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Wellen und Weinberge

©Straub
Die Halbinsel Medoc nordwestlich von Bordeaux ist ein besonderes Fleckchen.
Bilder

Schnurstracks ziehen sich die Straßen durch das Land. Endlose Pinienwälder säumen den Weg. Auf der einen Seite liegt eine der bekanntesten Küsten Europas, auf der anderen eines der berühmtesten Weinanbaugebiete: die Halbinsel Médoc. In der Vorsaison trifft man hier nur wenige Urlauber.

Das alte Seebad Soulac

Fast an der Nordspitze der Halbinsel, wo die Gironde in den Atlantik mündet, liegt das alte Seebad Soulac. Schon im 19. Jahrhundert war es als Sommerfrische beliebt. Mehrere hundert alte Villen, viele mit dekorativen Holzverkleidungen im Kolonialstil errichtet, verleihen dem Ort ein unvergleichliches Aussehen. Die Bewohner haben ihren Domizilen Namen wie „Mein Geschenk“ oder „Schöner Aufenthalt“ gegeben. Noch aber warten die meisten Villen auf ihre Mieter. Auf den breiten Straßen parken nur wenige Autos. Alles geht gemächlich seinen Gang. An der Promenade findet man problemlos einen Platz in der Sonne, in der alten Markthalle kann man in aller Ruhe aus dem Angebot an Meeresfrüchten wählen und sich von der Qualität der Médoc-Weine, die angeboten werden, überzeugen. „Eigentlich ist das die richtige Zeit, unsere Region zwischen Wellen und Weinbergen zu besuchen“, weiß Roland Hagen, der vor Jahren den Lebensmittelpunkt aus dem Rheinland ins Médoc verlegt hat.

Ruhe und Natur im Frühjahr

Strandurlauber im Sommer, Weintouristen im Herbst – wer Ruhe und Natur schätzt, sollte im Frühjahr anreisen: „Ein gesundes Klima und milde Temperaturen sind garantiert“, verspricht der Wahl-Franzose. Zwischen den hohen Dünen und den herrschaftlichen Châteaus der Weingüter, zwischen einer fast vollständig unverbauten Küste, die sich im Frühjahr noch angenehm müde präsentiert, und den stillen Orten im Landesinneren bewegt man sich auf historischem Boden. „Es ist die reine Freude, auf den alten Wegen der Jakobspilger zu wandern“, erzählt Pierre Dogneton, Vorsitzender des regionalen Fördervereins für die Jakobspilger-Wege. Wer heute auf diesen Pfaden, die beschildert worden sind, zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sei, tue dies meist zur Selbsterfahrung. Pierre erklärt, dass diese Route vor allem von englischen, normannischen und bretonischen Pilgern gewählt wurde, deren Boote in Soulac vor Anker gingen. Nicht nur die Lage, sondern auch die Basilika Notre-Dame de la Fin des Terres prädestinierte den Ort zum Ausgangspunkt der Strecke zur spanischen Grenze.

Pinien schützen das Land

Dass Urlauber an der Médoc- Küste eines der größten Waldgebiete Europas finden, hat seine Ursache auch in der Versandung. Denn die hohen Pinienbäume, die im 19. Jahrhundert zur Trockenlegung gepflanzt worden sind, schützen das Land vor dem Treibsand. Für Abwechslung sorgen die küstennahen Seen, zahlreiche Naturschutzgebiete und natürlich die Küste selbst, die sich meist hinter hohen Dünen versteckt. Von hier oben fällt der Blick auf fast menschenleere Strände. Ein paar Schirme der ersten Sonnenhungrigen und die Segel der Surfer sorgen für Farbtupfer – ansonsten: Weite, Stille, Einsamkeit. Als markanter Blickfang taucht unweit der Küste der Leuchtturm von Cordouan auf. „Auf die Bootstour zu diesem barocken Riesen sollte man nicht verzichten“, rät Roland Hagen. Kapitän Richard Grass erklärt, dass der Leuchtturm auch Versailles auf dem Meer genannt werde: „In den prunkvoll ausgestatteten Räumen haben schon französische Könige genächtigt.“ Nach der Besichtigung der beeindruckenden, noch in Betrieb befindlichen Anlage kann man sich bei einem Picknick auf einer Sandbank regionale Leckereien schmecken lassen. Ein Gefühl der Erhabenheit beschleicht einen: Vor uns der schier endlose Küstenstreifen, in der Hand ein Glas Médoc-Wein. Da kann es passieren, dass man Kapitän Grass überhört, der zum Aufbruch ruft, weil die Flut naht.

Ein Besuch der Weingüter

Zu einem Urlaub auf der Halbinsel Médoc, deren Namen bei uns ausschließlich an Wein denken lässt, gehört auch in der Vorsaison ein Besuch auf einem der weltberühmten Weingüter. Diese reihen sich an der Straße des Weins rund um das Hafenstädtchen Pauillac an der Gironde. Châteaux illustrer Weindynastien wie Lafite-Rothschild und Mouton-Rothschild, Latour, Margaux und Pichon- Longueville, aber auch unzählige kleinere Betriebe laden – meist nach Voranmeldung – zu Verkostungen. Wer hier keinen Tropfen für sein nächstes Picknick am Strand oder unter Pinien findet, muss Bierliebhaber sein. Die Jakobspilger hätten bestimmt den kleinen Umweg in Kauf genommen.

Der „Kleine Zug“ ist im Sommer wieder unterwegs
Der „Kleine Zug“, der im Sommer zwischen Soulac und Le Verdon verkehrt, wird sich auch in diesem Jahr wieder auf den bekannten Schienenweg machen. Zuletzt wurde noch mit Hochdruck an der Strecke gearbeitet, ab Juli soll es dann wieder losgehen. Aufgrund des Alters der Bahn und der Geleise geht es dabei ganz gemächlich und geruhsam durch die Dünen.

110
Meter hoch ist die „Dune du Pyla“, eine Wanderdüne von 700 m Breite und etwa drei Kilometer Länge. Diese höchste Düne Europas liegt in unmittelbarer südlicher Nachbarschaft der Médoc- Halbinsel. Zwei der größten Binnenseen (Hourtin, Lacanau) Frankreichs liegen ebenfalls in den Dünen.

Die Küste ist noch ein ruhiges Fleckchen
Durch die geringe Verkehrsanbindung ist die Küste zu Ferienzwecken trotz wachsender Bekanntheit noch ruhig. Vor allem Campingplätze und Ferienhaus- Siedlungen erschließen die Dünen zu Urlaubszwecken. In den Kiefernwäldern gibt es zumeist keine durchgehend küstennahe Straßenverbindung – die Küste kann nur durch Stichstraßen erreicht werden.

Eine Kirche im Kampf gegen Wasser und Sand
Notre-Dame ist heute auch ein Symbol für den Kampf gegen Wasser und Sand. In der Kirche aus dem 11. Jahrhundert, die die UNESCO zum Weltkulturerbe zählt, befindet sich das Grab der heiligen Veronika. „Bedeutende Reliquien bestimmten damals die Richtung, die die Pilger eingeschlagen haben“, weiß Pierre Dogneton. Zunächst stand die Kirche so hoch unter Wasser, dass eine Aufschüttung der Fundamente nötig war. Ab dem 16. Jahrhundert fiel sie dem Sand zum Opfer. Erst im 19. Jahrhundert gelang es, die verschüttete Kirche freizulegen. Die unteren drei Meter des Baus, die als zu brüchig angesehen wurden, sind bis heute versandet.

Besichtigungen von Weingütern
Alles rund um den Wein vermitteln die Maisons du Vin in Pauillac und Saint-Estèphe. Besichtigungstipp: Das Château Pichon-Longueville in Pauillac (www.chateaupichonlongueville.com).

Geführte Spaziergänge zu den architektonischen Schmuckkästchen
An der gesamten Küste der Médoc-Halbinsel ist der Bau von Häusern mit mehr als zwei Geschossen verboten. Zwar gibt es auch in Soulac-sur-Mer Ausnahmen, Neubauten werden aber seit einiger Zeit fast ausschließlich im ortsüblichen Stil der Bäderarchitektur von Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet. Das Touristikbüro bietet geführte Spaziergänge durch den historischen Kern an.

Reiseinfos

Bootsfahrten: Richard Grass: www.vedette-laboheme.com (Tickets u.a. in der Rue de la Plage 33, Soulac)
Jakobswege: eine Infobroschüre erhält man bei Soulac-Tourismus. Außerdem gibt es in den Tourist- Informationen einen Faltplan mit dem (Fahrrad-)Wanderwegenetz.
Unterkunft: Hotel „Des Pins“ in L’Amélie bei Soulac, 2-Sterne- Haus in Strandnähe, www.hoteldes-pins.com; Doppelzimmer 54 bis 89 € (Preise bis 9. Juli), hier kann man auch hervorragend essen. Tipp: Nach Halbpensions- Angeboten erkundigen. Hotel „Villa IlotVital“ in Grayan, exklusive Appartements. Tel +33 556 731896, www.ilotvital.com
Weitere Infos: Atout France Deutschland: Tel. 09001 570025 (0,49 €/Min.), www.franceguide.com; Soulac-Tourismus: www.soulac.com, www.littoral33.com.

VN-U.Traub

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