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Wiener Toxikologe: Wenn Cannabis-Freigabe, dann unter Regeln

Die Legalisierung von Cannabis ist immer wieder Thema
Die Legalisierung von Cannabis ist immer wieder Thema ©APA (Sujet)
In der aktuell wieder aufflammenden Diskussion um die mögliche Legalisierung von Cannabis meldet sich der Wiener Toxikologie Rainer Schmid, der den "Checkit!"-Beratungs- und Analyseservice mitaufgebaut hat, unaufgeregt zu Wort: "Wenn Legalisierung, dann mit Regeln."
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Gesundheitlich bedenklich sei Cannabis vor allem für sehr junge Konsumenten, so Schmid. Prinzipiell würde die “Welt nicht untergehen” – so der Toxikologie der MedUni Wien, wenn man Cannabis legalisiere: “Das ist nicht unähnlich wie bei der derzeitigen Ausländerdebatte in der EU. Da fürchtet man, dass mit der Öffnung des Arbeitsmarktes für osteuropäische Staaten ‘die Schranken fallen’. Aber dann passiert nichts.”

 Legalisierung: “Es braucht Regeln”

Laut dem Experten sollte eine allfällige Legalisierung von Cannabis aber geplant und geordnet erfolgen: “Man sollte das nicht einem neoliberalen Markt überlassen. Da braucht es Regeln. Sonst würde auf diesem Markt vor allem Gewinnmaximierung betrieben. Wir versuchen, gerade für das Rauchen den (neo)liberalen Nikotinmarkt zurückzudrängen. Da brauchen wir nicht das Gegenteil auf einem freigegebenen Cannabis-Markt.”

Aus den Niederlanden gibt es laut Fachleuten viele Studien, welche den Cannabis-Markt unter Regeln beleuchtet haben: “Da beobachtete man zum Beispiel ein (scheinbares) Paradoxon, dass in einem liberalisierten Markt die Verbreitung des Cannabis-Konsums unter der Jugend in den Niederlanden geringer ist als im restlichen Europa, wo dies restriktiv gehandhabt wird.”

Cannabis: Gefahr für sehr junge Konsumenten

THC als psychoaktive Substanz sei seit Jahrtausenden bekannt, die Menschheit mit dessen Konsum (und auch mit dessen Problemen) vertraut. Schmid: “Gesichert ist, dass man sich akut damit nicht umbringen kann. Bei erwachsenen Konsumenten gibt es auch wenig beobachtbare negative Langzeitkonsequenzen des Cannabis-Gebrauchs. Aber, bei sehr jungen Konsumenten kann dies offenbar zu signifikanten Folgeschäden führen.”

Das noch nicht in seiner Entwicklung fertige Gehirn von Kindern bis Ende der Pubertät reagiere offenbar auf Cannabis-Konsum empfindlicher. Schmid: “Aber das ist bei Alkohol auch so. Und damit haben wir natürlich ein sozialpolitisches Problem. Wir wollen ja auch nicht, dass Kinder und Jugendliche sehr früh Alkohol trinken und sich dadurch längerfristig schädigen.”

Prohibition vs. Prävention

Eine Legalisierung von Cannabis würde laut Schmid jedenfalls auch mehr Präventionsmaßnahmen notwendig machen: “Wenn die Prohibition wegfällt, muss man die Prävention intensivieren. Prohibition ist – salopp ausgedrückt – ‘bequemer’. Man sagt, ‘Prohibition ist Prävention’. Aber das stimmt natürlich nicht.”

Immer wieder in der wissenschaftlichen Literatur auftauchende Hinweise, dass ein wiederholter Cannabis-Konsum bei jungen Konsumenten vermehrt zum Ausbruch einer Schizophrenie führen kann, sieht der Experte kritisch: “Natürlich ist THC eine psychogene Substanz. Aber es dürfte vielmehr bei jungen Menschen als Auslöser von Psychosen wirken, für die bereits eine Disposition (zu einer Psychose; Anm.) besteht .”

Qualitätskontrolle bei Cannabis

Im Falle einer Legalisierung sollte jedenfalls auch eine Qualitätskontrolle des angebotenen Cannabis erfolgen. Schmid: “Wenn, dann sollte Cannabis mit weniger THC-Gehalt, weniger ‘potentes’ Cannabis, angeboten werden dürfen.” Die zunehmenden Indoor-Züchtungen hoch potenter Sorten, auch bedingt durch den geringeren Platzbedarf für die illegalen “Plantagen”, mache die Drogen zwar wirkungsvoller, aber auch nebenwirkungsreicher.

Schäden nicht nur durch Konsum

Für den Toxikologen sollten in allen diesen Diskussionen auch die gesellschaftspolitischen Aspekte nicht verschwiegen werden: “Man sollte nicht vergessen, dass durch rein prohibitive Maßnahmen oft mehr gesellschaftlicher Schaden entstehen kann, als durch den Konsum der verbotenen Substanzen selbst.

Der soziale sowie volkswirtschaftliche Schaden, der z.B. in den USA, durch die systematische Kriminalisierung und das Wegsperren von Cannabiskonsumenten (und nicht kriminellen Cannabis- Kleinhändlern; Anm.) in Strafanstalten entstanden ist, ist sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft nicht unbeträchtlich. Dies trifft sicherlich – wenn auch in geringerem Ausmaß – auch für die derzeitige Österreichische Situation zu.”

(apa’/red)

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