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Vorgarten unter Volldampf

Thüringerberg - Es herrscht ein Wetter wie in England. Bert Horner wuchtet seine 26 Kilo schwere Lok auf die Geleise. Aber die Kälte hat die Schienen angehoben.

So dampft sie tapfer gegen den Nieselregen an und muss doch warten, bis das bisschen Winter endlich aufgegeben hat.

„Deshalb haben wir übers Wochenende auch den Sunnasaal gemietet.“ Bert Horner hat das Warten satt. Da stehen so viele Züge herum und wollen endlich auf Achse. Die meisten hat er selbst gebaut.

Heimat der Dampflok

Kunststück. Horner kam im britischen Darlington zur Welt. Dort ruht die „Lokomotive Nr. 1“ im Museum. Er hat mit Dampfloks sein Geld verdient, Eisenbahnteile und Brücken geplant. „Wir haben Dampflokomotiven in die ganze Welt geliefert.“ Bis ihre Tage gezählt waren. In den Sechzigerjahren „hat das aufgehört“. Und 1997 in Thüringerberg wieder angefangen.

Das Atelier im Dachgeschoss. Da steht ein Reißbrett. Die Skizze zeigt einen Hochbehälter. Im Keller die Werkstatt. Gestanztes Stahlblech lässt schon die Außenwand eines Waggons erkennen. Hier fräst Bert Horner und bohrt, was das Zeug hält.

Die Erzeugnisse warten geduldig in Kisten verpackt aufs Frühjahr. „Das hier“, hebt Horner einen Deckel an, „ist eine Waldbahn“. „Und die hier hat den Wassertank quer.“

Alle sehen sie aus, als hätte einer einfach den Originalen die Luft entweichen lassen. Geschrumpft, mit allen Details. Und kein Stück hat Horner kaufen müssen.

Jedes Detail stimmt

Stattdessen liegen aufgeschlagene Bücher herum. Mit Bildern von Eisenbahnen aus dem mittleren Westen der USA. Fotografien der Jahrhundertwende. Was ihm gefällt, baut er nach. Die Pläne besorgt er sich. Auch schon Mal direkt in Colorado. „Der Salonwagen hier hatte Toilette und Küche.“ Selbst die WC-Muschel hat Horner nachgegossen. „Aber wie die Eismaschine aussah, weiß ich nicht.“ Sie werden ’s ihm schicken.

Bert Horner hat sich eine ganze Welt erschaffen. Wo andere Rasen mähen, jätet er Bahnkörper entlang. Wenn andere Autos waschen, setzt er seine Lok unter Dampf. Nur dieses Wochenende nicht. „Da sind wir im Sunnasaal.“ Und wer immer eine Lok der Spur 1 zuhause hat, darf kommen und sie fahren lassen. Ab Samstag mittag: „Wir warten doch alle schon drauf, bis endlich Sommer wird.“


Darlington

Am 16. September 1825 zog ein langer Treck von Pferdewagen zu einer Straßenkreuzung nahe Darlington im Nordosten Englands. Sie brachten in Einzelteilen die „Lokomotive Nr. 1“ aus der Fabrik von George Stephenson. Bei Aycliffe Village wurde sie zusammengebaut und auf Schienen gesetzt.

Tausende Zuschauer säumten die Geleise, als sich am 27. September der erste Passagierzug der Welt ratternd und schnaufend in Bewegung setzte. Von den 36 Waggons hatten zwölf Kohle und Mehl geladen. In sechs Wagen saßen Gäste, in den restlichen Arbeiter. Auf dem Abhang zum Bahnhof Stockton erreichte der Zug eine Geschwindigkeit von 24 km/h. Die Ankunft im Hafen von Stockton begrüßten 21 Salutschüsse.

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