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Wenn die Bürger entscheiden

Grünen-Klubobmann Johannes Rauch, 52
Grünen-Klubobmann Johannes Rauch, 52 ©VOL.at
Bregenz - Ist die direkte Demokratie in Vorarlberg gut ausgebaut? Gögele und Rauch sind uneins.

Der Landtag verabschiedet am Mittwoch ein Demokratiepaket. Bringt dieses Paket auch wirklich Verbesserungen?

Gögele: Ja. Die Zugangshürden für die Abhaltung von Volksbefragungen und Volksabstimmungen sowie die Behandlung von Volksbegehren werden herabgesetzt. Je mehr Stimmberechtigte, desto geringer ist die erforderliche Anzahl von Unterstützenden: für die ersten 1500 sind es 20 Prozent, für die zweiten 1500 dann 15 Prozent, darüber hinaus nur noch zehn Prozent.

Rauch: Einige kleine Erleichterungen, um zu einer Volksabstimmung zu gelangen, sind kein „Demokratiepaket“ – sondern ein Minimalschritt, den nur die ÖVP für einen Meilenstein hält. Wir sind damit ganz und gar nicht zufrieden und werden einen neuen Anlauf für weitreichendere Verbesserungen unternehmen.

Werden die Bürger in Vorarlberg künftig in ausreichendem Maße gehört?

Gögele: Auch Volksbegehren werden verbindlicher. Werden sie von politischen Gremien – der Gemeindevertretung, dem Landtag – abgelehnt, führen sie bei entsprechender Unterstützung (in der Gemeinde 25 Prozent, im Land zehn Prozent der Stimmberechtigten) zwingend zu Volksabstimmungen. Das ist eine wesentliche Verbesserung.

Rauch: Nein. Und das ist fatal. Das führt zuerst zu Frust, dann zu Verdruss und schließlich zu Gleichgültigkeit. Und Gleichgültigkeit ist das Schlimmste, was einer Demokratie passieren kann. Es geht auch nicht nur um „hören“, sondern darum, umzusetzen, was eine Mehrheit will – sofern es auf dem Boden der Verfassung und der Menschenrechte steht.

Müssten die Zugangshürden, etwa für Volksbegehren, weiter gesenkt werden?

Gögele: Die Erfahrung zeigt, dass bereits bei den derzeit gültigen Regelungen überall dort, wo ein Thema die Leute stark bewegt, genügend Unterstützung zustande kommt. Die neuen Regelungen bringen deutliche Erleichterungen. Die Praxis wird zeigen, ob es in absehbarer Zeit weiterreichende Anpassungsnotwendigkeiten gibt. Rauch: Das Volksbegehren in der jetzigen Form ist tot, es bewegt genau null. Darum sind die Leute auch so schwer zum Unterschreiben zu bewegen. Wir sollten uns die Schweiz als Vorbild nehmen. Dort gilt: niedrige Hürden, man kann Unterschriften sammeln, wo immer man möchte, hat man eine bestimmte Anzahl beisammen, muss verpflichtend abgestimmt werden. Aus der Initiative kann so letztlich ein Gesetz werden. Oder ein vom Parlament beschlossenes Gesetz kann beeinsprucht und außer Kraft gesetzt werden.

Ist direkte Demokratie in der Vorarlberger Politik denn wirklich erwünscht?

Gögele: Auf jeden Fall. Mancherorts finden Planungsprozesse für wichtige Bauprojekte mit Bürgerbeteiligung statt. Auch Bürgerräte – nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Frauen und Männer bearbeiten ein besonderes Thema – gewinnen als Empfehlung für die Politik an Bedeutung.

Rauch: Schaut man sich die Praxis an, hat man Zweifel. Manche fürchten sich ziemlich davor, das Volk entscheiden zu lassen – es könnte ja klüger sein als die Regierung. Zur Ehrenrettung muss man sagen, dass die Gemeinden noch eher zu einer Volksabstimmung bereit sind als das Land. Ich würde zum Beispiel gerne über „Bioland Vorarlberg“ abstimmen lassen. Oder über mehr Kinderbetreuungsplätze und Ganztagsschulen.

Bitte ein konkretes Beispiel: Welches Thema auf kommunaler Ebene soll von Bürgern entschieden werden?

Gögele: Das entscheiden die Leute vor Ort, und das soll so bleiben. Da sind Zurufe nicht angemessen. Die jüngsten Beispiele zeigen, dass die Palette breit ist: das Heimatmuseum in Schruns, das Turnsportzentrum in Schlins, die Welle in Bregenz.

Rauch: Was Vorrang in der Budgetnot hat: Das kann die Sanierung oder der Bau von Altersheimen, Kindergärten, Schulen – oder ein neuer Gemeindesaal sein. Das kann aber auch die Frage betreffen, ob sich zwei Gemeinden ein Feuerwehrhaus teilen sollen. Grundsätzlich soll über alles entschieden werden, was zwei Prozent der Wahlberechtigten – so unsere Vorstellung von „Hürden senken“ – begehren. Auch hier gilt: Fürchtet euch nicht, schaut euch die Schweizer Gemeinden an!

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