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Was passiert mit der Kleidung aus dem Caritas-Sammelcontainer

Die Mitarbeiter im Kleidersortierwerk der Caritas in Hohenems kümmern sich um ein tonnenschweres Problem: Kleidung, die die Vorarlberger nicht mehr brauchen.

Ein kurzer prüfender Blick und das Urteil ist gefällt: Der Wollmantel wandert in die Box für das Recycling. Das gute Stück ist voller Flecken und daher für die Weiterverwendung nicht geeignet. Wir befinden uns im Kleidersortierwerk carla Tex in Hohenems. Pro Woche landen hier bis zu 70 Tonnen Kleider, die die Vorarlberger in einem der über 400 Sammelcontainern in Land entsorgt haben. „Jeder Container wird mindestens einmal pro Woche entleert. Es gibt auch Standorte, wo wir öfter leeren müssen“, erläutert Karoline Mätzler, Leiterin des Fachbereichs Arbeit und Qualifizierung bei der Caritas Vorarlberg.   Im Sortierwerk sind 50 Mitarbeiter mit der Sortierung der Kleidungsstücke beschäftigt. Wie an allen carla-Standorten arbeiten auch hier am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen, die im Bereich Produktion, Verkauf und Elektroaufbereitung qualifiziert werden, um am Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen zu können. Soeben ist ein Lkw von Loacker-Recycling am Hof vorgefahren. Jetzt ist anpacken angesagt. „Das Abladen wird noch manuell gemacht, weil es bis heute keine technischen Lösungen dafür gibt“, berichtet Karoline Mätzler. Zum einen handelt es sich um unterschiedliche Säcke, zum anderen besteht die Gefahr, dass sie platzen, wenn sie verdichtet werden. „Mit jedem Platzen nimmt die Qualität ab, weil die Ware dreckig werden kann. Wir sind darauf angewiesen, dass der Vorarlberger die Ware sauber und die Säcke gut verschlossen in den Kleidercontainer wirft“, ergänzt Mätzler.

Jedes Kilo

In der Halle werden die Säcke gewogen. Die Verantwortlichen könnten daher auch genau sagen, wie viel Kleiderspenden im Jahr aus jeder Gemeinde kommen. Wieso das Wiegen wichtig ist? Die Fachbereichsleiterin verweist auf die EU-Verordnung, die zum Ziel hat, den Abfall auf ein geringstmögliches Maß zu reduzieren und die Säulen „Reduce“, „Reuse“ und „Recycle“ zu forcieren. Die Textilbranche zählt zu den Top-5-Branchen, die weltweit für die meisten CO₂-Emissionen pro Jahr verursachen. Die Trends von heute sind der Müll von morgen. Karoline Mätzler führt aus: „Die Produktion braucht derart viel Wasser, dass es ökologisch eigentlich eine Katastrophe ist. Wenn man die Kleidung nicht wiederverwendet, wird noch mehr an Ressourcen ­verbraucht.“ 

Carla Tex kümmert sich um ein immer größer werdendes Problem. Die Sammelmengen, die in Vorarlberg zusammenkommen, sind laut Caritas vergleichbar mit jenen der Großstadt München. Jährlich durchlaufen rund 3600 Tonnen an entsorgten Kleidungsstücken das Sortierwerk in Hohenems. Durch das Re-Use und Recycling werden rund 20.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart. „Das heißt, ganz Götzis müsste ein Jahr lang das Auto stehen lassen, damit sie an diese 20.000 Tonnen hinkommen“, verdeutlicht die Caritas-Bereichsleiterin. Nach dem Wiegen kommen die Säcke auf ein Förderband, das direkt in die Sortierung führt. Die Kleidungsstücke durchlaufen mehrere Stationen. Zunächst wird der Sack aufgemacht und im Groben nach Socken, Pullovern, Hosen, Schuhen etc. sortiert. „Da wird noch nicht auf Qualität geschaut“, führt Mätzler aus. Das passiert in der Feinsortierung, wo in über 200 Kategorien sortiert wird. Annemarie ist für die Hosen zuständig. Rund um ihren Tisch stehen Behälter für Kategorien wie Shorts, Herrenjeans, Damenhosen oder Leggings, in erster Qualität, zweiter Qualität, dritter Qualität. Am Tisch nebenan dreht sich alles um Pullover. Ganz hinten im Eck ist der Tisch mit der sogenannten Cremeware. Das sind Kleidungsstücke, die sowohl modisch als auch qualitativ absolut top sind und anschließend in einem der fünf carla-Shops verkauft werden. An jeder Sortierstation befindet sich ein Tablet, mit dem dokumentiert wird, welche Menge, in welcher Qualität wohin geht. „Alle Zahlen werden in das elektronische Datenmanagement eingespielt. Das braucht man in der Abfallwirtschaft, um nachzuweisen, dass man die Ware entsprechend recycelt oder wiederverendet“, erläutert die Fachbereichsleiterin für Arbeit und Qualifizierung.

50:50-Chance

Eine Frau sortiert bis zu einer Tonne Kleidung am Tag. Im Schnitt sind 50 Prozent der Sammelmenge tragbar, 50 Prozent sind untragbar. „Die ersten 50 Prozent finanzieren die zweiten 50 Prozent. In dem Moment, in dem man uns Müll in den Sack tut, kostet uns das“, führt Mätzler aus. Von den 3600 Tonnen, die jährlich im Kleidersortierwerk in Hohenems landen, werden lediglich zwei Prozent in Vorarlberg benötigt, die Kleidung für die Flüchtlingsunterkünfte oder die Notschlafstelle miteingerechnet. Der Rest geht an Händler  im Ausland, wird an die Recyclingindustrie weitergegeben oder wird zu Putzfetzen für die Industrie verarbeitet. Ins Ausland kommt nur, was die Kunden von carla Tex im Ausland bestellen. „Wenn Afrika eine Tonne Strohhüte braucht, dann bekommt Afrika von uns eine Tonne Strohhüte. Ein großes Ziel der EU ist auch, dass der Müll im Land verwertet wird und nicht ins Ausland geht. Dadurch, dass wir die Vollsortierung betreiben, können wir das garantieren“, sagt Karoline Mätzler. Die Bestellungen werden in Ballen gepresst und je nach Einfuhrbestimmung des Landes aufbereitet. Nach der Kontrolle durch einen externen Kontrolleur wird die Ware verschifft.

„Früher war oft von Altkleidern die Rede, doch damit habe die Sammlung längst nichts mehr zu tun“, sagt Mätzler. „Wir bekommen quasi Neuware, ein-, zweimal angezogen oder vielleicht gar nie angezogen.“ Kleidung sei zu einem Wegwerfprodukt geworden. Die Trends von heute sind der Müll von morgen. „Mit dieser Masse, die produziert wird, nimmt die Qualität massiv ab. Vor Kurzem haben wir zum Beispiel zehn die gleichen Blusen in verschiedenen Farben angeliefert bekommen, alle original etikettiert. Das ist kein Einzelfall“, verdeutlicht Mätzler und meint damit auch die Produkte der chinesischen Online-Riesen Shein oder Temu, die immer öfter in den Sammelsäcken sind. Das Kleidersortierwerk in Hohenems, Vorarlberg, ist das einzige Kleidersortierwerk in Öster­reich. „Das Ziel der EU ist, in den Ländern direkt zu sortieren, damit der Müll nicht ins Ausland geht. Wir haben im Moment extrem viele Anfragen aus Österreich und den umliegenden Ländern“, berichtet die Expertin. In Europa gibt es zwar einige profitbetriebene Sortierbetriebe, aber die sortieren laut Mätzler nicht „in diese Tiefe wie wir. Und das ist auch wieder ein Alleinstellungsmerkmal von uns. Wir können dadurch auch passgenau Kleinchargen liefern“. Dasselbe wie in der Kleidungsortierung passiert bei carla auch mit Möbeln, Hausrat und Elektrogeräten.

Man könnte noch viel mehr machen, merkt die Bereichs­leiterin an. „Die 20.000 Tonnen CO2, die wir einsparen, zeigen, was für ein Riesen­hebel das wäre, aber da fehlt der politische Wille komplett. Sie sagen zwar, dass es wichtig ist, was wir tun, aber es braucht Geld dafür und das muss man zur Verfügung stellen. Derzeit wird dieser Bereich rein aus arbeitsmarktpolitischen Mitteln finanziert. Da der Arbeitsmarkt im Moment so gut ist, werden die arbeitsmarktpolitischen Mittel gekürzt, was zur Folge hat, dass ich Kürzungen habe und Betriebe schließen muss, anstatt sie zu erweitern.“

Carla in Zahlen

3600 Tonnen Bekleidung werden pro Jahr zur Wiederverwendung und Verwertung gesammelt.

35.558 Kilo Bekleidung aus der Kleidersammlung wurden 2022 an den fünf carla-Standorten verkauft.

33.000 Kilo Bekleidung wurden gratis an Bedürftige ab­gegeben. Das entspricht rund 100.000 Kleidungsstücken.

667.947 orange Säcke wurden an Gemeinden, Raiffeisenbanken, Spar- und Sutterlüty-Filialen sowie an Bürger aus­geliefert. Das sind 1,64 Säcke pro Einwohner.

1186 Abholungen in Vorarlberger Haushalten haben die carla-Logistik-Mitarbeiter innerhalb eines Jahres durchgeführt.

195 Tonnen Möbel hat das Team von carla-Logistik für das Re-Use entgegengenommen. 65 Prozent der gespendeten Möbel werden weiterverwendet.

53,3 Tonnen Elektrogeräte wurden gesammelt. 22,6 Tonnen davon konnten für die Weiterverwendung vorbereitet werden; das entspricht rund 42 Prozent.

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