Wie war das in einer Welt fernab von Smartphones und digitalen Medien aufzuwachsen? Und wie ist es heute, wenn es ganz normal ist, seinen gesamten Alltag mit der Welt zu teilen? Was bedeutete Freiheit in den 60ern und wovon träumen Frauen heute?
Vom Wald in die Welt.
1987 verändert sich das Leben der jungen Marielle von jetzt auf gleich. Mit 18 wird die Bregenzerwälderin zur Miss Austria gewählt. Von Mellau geht es für sie auf die Laufstege internationaler Modemetropolen und das ganz ohne Verbindung zur Heimat, denn Handys oder Social Media das gab es damals nicht. Ein kurzer Anruf, mehr war nicht drin. Was es bedeutet als junges Mädchen Großstadtluft zu schnuppern, durfte Oma Sonja selbst erleben. Wie es der Zufall will, wird Sonja mit 17 Jahren eine Aupair-Stelle in der Nähe von Paris angeboten. Sie solle einspringen für ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Kurzerhand bricht sie ohne ein Wort Französisch im Gepäck nach Paris auf. „So schwer es erstmal war, ist Oma Sonja heute sehr dankbar für die zu damaligen Zeiten besondere Lebenserfahrung im Ausland. „Darum heißt Marielle auch so. Jetzt wisst ihr das auch!“, lacht Frau Moosmann. Gespannt hören Mira und Leah zu, wenn Oma von den Pflichten im fernen Paris berichtet: „Tagsüber habe ich aufgeräumt, gewaschen und geputzt und abends Französisch gelernt. 20 Schilling Taschengeld durfte ich behalten, den Rest hab ich heimgeschickt.“ „Unglaublich Oma!“ staunt Mira, als ihr bewusst wird, wie revolutionär und doch eingeschränkt so eine Aupair-Zeit in den 60ern noch war und wie selbstverständlich man heute sein Leben gestaltet. „In meiner Jugend hat man sich nicht einfach einen Beruf ausgesucht, sondern man hat jenen erlernt, den der Vater bestimmte. Man hat gehorcht, wenig hinterfragt und seine Aufgaben erledigt. Das ist heute anders.“ Heute sind die Töne sanfter, aber das Leben nicht weniger herausfordernd, sind sich die Damen einig. „Verlässlichkeit war meiner Mama immer sehr wichtig“, erzählt Marielle. Das durfte ich schon mal auf die harte Tour erleben. Einmal habe ich mich verspätet, da war die Haustüre zu und ich musste bei den Nachbarn ausharren, bis Mama mir verziehen hatte. Heute können sie darüber lachen, damals war es für beide eine ernste Sache.
Marielle verbrachte ihre Ferien als Kind oft in Zürich und träumte am Flughafen von der Ferne ihr Inbegriff von der Freiheit. Die Träume ihrer Töchter sind heute andere. Mira, die ältere der beiden ist im Museum Arche Noah in Hohenems tätig und lässt sich gerne von Lyrikerin Patti Smith inspirieren. Sie träumt von einer Welt, in der niemand aufgrund des Geschlechts benachteiligt wird, frei entscheiden kann und keine Gewalt erfährt. Mit dieser Anschauung ist sie ganz bei ihrer Schwester Leah. Leah studiert Landschaftsarchitektur in Wien und denkt gern an ihre Kindheit zurück. „Unvorstellbar, als man am Flughafen war, um von der Welt zu träumen, anstatt sie zu bereisen.“ Vieles hat sich in den Jahren verändert, auch die Sichtweisen. Schönheitswettbewerbe haben mittlerweile einen anderen Stellenwert - zurecht gibt Marielle zu. „Letztlich geht es heute wie damals ums Sehen und Gesehenwerden. Die Misswahl war unser Instagram – es war die einzige Möglichkeit, wie sich Mannequins der Öffentlichkeit präsentieren konnten.“ Eine Sache, da sind sich die Damen aller Generationen einig, hat sich noch nicht genug verändert, nämlich hin zum Gleichen. „Es macht mich wütend, dass 2023 Gleichstellung noch immer keine Selbstverständlichkeit ist. Da gibt es noch viel zu tun.“ Wer weiß, vielleicht ist es ja soweit, wenn Marielles jüngste Tochter Mavie (8) groß ist.