Die Zeit, um die es ihm in dem neuen Buch geht, sind die Jahre nach dem österreichischen Bürgerkrieg von 1934 bis in die Nachkriegszeit. Der wichtigste Schauplatz ist die Hochschule für Bodenkultur in Wien (Warum spricht Blaeulich von der “Universität für Bodenkultur”?).
Diese Hochschule hatte sich schon 1919 als Hort des Antisemitismus profiliert, und als Dollfuß 1934 die NSDAP verbot, krachten in und vor der Hochschule die Bomben. Blaeulichs Roman ist mit derart vielen zeitgeschichtlichen Fakten gespickt – das Personal ist zum Teil nicht erfunden -, dass man meint, eine historische Dokumentation zu lesen. Immer wieder tauchen Personen auf, die es tatsächlich gegeben hat.
Die Hochschule tat sich mit “Rassenforschung” hervor, die Physiologie war eine wichtige Sparte. Blaeulichs Romanheld, Stackler, ist gnadenloser Physiologe. Der Autor führt des Langen und Breiten vor, was für eine miserable Type dieser Mann ist. Als seine Mitarbeiterin, das Fräulein März, schwanger wird, tritt er ihr in den Bauch. Kein Wunder, dass das Kind, das sie zur Welt bringt, missgebildet ist und als “unwertes Leben” von den Nazis ausgemerzt wird. Auch die anderen Physiologen sind verachtenswert. Bis auf einen, der erweist sich beim Anschluss Österreichs 1938 an Nazideutschland als Jude und flüchtet gerade noch rechtzeitig nach London.
Blaeulich führt nicht das Florett, als Berserker bevorzugt er die Axt. Wer eine drastische Darstellungsweise liebt und der Meinung ist, dass Sexualität gleichbedeutend ist mit Gewaltexzessen, wird von Blaeulich unentwegt bestätigt. Der erzählerische Furor nimmt zeitweise ein beträchtliches Tempo auf. Um nicht eintönig zu werden, macht er neben Wien einen zweiten Schauplatz auf: Afrika. Da erleidet der Schwarze namens “Gatterbauerzwei”, dessen Lebensweg von Blut, Schweiß und Tränen gekennzeichnet ist, sein hartes Schicksal. Blaeulich-Leser kennen ihn bereits. Der Autor hat ihm einen eigenen Roman gewidmet. Wie Blaeulich zwischen Afrika, speziell von Uganda, eine Verbindung mit Österreich herstellt, ist bemerkenswert. Klar, dass der hünenhafte Schwarze ein interessantes Objekt für die Physiologie ist.
Dieses Oszillieren zwischen Fiktion und historischer Realität ist einerseits reizvoll, andrerseits bewegt sich der Leser andauernd wie auf schwankendem Boden. Übrigens hat Blaeulich ein weiteres Spezialgebiet: Er liebt Austriazismen und macht in seiner Abrechnung mit den übereifrigen österreichischen Nazis reichlich Gebrauch davon.
(Von Werner Thuswaldner/APA)
Max Blaeulich: “Stackler oder Die Maschinerie der Nacht”. Residenz Verlag, 330 S., 22 Euro, ISBN 978-3-7017-1499-5.
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