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Wasserrohrbruch im Akademietheater: Macbeth ging baden

Der Shakespeare-Zyklus des Burgtheaters wurde vollendet. Mit wenig Applaus für durchnässte Darsteller auf einer überfluteten Bühne. Und mit Pfiffen und Buh-Rufen für Regisseur Stephan Kimmig, dessen düster-stoische Inszenierung des "Macbeth" gestern, Freitag, im Akademietheater zwischen fahlen Figuren und peinlichen Pointen stecken blieb.

Inhaltlich wurde gestrafft, Macbeth und seine Lady durften am Ende sogar Rollen tauschen – in der glänzend gestylten Dunkelheit des Bühnenbildes von Martin Zehetgruber wurden die wenigen übrigen Charaktere von der Personenregie dennoch ziemlich alleingelassen. Sowie vom Ton, der in den letzten 25 Minuten komplett ausfiel.

Der schottische Adel in Glockenhosen und goldglänzenden Cowboyhüten: Mit schlechten Witzen über den heutigen Krieg zwischen den USA und einem undefinierten arabischen Land hob der Abend an. Mit einer Karikatur der Rede Barack Obamas nach der US-Präsidentschaftswahl aus dem Munde des neuen Königs Malcolm und einem unmotivierten “Vater Unser” endete er. Ob die Aufzwingung von Gegenwartsbezug belustigen oder betroffen machen sollte, wollte sich nicht so recht erschließen. Als Auflockerung für einen sonst weitgehend leblosen Erzählduktus eignete sie sich allerdings kaum.

Martin Zehetgruber hüllt den Bühnenraum in Spiegel, gedunkelte Glaswände und wenige, kalte Lichtstrahlen. Dietmar König als schwächlicher, flugs in neurotische Zwangshandlungen flüchtender Mörder und Birgit Minichmayr als kaltblütige Lady Macbeth wandeln entwicklungslos durch ihr Haus – das gegen Ende offenbar von einem Wasserrohrbruch heimgesucht wird. Der geplagte, schlafwandelnde Macbeth weiß die Überflutung für seinen krankhaften Waschzwang zu nutzen, die Lady lässt sich und schließlich auch ihren toten Gatten auf einem aufblasbaren Sofa über das Wasser gleiten – bis sie von Macduff selbst in ihrem eigenen Fußboden ertränkt wird.

Leider war damit schon der Zenit der Regieeinfälle erreicht. Es sei denn, man rechnet den Rollentausch des Täterpaares hinzu: Bei Shakespeare wird die Lady nach ihrer anfänglichen Position der Anstifterin zur gewissensgeplagten Schlafwandlerin und stirbt noch vor dem Fall des Schlosses. Hier ist es Macbeth, der von seiner Schuld verzehrt wird und eigentlich von Anbeginn im Dahinsiechen begriffen ist, während seine Frau sich bis zum Schluss den Feinden stellt. Ein solcher Eingriff in die Geschichte könnte als Vereinfachung und Profilschärfung der Charaktere ebenso wie die gezielte Textkürzung Platz für eine neue Sicht oder einen ungewohnten Fokus machen. Aber da kommt nichts, und aus Platz wird Lücke.

Neben dem absichtlichen Wasserrohrbruch kam es gestern allerdings auch zu unerwünschten technischen Pannen: Wie das Burgtheater noch in der Nacht in einer Aussendung bekanntgab, fiel der Ton in den letzten 25 Minuten komplett aus, Musikeinspielungen mussten entfallen, das Schlusslied “One Moment in Time”, das “wesentliche Elemente des Regiekonzeptes” getragen hätte, blieb aus. Ob es die emotionalen Hohlräume des Abends gefüllt hätte, sei dahingestellt.

Denn ton- und tatenlos sagt die Männerriege ihren Text schon in der ersten Stunde auf – neben König auch Martin Reinke als Duncan, Markus Meyer als Malcolm, Tilo Werner als Banquo, Markus Hering als Macduff und Sven Dolinski als Fleace. Ohne Dynamik zielt Lady Macbeth auf die Macht: Die allgegenwärtige Schuld wird zwischen den Eheleuten nicht verhandelt, sie wird zum persönlichen Wesenszug, statt zur Konsequenz des Tuns. Gelungen ist Stephan Kimmig ein Dunkelraum, zutiefst durchdrungen von Unwohlsein. Frei von Spektakel, frei von Ergriffenheit. Während er früher im Zyklus mit den “Rosenkriegen” auf sieben Stunden kurzweilig zu bleiben vermochte – wenn er damit auch nicht für großen Besucherandrang sorgte – wird die auf weniger als zwei Stunden gekürzte Fassung des “Macbeth” hier ziemlich lang.

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