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Vorarlbergs Landwirtschaft in der Milch-Sackgasse

Vorarlbergs Milchwirtschaft blickt einer unsicheren Zukunft entgegen.
Vorarlbergs Milchwirtschaft blickt einer unsicheren Zukunft entgegen. ©VOlL.AT/Steurer
Vorarlbergs Landwirtschaft baut vor allem auf Milch. Eine Erholung des Milchpreises ist jedoch nicht in Sicht. Bereits jetzt fließen Millionen an öffentliche Gelder in die heimische Landwirtschaft - weg von der Milch kommt man aber nur langsam.
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Der Bregenzer Kornmarktplatz erinnert an längst vergangene Zeiten. Bis zum Mittelalter konzentrierte sich die heimische Landwirtschaft rund um den Bodensee vor allem auf Getreide. Dann wurde das Klima jedoch immer kälter und feuchter, der Anbau von Getreide immer unergiebiger. Seitdem vertraut man in Vorarlberg auf die Milchkuh.”Die Milchwirtschaft ist das wirtschaftlich zentrale Element der Vorarlberger Landwirtschaft und genießt deshalb besondere Wertschätzung in der Landespolitik”, bestätigt Günther Osl, Leiter der Abteilung Landwirtschaft beim Land Vorarlberg.

Preisverfall bei Milch

32,58 Cent ist der Vorarlberg Milch derzeit das Kilo gentechnikfreier Vorarlberger Milch wert, inklusive Mehrwertsteuer. Damit liege man immerhin um zehn Prozent über dem Österreichschnitt – und sogar 30 Prozent über den deutschen Kollegen. Vor zwei Jahren waren es noch über 42 Cent, die sich ein Vorarlberger Milchbauer erwarten konnte. Dies entspricht einen Preisrückgang von 25 Prozent in zwei Jahren. Dies spiegelt sich in den Marktregalen, wie die Grünen am Freitag vor Augen führten:

Preisvergleich
Preisvergleich

Immer weniger produzieren immer mehr

Die Lage für Milchbauern ist nicht erst seit dem Fall der Milchquote schwierig. Seit 1995 habe sich die Zahl der milchproduzierenden Betrieben halbiert, warnt die Landwirtschaftskammer. Auch werden immer mehr Bauernhöfe nebenberuflich betrieben. Paradox: Die Zahl der Betriebe nimmt zwar ab, die Milchproduktion nimmt aber in Vorarlberg immer mehr zu. Dies zeigt sich auch bei Vorarlberg Milch. Allein von 2014 auf 2015 ging die Zahl der Lieferbetriebe von 561 auf 502 um ein Zehntel, die Milchmenge ging jedoch nur um 1,3 Prozent auf 60,9 Millionen Kilo zurück.

“Heidi-Milchwirtschaft” gegen internationaler Konkurrenz

Mit der Konkurrenz der Großbetriebe kann man am internationalen Markt jedoch nicht mithalten. Allein die seit dem Fall der Milchquote verzeichnete Mehrproduktion in Europa ist dreimal soviel, wie in ganz Österreich in einem Jahr produziert wird. Eine baldige Erholung des internationalen Milchpreises ist daher kaum in Sicht.

Vorsäss Schalzbach 10
Vorsäss Schalzbach 10 ©Vorarlbergs Milchbetriebe sind im europäischen Vergleich überschaubar. – Berchtold

Die Landwirte müssen aber weiterhin auf Milch setzen – allein schon da die Kühe bereits im Stall stehen. “Wir bauen auf Qualität und Diversifizierung, so vor allem auch in der Milchwirtschaft mit zusätzlichen Milchsorten wie Heu- und Bio-Milch sowie über 60 Käsesorten”, betont am Donnerstag Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger. Er fordert nicht zuletzt verbindliche Abmachungen zwischen Milcherzeuger und -verarbeiter über Milchsorten und -menge.

“Bessere” Milch als Lösung

Auch die Landespolitik setzt weiterhin überwiegend auf kleine Anpassungen. Die Vorarlberger Grünen fordern die Vorarlberger Landwirte auf, verstärkt auf Qualität und Biomilch zu setzen, die höhere Preise erzielt. Landesrat Erich Schwärzler fordert die Vorarlberger auf, verstärkt heimische Milchprodukte zu kaufen. Auch die EU müsse den Milchpreis wieder stärker stützen. Und die Freiheitlichen denken schon mit Blick nach Deutschland zusätzliche Gelder für Milchbauern an. Landesrat Rauch geht dies jedoch nicht weit genug:

75 Millionen für Vorarlbergs Landwirte

Bereits jetzt fließen Millionen in die Vorarlberger Landwirtschaft. 74,83 Millionen Euro – soviel ging allein 2015 an öffentliche Gelder an Vorarlbergs Bauernschaft. 34,06 Millionen brachte davon das Land Vorarlberg auf, der Rest sind Bundes- und EU-Mittel. 2.055 der rund 3.300 Betriebe erhielten eine Unterstützung für Viehhaltung – der Anteil an Milchkühe schätzt man hier vonseiten des Landes auf 85 Prozent.

Millionenförderungen verkommen zu Sackgeld

Wieviel von den Fördermitteln an Milchbauern geht, lässt sich nur schwer abschätzen. Den Erhalt der Milchhygiene war dem Land 2015 etwas über eine Million, die Viehhaltung insgesamt 2,6 Millionen Euro wert. Bei mehreren weiteren Förderungen gibt es zumindest höhere Sätze für Milchvieh. Weitere Millionenförderungen sieht man auch bei der Genossenschaft der Vorarlberg Milch nicht als Lösung, wie deren Obmann Reinhard Summer bei der Bilanzpräsentation am Donnerstag wissen ließ. Diese würden allein aufgrund der Anzahl an Landwirte zu einem Sackerlgeld verkommen. Auch eine Steigerung der Milchproduktion ist nicht gewünscht.

Gemüsebauern wie der Vetterhof, sind in Vorarlberg noch eher die Ausnahme - VOL.AT/Steurer
Gemüsebauern wie der Vetterhof, sind in Vorarlberg noch eher die Ausnahme - VOL.AT/Steurer ©Gemüsebauern wie der Vetterhof, sind in Vorarlberg noch eher die Ausnahme – VOL.AT/Steurer

Vielmehr gibt es insgeheim den Wunsch, dass sich die Vorarlberger Landwirte umorientieren, weg von der Milch hin zu anderen Produkten. Auch die Vorarlberger Landwirtschaftstrategie fordert mehr Landwirtschaft abseits der Milchkuh. Dies fördert man durch Umschulungen und Beratungen. “In den letzten Jahren sind die Anbauflächen von Dinkel, Kartoffel und Gemüse in Vorarlberg zusätzlich gestiegen. Diesen Weg werden wir konsequent weiterverfolgen”, heißt es von Seiten der Landwirtschaftskammer.

Bauern sollen weg von Milch

Doch neue Produkte verlangen nach Umrüstung und Ausbildung. Während den Milchbauern also die Einnahmen schrumpfen bis stagnieren, steigt der Investitionsbedarf. Auch ist der Gemüse- und Getreideanbau nicht in allen Talschaften gleich gut umsetzbar. Ob die Vorarlberger Landwirtschaft unter diesen Voraussetzungen neue Standbeine aufbauen kann, bleibt abzuwarten.

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