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Wenn das Volk entscheidet

Bregenz – Volksabstimmungen werden erleichtert. Bis jetzt stellten sich Vorarlberger nur ein Mal gegen Landespolitik.

Ende 2010 sagten alle Vorarlberger Parteien Ja zu mehr direkter Demokratie in Vorarlberg. Jetzt wird die Landesverfassung dazu geändert, um die Hürden etwa für Volksabstimmungen zu senken. Noch bis Ende August können alle Bürger dazu Stellungnahmen schicken. Dass diese zahlreich einlangen werden, glaubt Landesrat Siegi Stemer allerdings nicht. Schließlich ziehen hier alle Parteien an einem Strang. Frühestens Anfang 2012 treten die Änderungen in Kraft.

Per Abstimmung zur Schweiz

Die Möglichkeit, die Instrumente der direkten Demokratie zu nutzen, wurde von den Vorarlbergern bisher aber nur selten in Anspruch genommen. Insgesamt fanden bislang drei Volksabstimmungen auf Landesebene statt. Seit März 1919 hat Vorarlberg eine Landesverfassung und konnte damit auch als erstes Bundesland Volksabstimmungen durchführen. Dazu kam es kurze Zeit später: Im Mai beantworteten 80 Prozent der Vorarlberger folgende Frage mit Ja: „Wünscht das Vorarlberger Volk, dass der Landesrat der Schweizer Bundesregierung die Absicht des Vorarlberger Volkes, in die schweizerische Eidgenossenschaft einzutreten, bekannt gebe und mit der Bundesregierung in Verhandlungen trete?“ Es blieb allerdings bei dem Wunsch der Vorarlberger. Die Grenzen wurden nicht verschoben.

Ein vom Landtag beschlossenes Gesetz wurde nur ein einziges Mal, 1957, mittels eindeutiger Mehrheit von den Vorarlbergern abgelehnt: Das Betriebsaktionenverbotsgesetz, das gemeinsame, große Warenbestellungen von Unternehmen, die einen Entgang an Steuergeldern bedeuteten, untersagte. Die Wahlbeteiligung war mit 93 Prozent außergewöhnlich hoch, und die Meinung klar: 68 Prozent votierten gegen das Verbot. Bei der Abstimmung ging es aber mehr ums Prinzip als um die Sache: Darum, wie viel Regulierung und wie viele Gesetze überhaupt nötig sind. „Jeder Stimmberechtigte wird jetzt gleichsam selbst in den Rang eines Landtagsabgeordneten erhoben“, schrieb Landeshauptmann Ulrich Ilg damals in einem Gastkommentar in den Vorarlberger Nachrichten.

Die Bevölkerung auf seine Seite ziehen konnte er jedoch nicht. Die dritte Abstimmung „Pro Vorarlberg“ wurde 1980 vom Landtag beschlossen: Ziel war die „Stärkung der Stellung des Landes und der Gemeinden“. 69 Prozent waren dafür. Auf Landesebene gab es zudem zwei Volksbefragungen: zu den Ladenschlussregelungen 1972 und zum Lkw-Nachtfahrverbot 1989. Dazu kamen vier Volksbegehren, zuletzt „für einen kompetenteren und kostengünstigeren Landtag“ 2004.

„Welle“ und Turnsportzentrum

Stärker genutzt wurden die Möglichkeiten der direkten Demokratie in letzter Zeit in den Gemeinden. Rund 30 Volksabstimmungen wurden bislang durchgeführt. Jüngste Beispiele: In Bregenz sprachen sich die Bürger für das neue Hafengebäude aus, in Schlins gegen das geplante Turnsportzentrum.

Stichwort: Die Gesetzesänderungen

Volksbegehren, die vom Land abgelehnt wurden, müssen einer Volksabstimmung unterzogen werden, wenn zehn Prozent – und nicht wie bisher 20 – der Stimmberechtigten das wollen. Auch auf Gemeindeebene werden die Hürden gesenkt. Wie viele Unterschriften gesammelt werden müssen, um Volksbegehren, Volksabstimmung oder Volksbefragung durchzuführen, ist allerdings je nach Gemeinde unterschiedlich. Bei kleinen Gemeinden unter 1500 Stimmberechtigten bleibt die Hürde bei 20 Prozent. Dann sinkt die Quote kontinuierlich. In der bevölkerungsreichsten Kommune Dornbirn braucht es nur noch 10,7 Prozent. Die Gesetzesentwürfe im Internet: www.vorarlberg.at

Stichwort: Plebiszit

Volksbegehren: Werden für ein Volksbegehren genügend Unterstützungserklärungen gesammelt, muss die Politik das Thema behandeln – je nach Ebene etwa das Parlament oder die Gemeindevertretung. Das Ergebnis ist rechtlich nicht bindend. Entscheiden können die politischen Vertreter, wie sie wollen.

Volksabstimmung: Die Bürger der Gemeinde stimmen über ein Anliegen ab. Das Ergebnis ist verbindlich, der Gesetzgeber muss sich also dem Willen der Bevölkerung fügen. Ein Bürgermeister kann eine Volksabstimmung auch selbst anordnen, etwa wenn die Gemeindevertretung einen Beschluss gegen den Antrag des Bürgermeisters fasst.

Volksbefragung: Sie dient dazu, ein Stimmungsbild der Bevölkerung einzuholen. Das Ergebnis ist jedoch nicht bindend, das Thema muss nirgends weiter behandelt werden.

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