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Die Demonstration am 16. Jänner in Wien war von Ausschreitungen überschattet.
Die Demonstration am 16. Jänner in Wien war von Ausschreitungen überschattet. ©Foto: APA

Wiener Großdemo: Zwischen Antifa und Querdenkern – ein Vorarlberger berichtet

Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Valentin* war Teil jener Sitzblockade, die bei der "Corona-Maßnahmen-Kritiker"-Großdemo in der Bundeshauptstadt von der Polizei aufgelöst wurde. Den Vorwürfen von übertriebener Polizeigewalt widerspricht Markus Dittrich, Polizeisprecher aus Wien, gegenüber VOL.AT.

Mehrere Medien berichteten anlässlich der Großveranstaltung am 16. Jänner in Wien von Ausschreitungen zwischen Polizeikräften und antifaschistischen Gruppierungen, die sich dem Demonstrationszug entgegenstellten. Unter den Aktivisten befand sich auch ein Mitglied der Sozialistischen Jugend Vorarlberg, die das Vorgehen der Polizei schärfstens verurteilt. "Antifaschistische GegendemonstrantInnen mit Hunden durch den Stadtpark zu jagen, ist absolut inakzeptabel", so Landesvorsitzende Katharina Peter. "Das gilt erst recht, wenn die Polizei gleichzeitig zehntausende VerschwörungstheoretikerInnen und Rechtsextreme ohne Masken durch die Stadt ziehen lässt. Dass Verschwörungstheorien bei der Polizei auf Verständnis stoßen, ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass seit Jahrzehnten nicht gegen Rechtsextremismus und Rassismus bei der Polizei vorgegangen wird. Die ganze Situation ist aber nur das i-Tüpfelchen auf einer desaströsen Gesamtstrategie der Regierung – oder besser, dem Fehlen einer Strategie. Stattdessen gibt es Polizeigewalt und freie Bahn für Rechtsextreme."

Auflösung von Sitzblockaden. Foto: APA

"Die Brutalität war schockierend"

Ebenfalls unter den Aktivisten, die sich an der von der Polizei gesprengten Blockade beteiligten, befand sich Valentin. Auf einem Video, das VOL.AT vorliegt, ist unter anderem zu sehen wie die Polizei einen Demonstranten festnimmt und andere mit Hunden in Richtung Park drängt. "Für uns war die Lage mehr als beängstigend. Wir sahen uns mit einer Hundertschaft von Polizeibeamten konfrontiert, die unsere Blockade mit Gewalt aufgelöst haben. Zuerst wurden wir eingekesselt und einzelne Leute in Gewahrsam genommen. Im Anschluss trieben uns die Polizisten mit Hunden in den Stadtpark und schließlich in die Innenstadt. Polizeihubschrauber, Sirenen, Blaulicht – dazwischen immer wieder Auseinandersetzungen mit der Exekutive, die uns mit Schlagstöcken attackierten. Am Schluss wurden wir in eine Sackgasse getrieben, fixiert und auch angezeigt. Die Brutalität war schockierend", erzählt der Gegendemonstrant.

*Name der Redaktion bekannt

Eine Handy-Aufnahme von Valentin* aus dem Kreis der Antifa.

Wiener Polizeisprecher relativiert

In der VOL.AT vorliegenden Polizeiaussendung wird die Situation folgendermaßen geschildert: "Auf der Marschroute am Ring kam es zu mehreren Blockaden im Bereich des Wiener Stadtparks, die durch das zügige Einschreiten der Polizei rasch aufgelöst werden konnten. Dabei wurde eine Person wegen des Verdachts des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen. Zwei weitere Festnahme wurden im Bereich des Äußeren Burgtors und der Landespolizeidirektion Wien wegen des Verdachts des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt vollzogen. Weiters erfolgten insgesamt drei Festnahmen wegen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt, 17 Festnahmen nach dem Verwaltungsstrafgesetz, 14 Anzeigen wegen strafrechtlicher und 296 Anzeigen wegen verwaltungsrechtlicher Delikte."

In der Aussendung zieht die Wiener Polizei Bilanz.

Gegenüber VOL.AT äußert sich Markus Dittrich, Pressesprecher der Wiener Polizei, detailliert über die Vorgänge.

VOL.AT: Wie reagieren Sie auf die Vorwürfe der Gegendemonstranten aus dem Umkreis der Antifa, man habe ihre „Sitzblockade“ mit unverhältnismäßigen Mitteln aufgelöst?

Kontrollinspektor Markus Dittrich: Die Hauptaufgabe der Polizei ist es, den reibungslosen Ablauf einer Demonstration und ihrer dazugehörigen Route zu gewährleisten. Sitzblockaden sollen dezidiert solche Routen unterbrechen. Um hier jegliches Konfliktpotential zu vermeiden, wurden und werden solche Blockaden nach der bewährten 3D-Philosophie (Dialog und Deeskalation, danach kommt das Durchsetzen) aufgelöst. Das heißt, die Polizei versucht zuerst die Teilnehmer einer Sitzblockade mittels Durchsagen und direkten Ansprechen zum selbstständigen Auflösen zu bewegen. Schlussendlich muss aber, um den ordnungsgemäßen Ablauf der Demonstration zu gewährleisten, eine Sitzblockade mit Anwendung von Körperkraft aufgelöst werden.

VOL.AT: Einige Teilnehmer mussten im Spital behandelt werden. Mit wie viel "Widerstand" waren die Beamten in dieser Situation konfrontiert? Inwiefern kamen dort Polizeihunde zum Einsatz, einige Teilnehmer behaupten, man habe sie mit "Hunden durch die Stadt gejagt"?

Kontrollinspektor Markus Dittrich: Da es sich hierbei um laufende strafrechtliche Verfahren handelt, werden diese nicht weiter kommentiert. Am 16. Jänner waren Beamte der Polizeidiensthundeeinheit im Einsatz. Ein "Jagen von Demonstrationsteilnehmer" ist keine adäquate polizeiliche Taktik und uns sind diesbezüglich keine Vorfälle bekannt.

VOL.AT: Gab es gegen Beamte Anzeigen/Suspendierungen wegen der oben angeführten Vorwürfe?

Kontrollinspektor Markus Dittrich: Suspendierungen von Beamten rund um die Demonstration sind uns nicht bekannt. Personen, die beamtshandelt worden sind, steht es frei, Beschwerden bei Verletzung ihres subjektiven Rechtes bzw. gegen die Richtlinien des Einschreitens zu äußern. Diese Frist beläuft sich auf sechs Wochen. Anzeigen gegen Beamte zu den oben angeführten Vorwürfen liegen uns nicht vor.

VOL.AT: Laut dem Innenministerium wird die Exekutive nun verstärkt auf sogenannten „Corona-Demos“ kontrollieren. Welche Maßnahmen stehen hier im Raum?

Kontrollinspektor Markus Dittrich: Grundsätzlich ist es nach wie vor die Hauptaufgabe der Polizei, für einen reibungslosen und ordnungsgemäßen Ablauf jeder Demonstration zu sorgen. In weitere Folge trägt die Polizei auch maßgeblich zu Eindämmung der Covid-Pandemie bei und wird diesbezügliche Verwaltungsübertretungen (MNS, Mindestabstände) gemäß den aktuell geltenden Covid-Verordnungen restriktiv zur Anzeige bringen.

Grüne mit Anfrage an Innenminister Nehammer

Die Großdemo der "Corona-Kritiker" schlug österreichweit hohe Wellen. Vertreter aller Lager äußerten sich zu den Vorgängen. Einerseits wurde die Nähe der Organisatoren zur extremen Rechten thematisiert, andererseits steht das Prinzip der freien Meinungsäußerung und dem Demonstrationsrecht in einer freien Demokratie der epidemiologischen Situation in Österreich gegenüber.

Innenminister Karl Nehammer ©AP

Die Ausschreitungen sind aktuell auch Gegenstand einer VOL.AT vorliegenden, parlamentarischen Anfrage der Grünen an Innenminister Nehammer, die das Vorgehen der Polizei an diesem 16. Jänner in Wien hinterfragt.

Die Anfrage der Grünen an den Innenminister.
In der Anfrage wird auch der Einsatz der Polizei hinterfragt, sowie das Verhalten der Exekutive gegenüber gewaltbereiten Rechtsextremen.

Alle News zur Corona-Pandemie auf VOL.AT

(VOL.AT)

Hinweis der Redaktion: Valentin* - Name der Redaktion bekannt

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