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Wenn das beste Argument zählt

Lisa Praeg, B.A., Mag.a Anja Sagara Ritter (vl)
Lisa Praeg, B.A., Mag.a Anja Sagara Ritter (vl) ©Edith Rhomberg
 Anja Sagara Ritter und Lisa Praeg finden die Soziokratie ein gutes Konzept für Entscheidungsfindungen.
Soziokratie in der Gelben Fabrik

 

Dornbirn. Die Gelbe Fabrik ist ein Ort für Coworking in Dornbirn. Das besondere Flair in den alten Mauern ist ein fruchtbarer Ort für kreative Menschen und Start-ups. Hier haben die Prozess-Begleiterinnen und Coachs Anja Sagara Ritter (geboren 1977) und Lisa Praeg (geboren 1991) das Umfeld gefunden, wo sie neue Konzepte für partizipative Entscheidungsprozesse erarbeiten, die sie mit ihren Klienten umsetzen. Ob die Frauen einzeln oder im Team arbeiten: ihre bevorzugte Methode heißt Soziokratie. Warum sie inzwischen dafür brennen, wie Soziokratie überhaupt funktioniert und was sich damit verändern kann, haben sie der VN-Heimat erzählt.

Wie Entscheidungen getroffen werden

„Normalerweise gibt es überall dort, wo Menschen Entscheidungen zu treffen haben, also in einer Firma, einem Verein, im Schulwesen oder in der Politik, am Ende Gewinner und eben auch Verlierer“, sagt die Philosophin Anja Sagara Ritter. Sie befasst sich beruflich seit dem Jahr 2001 mit Moderation, Training und Prozessbegleitung. „Das oft angewandte demokratische Prinzip lässt bekanntlich die Mehrheit einer Gruppe obsiegen. Die Minderheit steht somit als Verlierer da. Das ist nicht fair, und der langfristige Erfolg dieser Art der Machtverteilung bleibt vielfach aus“, wissen Ritter und Praeg aus ihrer Praxis. Sie erklären auch, warum das so ist.

„Bei einem knappen Abstimmungsergebnis heißt das zum Beispiel, dass 51 Menschen die Mehrheit sind und nur zwei weniger, also 49, die Minderheit“, sprechen sie das Kernproblem an. „Das Nicht-zustimmen von fast der Hälfte der Gruppe ist die Folge. Und die Unwissenheit, warum sich die einzelnen Beteiligten überhaupt der einen oder der anderen Meinung angeschlossen haben, lässt außerdem Fragen offen. Denn ein Grund, oder das entscheidende Argument für die persönliche Wahl des Einzelnen, wird meist weder er- noch hinterfragt. Fatal ist das Ergebnis dann, wenn Menschen ihre Stimme beliebig abgeben oder, noch schlimmer, wenn Entscheidungen trotz fehlender Information getroffen werden.

Das Prinzip der Soziokratie

„Soziokratie bedeutet: Wir entscheiden gemeinsam“, sagt Anja Sagara Ritter. Das Ziel steht klar im Vordergrund. Es werden alle beteiligten Mitglieder reihum gehört und an der Entscheidung gleichwertig beteiligt. „Einwände werden nicht als Störfaktoren gesehen, sie sind vielmehr wertvolle Beiträge zur Schärfung der Zielsetzung und des nächsten Schrittes“, betont Lisa Praeg. Es bedeutet, dass nicht die Mehrheit entscheidet, sondern alle Beteiligten. Alle werden gehört, Meinungen und Argumente ausgetauscht, bis es die beste, zielführendste Lösung gibt, die alle mitverantworten können. Und die gilt so lange, bis die Gruppe durch Erfahrung es noch besser weiß. Die Mitglieder der Gruppe suchen also nach einem Konsent (nicht zu verwechseln mit Konsens), also einer Entscheidung, die alle mittragen können und niemand einen schwerwiegenden Einwand im Sinne des gemeinsames Zieles hat.

In der Praxis und mit Begleitung erfahrener Berater der Soziokratischen Kreismethode funktioniert diese Art der Entscheidungsfindung sehr effektiv in den verschiedensten Organisationen. Einen Einblick in ihre Erfahrungen mit der Einführung der Soziokratie gaben Mitte Februar ein High-Tech-Unternehmen in Lustenau, eine Kinderklinik im süddeutschen Raum, eine Tierklinik in Rankweil und eine Schweizer Sozialeinrichtung. „Um die Soziokratie und das Konsent-Prinzip zu lernen, bieten wir auch Seminare für Schulleitungen und Lehrkräfte, sowie Personalverantwortliche und Führungskräfte an“, informiert Praeg. Die Rückmeldungen der Teilnehmer sind durchwegs positiv: „Wir lernten, dass jede Stimme wichtig ist“, oder „Konsent ist, wenn du nichts dagegen hast“.

„Und weil das Konzept so zeitgemäß und wirksam wie einfach ist, wird in diesem Jahr ein Kongress in Salzburg stattfinden, der sich an Politikerinnen und Politiker richtet“, so Anja Sagara Ritter. Anmeldungen sind ab sofort möglich: www.soziokratie-politik-kongress.at

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