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Wien: Eröffnung des fünften "Wiener Humanitären Kongresses"

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) fordert mehr politischen Einsatz in humanitären Krisen.
Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) fordert mehr politischen Einsatz in humanitären Krisen. ©APA/Hans Punz
Am Freitag wurde der fünfte "Wiener Humanitäre Kongress" eröffnet. Außenministerin Kneissl wies darauf hin, dass humanitäre Hilfe kein Ersatz für Entwicklungshilfe sei.
Humanitärer Kongress in Wien

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) fordert mehr politischen Einsatz in humanitären Krisen. “Humanitäre Hilfe darf nicht als Ersatz für Entwicklungshilfe gesehen werden, die politischen Lösungen sind das Wichtigste”, sagte sie am Freitag im Zuge der Eröffnung des fünften Wiener Humanitären Kongresses.

“Über 131 Millionen Menschen brauchen weltweit humanitäre Hilfe”, fuhr Kneissl fort. Humanitäre Maßnahmen könnten mit diesen Situationen allein nicht fertig werden. “Humanitäre Krisen dauern länger und sind demnach finanziell anspruchsvoller”, so die Außenministerin. Sie forderte außerdem, die Probleme beim Namen zu nennen: “Kriege sind Kriege und die müssen beendet werden.”

Kritik von “Globale Verantwortung”: Österreich gebe wenig für humanitäre Hilfe aus

Annelies Vilim, Direktorin der NGO “Globale Verantwortung”, kritisierte hingegen, dass Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern wenig finanzielle Mittel zur humanitären Hilfe beitrage. “Wir fordern hier eine Verbesserung”, erklärte sie. “Nicht die Werte der humanitären Hilfe, sondern die Ansätze müssen angepasst werden”, fuhr sie fort. ” Unsere Werte werden angegriffen und humanitäre Hilfe wird teils in ihrer Gesamtheit infrage gestellt. Wir brauchen Politiker, die die Menschenrechte und die humanitäre Hilfe verteidigen und diese nicht untergraben”, so Vilim. Ansonsten bewege man sich zurück in ein “dunkles Zeitalter”.

Vilim sprach sich besonders für die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) aus. Nur zusammen mit einer starken Zivilgesellschaft könne eine nachhaltige Zukunft der humanitären Hilfe sichergestellt werden. “Ein Menschenleben ist immer gleich viel wert, egal wo die Menschen leben. Humanitäre Hilfe ist kein Almosen, sondern ein Menschenrecht”, betonte sie.

2018: Millionen Leben konnten gerettet werden

Mark Lowcock, UNO-Unter-Generalsekretär für humanitäre Angelegenheiten und Notfallhilfekoordination, erklärte, dass die humanitäre Hilfe im vergangenen Jahr 100 Millionen Menschen erreicht und Millionen Leben gerettet habe. Wenn die Not gut kommuniziert werde und erklärt werde, dass das Geld gut eingesetzt werde, sei es möglich, umfassende finanzielle Mittel aufzubringen.

Besonders die Situation im Jemen sei eine Herausforderung. Dort seien 2,6 Milliarden Dollar (2,32 Mrd. Euro) für humanitäre Hilfe investiert worden. “Wir haben dort jeden Monat zehn Millionen Menschen mit Nahrung versorgt und die Cholera bekämpft. So haben wir die potenziell größte humanitäre Krise unserer Zeit abgewendet”, berichtete er. Die großen Herausforderungen seien die großen Konflikte, die Flüchtlingsströme auslösten, Klimakatastrophen und deren Folgen, für die Lowcock eine allgemeine Versicherungspolitik vorschlug.

Zudem sei “die Kombination aus Bevölkerungsexplosion, Klimawandel, Regierungsproblemen und versagender Politik” für “große Probleme mit vielen Flüchtlingen” verantwortlich. “Momentan wird mit Flüchtlingshilfe und militärischen Eingriffen nur gegen die Symptome vorgegangen, aber die eigentlichen Gründe werden nicht angegangen. Wenn nur die Symptome behandelt werden, wird alles noch schlimmer”, erklärte Lowcock.

Kneissl beklagt “radikale Veränderung” in Bezug auf Kriegsgefangene

Laut Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) hat sich seit dem 11. September 2001 das Verständnis von Kriegsgefangenen radikal verändert. “Wenn wir keinen klaren legalen Rahmen haben, müssen wir auf das öffentliche Gewissen zugreifen, aber auch das hat sich stark verschlechtert”, sagte sie am Freitag während einer Podiumsdiskussion im Rahmen des fünften Wiener Humanitären Kongresses.

So würden die rechtlichen Regeln, an die sich Soldaten im Einsatz halten müssten, für Milizen nicht zutreffen. “In den 90ern im Libanon hatten die Milizen noch Tabus, die es heutzutage nicht mehr gibt”, erklärte Kneissl. “Warum muss man den Leuten erklären, dass Frauen nicht vergewaltigt werden dürfen?”, beklagte sie.

Die Außenministerin beklagte auch die Hürden für die humanitäre Hilfe in Syrien. “Ist das Reparieren der Wasserleitungen vor Ort schon Wiederaufbau, oder humanitäre Hilfe?”, fragte sie. Diese Feinheiten in Bezug auf die Berechtigung internationaler Unterstützung sei ein “semantisches Spiel, das ich nicht spielen will”. “Es geht darum, Ergebnisse zu erzielen”, unterstrich sie. Außerdem forderte sie mehr Präventionsarbeit: Es sei sinnvoller, in einigen Regionen die Minen zu räumen, als nur die medizinischen Möglichkeiten für Amputationen bei Minenopfern zur Verfügung zu stellen.

“Man darf die Menschen auch nicht nur als Opfer sehen, sondern ihnen auch die Möglichkeiten geben, sich selbst zu helfen”, schlug Kneissl vor. Ähnliches forderte Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes: ” Man muss schauen, ob man ein humanitäres System finanzieren soll, oder die Menschen dabei unterstützen soll, dieses System durch Förderung ihrer Autonomie zu verlassen”, erklärte er. Der “Weg von Abhängigkeit zur Unabhängigkeit” sei also der Unterschied. “Wir müssen das Potenzial der Menschen auch ausnutzen”, so Maurer. Stattdessen würden keine Innovativen Lösungen angewandt, die auf die Problematik vor Ort zugeschnitten seien.

Kardinal Tangle: Gemeinschaften müssen auch vor Ort unterstützt werden

Für Kardinal Luis Antonio Tangle, Direktor von Caritas International, darf sich humanitäre Hilfe nicht nur auf Nothilfe beschränken, sondern muss auch Gemeinschaften vor Ort unterstützen. “Die Einbindung der Betroffenen und Armen ist wichtig, denn dies fördert die Möglichkeiten in Bezug auf Solidarität und Zusammenarbeit vor Ort”, erklärte er. Es gehe darum, “das Herz dafür zu öffnen und zu sensibilisieren”. “Darum ist auch interreligiöser Dialog notwendig, der die Werte eruiert, die in allen Religionen vorhanden sind und für die gesamte Menschheit gelten sollten”, betonte er.

Der Kardinal erinnerte daran, dass betroffene “Menschen sind nicht nur Zahlen, sondern auch Menschen, die in Würde leben sollten” seien. “Darum kann es nicht sein, dass Rüstungsausgaben erhöht werden und Waffen in Krisengebiete geliefert werden können, aber die humanitäre Hilfe draußen bleiben muss”, kritisierte er.

(APA/Red)

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