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Vorarlberger Studentin koordiniert am Hauptbahnhof Flüchtlingshilfe

Die 26-Jährige arbeitet seit drei Wochen am Hauptbahnhof Wien.
Die 26-Jährige arbeitet seit drei Wochen am Hauptbahnhof Wien. ©Privat
Seit Wochen helfen Freiwillige ehrenamtlich unter dem Motto "Train of Hope" am Wiener Hauptbahnhof ankommenden und durchreisenden Flüchtlingen. Eine von ihnen ist die Vorarlbergerin Studentin Hannah Rigger. Auf VOL.AT erzählt die 26-Jährige über ihre Motivation, Aufgaben und Erlebnisse.

Am Hauptbahnhof Wien ist die Betreuung der ankommenden Flüchtlingen weiterhin in der Hand von freiwilligen Helfern. Ehrenamtlich arbeiten Ärzte, Studenten und andere Flüchtlinge sorgten in den vergangenen Wochen für tausende Menschen, organisierten Schlafmöglichkeiten, ärztliche Versorgung und auch Weiterreisemöglichkeiten. Eine von ihnen ist die Vorarlbergerin Hannah Rigger. Die 26-jährige Sinologin studiert in Wien Fernöstliche Wirtschaft und Gesellschaft, arbeitet neben dem Studium für ein Möbelunternehmen im Kundendienst – und arbeitet in ihrer Freizeit am Hauptbahnhof.

VOL.AT: Seit wann hilfst du den Flüchtlingen am Bahnhof, was brachte dich dazu?

Hannah: Ich bin (erst) seit Donnerstag, dem 03. September, am Hauptbahnhof für “Train of Hope” im Einsatz. Ich hatte an diesem Tag frei und habe die Gelegenheit genutzt, endlich selbst anzupacken und zu helfen anstatt nur zu spenden. Seitdem bin ich jeden Tag dort um den Schutzsuchenden zu helfen, was meiner Meinung nach das einzig Richtige in so einer Situation, wie wir sie gerade haben, ist.

Flüchtlinge am 15. September auf dem Hauptbahnhof. - APA
Flüchtlinge am 15. September auf dem Hauptbahnhof. - APA ©Flüchtlinge am 15. September auf dem Hauptbahnhof. – APA

Wie seid ihr organisiert?

Die bessere Frage wäre, seit wann. Nein, Scherz beiseite. Wir entwickeln uns stetig weiter, heißt ich muss mich vor jedem Schichtbeginn informieren auf welcher Stufe der “Evolution” wir uns bereits befinden. Was uns an Struktur fehlen mag, das macht unser großartiges Team mit Motivation und Menschlichkeit allemal wett! Wenn ich “Train of Hope” mit all den Organisationen vergleiche mit denen wir zusammen arbeiten, also die Polizei, das Bundesheer, die Berufsrettung, den Arbeiter-Samariter-Bund und die ÖBB, lassen sich aus struktureller Sicht beinahe keine Unterschiede feststellen.

Wie sieht dein Tagesablauf derzeit aus?

Zur Zeit gehe ich morgens um 9 Uhr ins Büro und fahre gleich anschließend gegen 18 Uhr zum Hauptbahnhof, um dort meine Schicht zu beginnen. Meine derzeitige Position ist in der Teamleitung für den Transport. Sobald ich vor Ort bin, mache ich den vorherigen Verantwortlichen für die Position ausfindig, werde gebrieft und dsbegrüße dann meine restlichen Teamkollegen.

Hannah bei der Arbeit am Hauptbahnhof. - privat
Hannah bei der Arbeit am Hauptbahnhof. - privat ©Hannah bei der Arbeit am Hauptbahnhof. – privat

Das Transportteam ist dafür zuständig, dass die Reisenden entweder zu einem Schlafplatz für die Nacht gelangen um ihre Weiterreise am nächsten Tag ausgeruht fortzusetzen. Oder wir bringen sie direkt zu ihren Zügen, bzw. sorgen dafür dass sie alles Notwendige für die Weiterreise haben, wie Tickets, Proviant und warme Kleidung.

Wie muss man sich das vorstellen?

Unser Team besteht aus mehreren Koordinatoren, deren Hauptaufgabe die Mobilisierung der Reisenden ist. “Bus” kümmert sich um die Abfertigung der Busse die kommen, um die Reisenden zu den Schlafplätzen zu bringen. “Bahnsteig” ist für die ankommenden und abfahrenden Züge und das rechtzeitige Einsteigen der Reisenden. “Haupthalle” kümmert sich darum, dass die Reisenden, die sich in der Haupthalle befinden, über unseren Standort in der Verteilerhalle Bescheid wissen und zu uns herübergeschickt werden.

Der Hauptbahnhof am 13.September, als Deutschland Grenzkontrollen ankündigte. - APA
Der Hauptbahnhof am 13.September, als Deutschland Grenzkontrollen ankündigte. - APA ©Der Hauptbahnhof am 13.September, als Deutschland Grenzkontrollen ankündigte. – APA

Am Ticket Info Stand können die Reisenden ein Ticket beantragen, dass dann über die Spenden all der großartigen Menschen finanziert wird, die sich dazu entschlossen haben, für diesen guten Zweck zu spenden. Zusätzlich haben wir eine Rechtsberatung am Ticket Info Desk, die die Reisenden über ihre Rechte aufklären kann.

Was für Menschen arbeiten am Hauptbahnhof für “Train of Hope”?

Ich finde es wichig zu erwähnen, dass wir alle hier aus verschiedensten Sparten kommen. Wir haben HelferInnen, die tagsüber im Büro sitzen und abends hier aushelfen; wir haben Arbeitssuchende, die sich für ihre Mitmenschen hier einsetzen; wir haben Studenten, die ihre Kreativität hier einbringen umd wir haben Flüchtlinge, die seit mehreren Monaten in Österreich leben, tagsüber in der Schule Deutsch lernen und uns abends beim Übersetzen oder Reinigen helfen. Und sogar einige Reisende, die mehrere Tage hier sind, unterstützen uns tatkräftig wo sie nur können.

Unterstützen kann jeder, der helfen will. Sei es mit Geld-, Essens- oder Kleiderspende oder wenn man sich dafür entscheidet, selbst anzupacken und zu einer Stelle kommt die HelferInnen braucht. Es reicht aber auch einfach eine neutrale Haltung gegenüber den Schutzsuchenden einzunehmen, oder noch besser sich in deren Lage zu versetzen und sich dementsprechend verständnisvoll zu verhalten.

Du hast die Verteilerhalle und einen Ticket Info Stand angesprochen. Wie seit ihr am Hauptbahnhof organisiert?

Wir sind in der Verteilerhalle am Hauptbahnhof angesiedelt, welche sich am anderen Ende der Bahnstiege befindet als die Haupthalle. Innerhalb der Halle befindet sich unsere Kinderspielecke, die von KindergartenpädagogInnen betreut wird und unsere zwei Essensausgaben. Gleich außerhalb der Halle haben wir dann auf der einen Seite unseren Toiletten-Container, der auch ständig betreut wird. Auf der anderen Seite befindet sich unsere Kleiderausgabe, die keine Wünsche mehr offen lässt.

Die Warenanlieferung für
Die Warenanlieferung für "Train of Hope". - APA ©Die Warenanlieferung für “Train of Hope”. – APA

Weiter hinten, in der Fahrradgarage, ist unser Backoffice angesiedelt, wo unsere Organisation, das Social Media Team, die Infozentrale, unsere PsychologInnen und das Team für vermisste Personen sitzen. Hinter dem Backoffice findet man dann unseren ganzen Stolz, das Lazarett. Wir haben mehrere ÄrztInnen und noch mehr KrankenpflegerInnen, die für uns im Einsatz sind und medizinische Erstversorgung leisten. Schlussendlich haben wir dann noch das Lager, das mittlerweile zu einer beachtlichen Größe herangewachsen ist. Es gibt eigentlich nichts was wir nicht haben. Und was wir zu viel oder mehr als genug haben, wird schwesterlich mit den Stationen Nickelsdorf, Westbahnhof oder gar Hegyeshalom geteilt.

Du hast die Polizei und Rettungsorganisationen bereits erwähnt. Wie läuft die Zusammenarbeit mit den offiziellen Stellen?

Diese sind doch immer wieder überrascht, wie gut wir tatsächlich organisiert sind. Man könnte uns derzeit durchaus das fehlende Bindeglied der Kommunikation eben genau dieser Organisationen nennen, da wir schon sehr oft in den Genuss kamen, neue Informationen weiterzugeben. Natürlich würde ohne sie gar nichts laufen und wir sind sehr dankbar für die Kooperation. Ich finde aber, wir können sehr stolz auf uns und vor allem unsere Arbeit sein.

Was man auf keinen Fall vergessen darf sind all unsere Übersetzer. Ohne sie würde wirklich gar nichts funktionieren! All diese Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben ihre Freizeit darauf zu verwenden Menschen zu helfen, sich ihrer Probleme anzunehmen und all die schrecklichen Geschichten vom Krieg zu teilen, haben den größten Respekt verdient.

Flüchtlinge am 15. September am Hauptbahnhof. - APA
Flüchtlinge am 15. September am Hauptbahnhof. - APA ©Flüchtlinge am 15. September am Hauptbahnhof. – APA

Natürlich betrifft uns die schwere der Lage und die schwierigen Situationen der Schutzsuchenden alle sehr, aber die DolmetscherInnen bekommen ohne Zweifel am meisten davon mit. Sobald die Reisenden merken, dass sie uns vertrauen können und sie all unsere Angebote ohne Gegenleistung in Anspruch nehmen können, gibt es kein schöneres Bild, dass mehr Glück und Dankbarkeit ausstrahlt.

Die Sprachbarriere bleibt, trotz ÜbersetzerInnen, aber vorhanden und hindert uns sehr oft daran, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen und erschwert somit unsere Arbeit sehr, was einen auch hin und wieder verzweifeln lässt.

Was motiviert dich zu deinem Engagement?

Vor allem am Anfang, als ich noch Bahnsteigkoordinatorin war, gab es nichts Schöneres als eine Familie von ihrer Ankunft bis zu ihrer Abfahrt zu begleiten. Ich habe Menschen getroffen, die anfangs sehr verstört und ängstlich waren und nach unserer Betreuung freudestrahlend mit all ihren Familienmitgliedern im Zug saßen und uns danken zulächelten und winkten. Das ist mit Abstand die beste und einzige Bezahlung die wir uns für diesen “Job” erwarten!

Schlafende Flüchtlinge am 15. September. - APA
Schlafende Flüchtlinge am 15. September. - APA ©Schlafende Flüchtlinge am 15. September. – APA

Es wird auch immer wieder mal vor dem Eingang getrommelt, getanzt und gesungen, wo dann alle mitsingen, sofern sie Arabisch sprechen und das Lied kennen. Was mich neben den Menschen denen wir helfen noch motiviert sind vor allem die anderen HelferInnen. Ich habe in den letzten Wochen so viele großartige Menschen kennengelernt, die schon jetzt zu meinen engen Freunden zählen und die ich um nichts in der Welt missen möchte.

Ich würde es wahrscheinlich nicht schaffen, neben meinem 40-Stunden-Job noch tagtäglich am Hauptbahnhof auszuhelfen, hätte ich nicht mein Team an meiner Seite und all die kompetenten ÜbersetzerInnen. Der Verein “Train of Hope” hat sich zu einem sehr großen Teil meines Lebens etabliert und ich könnte nicht froher sein.

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