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Wenn Zeugen Rache fürchten

Bregenz/Feldkirch/VN - Die 29-jährige Frau will aussagen. Sie will bestätigen, dass ihr später erschossen aufgefundener Freund Bekir C. von ihrem eigenen Vater geschlagen und in dessen Auto gezerrt wurde, dass Papa keinen Herrenbesuch duldete, sie jung mit einem Verwandten verheiratete, ihr Kopftuch und strengen Lebenswandel vorschrieb.
Schutz vor der eigenen Familie

Somit steht sie gegen den Rest der Familie. Und sie hat Angst. Grund genug sie ins Zeugenschutzprogramm aufzunehmen, befand die Polizei. Anspruch auf Zeugenschutz hat niemand. Die Staatsanwaltschaft kann ihn auch nicht anordnen. „In diesem Fall hat sich die Polizei von sich aus nach den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes dafür entschieden“, bestätigt Heinz Rusch, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Feldkirch, in der Causa des ermordeten Bekir C. Was Zeugenschutz genau ist, steht nirgends explizit geschrieben. Von Geheimhaltung der Daten über Umzug in ein anderes Land bis hin zu einer neuen Identität ist alles möglich. Letzteres kennt man allerdings mehr aus Filmen. Denkbar wäre es aber – beispielsweise bei Menschenhandel oder organisierter Kriminalität. Besonders wichtige Zeugen können theoretisch auch bewacht werden, wenn es Anzeichen gibt, dass sie bedroht und eingeschüchtert werden. Da diese Maßnahmen allesamt sehr personalintensiv und teuer sind, wird damit allerdings sparsam umgegangen.

Einzelfallabhängig

Welchen Schutz ein Zeuge benötigt, hängt davon ab, woher Gefahr droht. Die Bekannte von Bekir C. fürchtet sich vor den eigenen Angehörigen. Deshalb wurde sie an einem unbekannten Ort untergebracht. Ganz anders schützte man bei einem Prozess vor zehn Jahren einen Mann der als einziger bezeugen konnte, dass ein angeklagter PKK-Sympathisant der gesuchte Räuber war. Der Täter, der in Dornbirn als Mitglied einer Bande im Lokal Ali Baba mit Gewehrkolben brutal Leute niederschlug und gefangen hielt, konnte dadurch zu acht Jahren Haft verurteilt werden. Der Zeuge, selbst Überfallener, erschien mit Perücke, Schildkappe und Sonnenbrille im Saal. Er erinnerte in seinem bunten Aufzug an Fasching, blieb so anonym und allein darauf kam es an. Auch wenn es den „Zeugenschutz“ wie im Film in der Praxis selten gibt, hat das Gesetz andere Möglichkeiten zur Verfügung. In Strafverfahren sind Zeugen häufig auch Opfer. Sie werden angehalten, sofort Anzeige zu erstatten, falls ihnen gedroht wird. Dann muss der Täter zusätzlich mit einem Verfahren wegen gefährlicher Drohung oder Nötigung rechnen. Der Zeugenschutz à la Hollywood ist also rar und wird vom Bundeskriminalamt in Wien nur in ganz wenigen Fällen angeordnet.

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