Nacht auf Dienstag in Niederösterreich ein Blutbad angerichtet.
Entscheidung zum Angriff gefallen
Fahrzeuge gezielt beschossen
Polizei umstellt Hof des Schützen
Bilder: Großaufgebot der Polizei
Soziologe: "Trophäen im Visier"
Große Geiselnahmen in Österreich
Stichwort: Einsatzkommando Cobra
Stichwort: Annaberg und Großpriel
Wilderei: Jährlich Hunderte Anzeigen

Ein als Wilderer verdächtigter 55 Jahre alter Transportunternehmer aus der Ortschaft Großpriel bei Melk in Niederösterreich hat in der Nacht auf Dienstag zunächst zwei Polizisten und einen Sanitäter des Roten Kreuzes erschossen. Mit einem Streifenwagen und einem weiteren Polizisten als Geisel flüchtete er auf seinen Bauernhof, wo er sich seit 7 Uhr am Morgen verschanzt hält. Am Nachmittag wurde auch die Leiche des zunächst vermissten Polizisten gefunden. Eine Hundertschaft an Einsatzkräften belagert das Gehöft. Der Einsatz der Cobra, die das weitläufige Anwesen seit gut dreieinhalb Stunden durchsucht, dauert an.

55-Jähriger zuvor nicht unter Verdacht

Bei dem Verdächtigen handelt es sich um einen alleinlebenden Mann, einen Jäger, der legal mehrere Waffen, vor allem für die Jagd, besitze, erfuhr die APA von der Polizei. Er sei bisher nie polizeilich auffällig gewesen. Mittlerweile gilt es nach der APA vorliegenden Informationen als belegt, dass es sich bei dem 55-Jährigen um einen Wilderer handle, der seit längerem in der Gegend sein Unwesen getrieben haben soll. Warum der Jäger heimlich gewildert habe, erklärte ein Sprecher so: “Weil er in seinem eigenen Revier keine Hirsche hat.” Zuvor habe gegen den Transportunternehmer aber kein Verdacht bestanden, die Ermittlungen liefen gegen unbekannte Täter.

Ermittlungen laufen seit 2008

Die Polizei ermittelt seit 2008 in mindestens acht Fällen von Wilderei in Niederösterreich und der Steiermark. Im März 2011 wurde der Wilderer von einem Jäger in Bezirk Melk auf frischer Tat ertappt. Der Verdächtige attackierte den Waidmann und flüchtete zu Fuß, sein Auto wurde sichergestellt. Da der Mann jedoch gestohlene Kennzeichen verwendete, kam man ihm nicht auf die Schliche. In der Nacht auf Dienstag fiel bei Annaberg (Bezirk Lilienfeld) erneut ein verdächtiges Fahrzeug auf. Beamte des Landespolizeikommandos und Einsatzkräfte der Cobra legten sich auf die Lauer.

Blutbad bei Festnahmeversuch

Seinen Ausgang nahm das Blutbad also in der Nähe von Annaberg: Die Polizei führte eine Überwachungsaktion gegen den oder die gesuchten Wilderer durch. Eine Straßensperre wurde errichtet, und zwei Cobra-Beamte versuchten den Wagen eines Verdächtigen zu stoppen. Die Sondereinheit war nach den jahrelangen schweren Wildereidelikten in der Gegend in die Fahndungsmaßnahmen nach illegalen Schützen eingebunden.

Schütze durchbrach mehrere Straßensperren

Der Wagen durchbrach bei Annaberg bei der L101 eine Straßensperre, der Lenker flüchtete Richtung Äußere Schmelz. “Dort hat der Täter plötzlich und unvermittelt das Feuer eröffnet”, sagte Roland Scherscher. Dabei wurde ein Polizist getroffen, er verstarb später im Landeskrankenhaus St. Pölten.

Aus Hinterhalt auf Sanitäter gefeuert

Nahe dem dort liegenden Sägewerk schoss der Mann aus dem Hinterhalt auf eine zu Hilfe eilende Rettung, ein Sanitäter und ein Polizist wurden verletzt, der Rotkreuz-Mitarbeiter, der 70 Jahre alte Johann Dorfwirth, starb.

Amokläufer nimmt Polizist als Geisel

Daraufhin flüchtete der Schütze in Richtung Lassinghof, wo er bei einer Straßensperre einen weiteren Polizisten erschoss. Er kaperte ein Polizeiauto mit einem Beamten als Geisel und raste zu seinem Wohnhaus nahe Melk. Dort wurde das Bauernhaus von Einsatzkräften der Cobra umstellt. Am Nachmittag fand man die Geisel tot nahe des Wohnhauses in einer Scheune. Der Leichnam wurde mit Panzerfahrzeugen geborgen. Die Hintergründe des Todes der Geisel sind noch unklar.

Johann Baumschlager von der LPD Niederösterreich auf einer Pressekonferenz am Vormittag. (EPA)
Johann Baumschlager von der LPD Niederösterreich auf einer Pressekonferenz am Vormittag. (EPA) ©Johann Baumschlager von der LPD Niederösterreich auf einer Pressekonferenz am Vormittag. (EPA)

Bewaffneter verschanzt sich in seinem Hof

Dort verschanzte sich der mit umfangreicher Munition ausgestattete Mann in seinem auf einer Anhöhe gelegenen Vierkanthof. Rund hundert Polizisten umzingelten seit etwa 7.00 Uhr das Anwesen, die Umgebung wurde großräumig abgesperrt. Die Polizei bestätigte, dass der Verdächtige immer wieder aus dem Bauernhaus heraus Schüsse abgab. “Er hat herausgeschossen, sobald er jemanden gesehen hat”, hieß es vom Einsatzort. Die Polizei hat auch Angehörige des Verdächtigen beigezogen, die offenbar erfolglos versucht haben, ihn auf seinem Handy zu erreichen. Die Versuche, mit dem Mann Kontakt aufzunehmen, blieben offenbar fruchtlos.

Leiche der Geisel in Fluchtwagen entdeckt

Gegen 14.00 Uhr entdeckten Einsatzkräfte in dem auf dem Anwesen in einem Schuppen abgestellten Streifenwagen, den der 55-Jährige für seine Flucht entwendet hatte, die Leiche ihres Kollegen. Zur Lage vor Ort hieß es am späten Nachmittag gegenüber der APA zunächst noch: “Unverändert. Der Verdächtige wird im umstellten Gebäude vermutet. Wir gehen davon aus, dass er allein ist.” Zuvor war kurz Rauch aus dem Vierkanthof gedrungen, die Ursache war zunächst unklar.

Cobra durchsucht Bauernhof

Seit ca. 18.20 Uhr führt die Cobra einen Zugriff auf dem Gehöft durch, auf dem sich Alois H. seit 7 Uhr am Morgen verschanzt hält. Gegen 20.00 Uhr war der Einsatz noch im Gang. Zuvor waren Panzerfahrzeuge zum Bauernhof vorgefahren. Die Cobra führe eine “gesicherte Durchsuchung” des weitverzweigten und verwinkelten Anwesens durch, erklärte die Polizei gegenüber der APA. Die Eigensicherung der Beamten gehe vor, die Aktion könne noch dauern. Derzeit seien mehrere Dutzend Polizisten unmittelbar auf dem Gelände im Einsatz.

Das bisher letzte Lebenszeichen des Verdächtigen habe es gegen 17.30 Uhr gegeben, als ein einzelner Schuss aus dem Bauernhof abgegeben worden sei, erfuhr die APA von den Einsatzkräften. Zuvor hatte der 55-jährige Mann immer wieder Schüsse aus dem Gehöft heraus abgefeuert.

Amoklauf fordert vier Menschenleben

Die Opfer des Amoklaufs von Lilienfeld waren allesamt Familienväter: Auf Seite der Polizei starben ein 38-jähriger Revierinspektor (Roman Baumgartner), der für die Cobra im Einsatz stand, sowie zwei Polizisten, die als Gruppeninspektoren im Bezirk Scheibbs tätig waren (Manfred Daurer, 44 Jahre, und Johann Ecker, 51 Jahre). Rotkreuz-Rettungssanitäter Johann Dorfwirth, 70 Jahre alt und 32 Jahre im Dienst, verlor ebenfalls sein Leben.

(APA/ red)

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Gefahrenjob Polizist

11. Februar 2011: Zwei Polizisten werden in einem Wald bei Hirtenberg (Bezirk Baden) bei einem Schusswechsel schwer verletzt, einer der Beamten stirbt am nächsten Tag im Spital. Der Schütze ist ein 34-Jähriger, der wegen eines versäumten Haftantritts zur Fahndung ausgeschrieben war. Er begeht nach der Schießerei mit seiner Handfeuerwaffe Selbstmord.

12. Jänner 2010: Ein 27-jähriger Polizist wird bei einer Fahrzeugkontrolle in Wien-Ottakring von einem Fahrzeuglenker angeschossen. Der Autofahrer steigt aus seinem Wagen und feuert auf den Beamten.

15. April 2003: Polizisten beobachten zwei Männer bei einem Einbruch in Wien-Donaustadt und wollen sie festnehmen, einer entkommt zunächst und wird nach einer Verfolgungsjagd gestellt. Bei einem Gerangel kann er sich die Dienstwaffe eines der Beamten schnappen. Zwei Polizisten werden durch Schüsse verletzt.

15. September 1999: Bei der Kontrolle eines verdächtigen Pärchens in Wien-Donaustadt zieht der RAF-Terrorist Horst Ludwig Meyer eine Pistole und entwaffnet eine Polizistin. Gemeinsam mit seiner Komplizin flüchtet er. Bei der Verfolgungsjagd wird ein WEGA-Beamter von Meyer durch zwei Schüsse verletzt, der Terrorist schließlich erschossen. Die Komplizin lässt sich festnehmen.

25. März 1998: Mit einem Genickschuss wird ein 29-jähriger Sicherheitswachebeamte in Wien-Alsergrund getötet. Die Täter, ein Brüderpaar (21 und 22), hatten es auf die Privatwaffe des Polizisten, einen Revolver, abgesehen.

31. Juli 1995: Nach einer Geiselnahme in einer Wohnung in Wien-Meidling wird ein junger Polizist niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt, als er dem flüchtenden Täter in einem Wohnhaus buchstäblich in die Arme läuft.

14. Juni 1993: Nach einem Banküberfall in Wien-Döbling erschießt der Täter auf der Flucht einen 25-jährigen Polizisten und verschanzt sich mit vier Geiseln in einem Kindermodengeschäft. Bei mehrstündigen Verhandlungen mit dem Geiselnehmer wird auch Polizeioberst Fritz Mahringer angeschossen. Die Exekutive stürmt das Geschäft, der Täter begeht Selbstmord.

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