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Vortrag von Dr. Schmidinger über Jihadismus und Radikalisierung

Dr. Thomas Schmidinger von der Universität Wien referierte zum Thema Jihadismus, Radikalisierung und Deradikalisierung.
Dr. Thomas Schmidinger von der Universität Wien referierte zum Thema Jihadismus, Radikalisierung und Deradikalisierung. ©Bandi Koeck
Feldkirch. (BK) Der große Hörsaal der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg war zum Besten gefüllt mit Lehrlingsausbildnern, Schulärzten, Schulpsychologen und Pädagogen aus allen Teilen des Landes.
Inhalte des Vortrags über Jihadismus

Dr. Thomas Schmidinger referierte eineinhalb Stunden zu einem brisanten Thema und beantwortete  im Anschluss aktuelle Fragen dazu.

Der Einladung zum Vortrag über „Jihadismus, Radikalisierung und Deradikalisierung. Jugendliche und junge Erwachsene zwischen „Islamischem Staat“ und al-Qaida“ folgten viele Interessierte, um näher zu erfahren, wie Lehrpersonen und Eltern Tendenzen erkennen und reagieren können. Vizerektorin Ruth Allgäuer begrüßte alle Anwesenden mit den Worten: „Dieser Vortrag ist ein Ausdruck eines Austausches von verschiedenen Personengruppen und ein Zeichen einer intensiven Zusammenarbeit.“ Die PH Vorarlberg habe nach den Anschlägen von Paris intensiven Kontakt gehabt. Zusammen mit Dr. Evelyn Marte-Stefani vom Landesschulrat und der Schulpsychologie sowie Dr Simon Burtscher-Mathis von der Projektstelle OK Zusammenleben wurden 12 Veranstaltungen zum Thema geplant. „Es ist ein Zeichen dafür, dass wir ein gemeinsames Anliegen haben und dieses gemeinsam bewältigen wollen“ so Allgäuer, die auch in Polizeikommandant Harald Mayer und Felipe Studer einen wichtigen Partner für Vernetzungsarbeit gefunden hat. Ende Mai tagte bereits die Plattform Bildung gegen Extremismus in Feldkirch.

Dr. Thomas Schmidinger, geboren 1974, Absolvent der Übungsschule in Feldkirch, studierte an der Uni Wien Politikwissenschaft und Anthropologie. Heute ist er in Wien sowie an der FH Vorarlberg als Dozent tätig, spricht Sprachen wie Russisch, Persisch, Kurdisch oder Serbokroatisch und forscht seit 1998 u.a. im Nahen Osten und über Antisemitismus. Inhalte seines Vortrags waren etwa die Politisierung des Islams zu einer politischen Ideologie und seit der Abschaffung des osmanischen Kalifats im 19. Jahrhundert, aus welchem sich u.a. der (Neo)Salafismus und Jihadismus hervortaten. „Die Wahhabiten in Saudi Arabien haben Heiligtümer von anderen Strömungen zerstört und zusammen mit der Moslembruderschaft, die 1928 von einem ägyptischen Volksschullehrer gegründet und 1950 unter Nasser verfolgt wurde, sowie dem Salafismus vereinten sie sich im Jihadismus.“ Im Rahmen des Vortrags wurde ein Musikvideo von der Grazer Band „Yasser und Ozman“ mit dem Titel „An alle Brüder“ gezeigt, welches Schmidinger unter den Begriff „jugendlicher Pop-Jihadismus“ einstufte. „Die Sänger wurden in Österreich sozialisiert und geben das Lebensgefühl von jungen Sympathisanten wieder, im Jihad zu sterben.“ Die starke Bildsprache, der Aufruf zur Umma (der islamischen Gemeinschaft) und der gemeinsame Hass gegen den Westen – die Amerikaner, Juden und sogar Freimaurer – als gemeinsame Feindbilder rief bei vielen Zuhörern Verwunderung hervor. Auch auf den Begriff „Takfir“ ging der Referent ein. Dabei geht es um Muslime, welche andere Muslime, welche nicht gleich leben wie sie, zu Nicht-Muslimen erklärt.

Dr. Schmidinger erklärte den Unterschied vom sog. Islamischen Staat zu al-Qaida und die genaue Entstehungsgeschichte. „Laut dem IS gibt es weltweit nur ein Herrschaftsgebiet, das von Kalif Ibrahim alias Abu Bakr al-Baghdadi.“ Laut den Allmachtsfantasien der IS gehört auch Österreich zum Herrschaftsanspruch. „Die gute Nachricht: Die Schweiz ist nicht weit und nicht dabei“ sagte Schmidinger. Aktuell betrage das Territorium des IS eine Größe wie die von Frankreich. „Bei der öffentlichen Debatte um den IS darf nicht vergessen werden, das es die alte al-Qaida immer noch gibt.“ Jihad hat laut Schmidinger nichts mit einem mittelalterlichen, rückschrittlichen Islam zu tun, sondern sei ein Ausdruck der Globalisierung. Die Ursachen, dass sich junge Leute radikalisieren würden, läge nicht in der Erziehung, sondern sei eine Suche nach Identität, Gemeinschaft und Sicherheit. Radikalisiert werde etwa auf der Straße, im Internet, Sportclubs oder Moscheen. „Wenn ein Jugendlicher heute gegen die Eltern und das Gesellschaftssystem rebellieren möchte, ist es das Attraktivste, wenn er Jihadist wird“ so der Politologe ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen.

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