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Wiener sollen ins Ländle

Schwarzach - Bartenstein kündigt im "VN"-Interview eine Änderung der so genannten Zumutbarkeitsbestimmungen an; damit soll dem Arbeitskräftemangel in der Tourismusbranche begegnet werden.

VN: Sie haben ja schon viele Regierungsbildungen miterlebt …

Bartenstein: Das war meine sechste.

VN: Die Große Koalition hatte nun aber einen sehr holprigen Start.

Unserer Ansicht nach war es ein guter Start. Wenn nun aber der Bundeskanzler und die SPÖ interne Probleme haben, dann hängt dies mit den SPÖ-Versprechungen vor der Wahl zusammen, die sie nicht halten konnten. Bei aller koalitionsinterner Solidarität: Dies ist also ausschließlich ein Problem der SPÖ. Ich habe auch schon Regierungsbildungen miterlebt, wo im Anschluss daran ein Sparpaket oder eine Pensionsreform unausweichlich war. Dies alles steht dieses Mal nicht zur Diskussion, weil unter Kanzler Schüssel gut gewirtschaftet worden ist. Zudem haben wir ein hohes Wirtschaftswachstum.

VN: Alfred Gusenbauer kann jetzt also die Ernte von der Vorgängerregierung einfahren?

Was Schüssel und Co. gesät haben, kann Gusenbauer zu einem guten Teil einfahren. Vom Glück des Tüchtigen möchte ich nicht sprechen, von politischer Fortüne allemal.

VN: Sie sagen, es sind keine großen Steuererhöhungen geplant.

Jedenfalls nicht von uns. Kollege Buchinger (SPÖ-Sozialminister) lässt jede Woche mit neuen Steuererhöhungsvorschlägen aufhorchen.

VN: Sie lehnen eine Vermögenssteuererhöhung ab?

Eine Steuer, die ein SPÖ-Finanzminister abgeschafft hat, die werden wir nicht wieder einführen. Ich halte es für deutlich klüger, Kapitalerträge zu besteuern, was wir ja tun. Insgesamt möchte ich der SPÖ aber schon ins Stammbuch schreiben: Wir sind gemeinsam angetreten, um die Steuern zu senken.

VN: Wirtschaftsforscher sagen, die Grundsteuer sei unverhältnismäßig niedrig.

Ich kritisiere nicht Vorschläge von Wirtschaftsforschern, übernehme sie aber auch nicht ungeprüft: Eine höhere Grundsteuer wollen die Österreicher nicht, daher kommt sie auch nicht.

VN: Nun gibt es Branchen wie den Tourismus, die unter einem Arbeitskräftemangel leiden. Planen Sie hier Maßnahmen?

Wir haben im Westen Österreichs in den meisten Bezirken nach EU-Kriterien Vollbeschäftigung. Die Mobilität in Österreich auf dem Arbeitsmarkt ist aber sicher nicht zufriedenstellend. Wir haben in Ostösterreich Arbeitssuchende im Tourismus gemeldet, die nicht bereit sind, für eine Saison nach Vorarlberg zu gehen. Leute aus Sachsen und Thüringen haben dieses Problem nicht. Das wird auch einer der Ansatzpunkte bei einer Änderung der Zumutbarkeitsbestimmungen sein. Zudem werden wir in den nächsten Monaten den Arbeitsmarkt gegenüber den neuen EU-Mitgliedsstaaten für Fachkräfte bedarfsweise öffnen.

VN: Zu den Zumutbarkeitsbestimmungen: Soll es künftig einem arbeitslosen Wiener also zumutbar sein, eine Stelle im Montafon anzunehmen.

Ja, wenn er oder sie keine Betreuungspflicht für ein Kind hat.

VN: In Vorarlberg sperrt ein Textilunternehmen nach dem anderen zu, jetzt ist „Wolff“ insolvent.

… das war dem Herrn Wolff anzusehen, dass das ein sehr, sehr schwerer Schritt für ihn war.

VN: Wird schon bald der letzte Industriearbeitsplatz verschwunden sein?

Nein, Europa und Österreich werden weiter ein Industriestandort sein. Dabei wird es allerdings wichtig sein, Rahmenbedingungen wie Energiekosten und Verwaltungsvorschriften so zu gestalten, dass die Industrie wettbewerbsfähig bleibt. Das heißt nicht, dass alle Industriezweige auf alle Ewigkeit bestehen werden. Restrukturierungsprozesse wird es immer geben. In den letzten Jahren war vor allem die Textilindustrie davon betroffen. Es hat sich gezeigt, dass es nichts bringt, jeden einzelnen Arbeitsplatz mit aller Gewalt zu schützen, sondern die Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen zu erhalten, damit dieser weiter vermittelt werden kann.

VN: Was nun speziell die „Wolff“-Mitarbeiter betrifft, so hat das Land eine Stiftung angekündigt. Wird sich der Bund daran beteiligen?

Der Bund ist durch das AMS (Arbeitsmarktservice) dabei. Das ist gelebte Routine: Diese Arbeitsstiftungen werden in solchen Fällen immer eingerichtet, sie haben sich als Rückhalt bewährt; im Regelfall finden die meisten Arbeitskräfte eine neue Stelle.

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