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Vorarlberger Gerichtspsychiater Haller kritisiert Amok-Prozess

Gerichtspsychiater Reinhard Haller hat Kritik am Prozess gegen den Amokfahrer von Graz geübt.
Gerichtspsychiater Reinhard Haller hat Kritik am Prozess gegen den Amokfahrer von Graz geübt. ©APA; VN/Stiplovsek
Der bekannte Vorarlberger Psychiater Reinhard Haller hat in einer ersten Stellungnahme zum nicht rechtskräftigen Urteil im Prozess um den Grazer Amokfahrer Alen R. Kritik am Rechtssystem geübt.

Der Umstand, dass die Geschworenen zu entscheiden hatten, ob R. zurechnungsfähig war – zwei von drei Psychiatern waren anderer Meinung gewesen – störe ihn, sagte Haller am Donnerstagabend gegenüber der APA.

“Es geht hier um eine medizinische Frage”, stellte Haller fest – und man würde bei einer Uneinigkeit der Experten in einer solchen Frage wohl üblicherweise nicht Laien zurate ziehen, wenn etwa im Falle einer Operation unterschiedliche Fachmeinungen herrschen würden.

»Gerichtspsychiater spricht über Urteil in Graz (ZIB 2 vom Do, 29.09.2016) Gerichtspsychiater Reinhard Haller spricht über die teils problematische Entscheidung der Geschworenen zum Amokfahrerprozess. ORF ZIB 2 vom Do, 29.09.2016«

Vorwurf gegen Entscheidungsfindung

Ein Vorwurf, den er im ORF Fernsehen gegenüber “ZIB 2” mit einem Beispiel konkretisierte: “Stellen wir uns das doch mal vor: Sie gehen ins Krankenhaus, Sie haben einen verdächtigen Befund auf der Lunge. Der eine Experte sagt, es ist möglicherweise Krebs und der andere sagt, es ist wahrscheinlich eine verschleppte Lungenentzündung.” Wenn sich diese beiden Experten nicht einig seien, würde man doch auch nicht sagen “macht nichts, jetzt holen wir Laien von der Straße und die sollen uns nach dem Bauchgefühl sagen, welche Diagnose richtig ist”, kritisierte Haller.

Außerdem hob der Mediziner hervor, dass sich die psychiatrischen Sachverständigen kurz nach der Amokfahrt einig gewesen seien. “Es hat ihn unmittelbar nach der Tat eine Polizeiärztin, die schon hunderte Menschen einweisen musste, gesehen und als psychotisch bezeichnet.” Das sei besonders wertvoll, da dies direkt nach dem Vorfall geschehen sei. Wenige Stunden danach habe außerdem der Gerichtspsychiater Peter Hofmann Alen R. ebenfalls als schizophren bezeichnet. “Der Beschuldigte ist dann in die Anstalt gekommen, wo er über Monate hinweg von Psychiatern beobachtet worden ist, die einhellig zu dieser Meinung gekommen sind”, so Haller weiter.

“Eine Psychologin, die nie einen Schizophrenen behandelt hat”

Zudem stellte Haller die Sachverständigen, die im Prozess anderer Meinung gewesen sind, in Frage. “Das eine war eine Psychologin, die Zeit ihres Lebens noch keinen Schizophrenen behandelt hat.” Das dürfe sie als Nicht-Ärztin nämlich gar nicht. Der andere sei zwar ein Psychiater, habe aber als Schwerpunkt Neurologie. Somit gehe dieser auch nicht tagtäglich mit Schizophrenen um.

Zudem sei es laut Haller nicht möglich, dass ein Patient über einen längeren Zeitraum und unter dem Einsatz von Medikamenten den Ärzten eine paranoide Schizophrenie vorspiele. Die Ex-Frau von Alen R. hatte zuvor im Prozess ausgesagt, dass dieser ein exzellenter Schauspieler und eigentlich ganz anders sei.

Drei Gutachten diagnostizierten Schizophrenie

Zudem wies der Psychiater darauf hin, dass ein Staatsanwalt die Geschworenen beim heutigen Schlussplädoyer auch dazu aufrief, auf ihr Bauchgefühl zu hören. Vor dem Prozess in Graz gab es drei Gutachten, die Alen R. jeweils eine Schizophrenität diagnostiziert haben, erläuterte Haller gegenüber der APA. Es sei ihm in diesem Zusammenhang aufgefallen, dass es vor Gericht schwierig gewesen sei “zu verquicken”, was diese psychiatrische Erkrankung denn eigentlich ausmache. So sei die Frage aufgekommen, ob diese Diagnose denn aufgrund des relativ hohen Intelligenzquotienten des Angeklagten überhaupt der Fall sein könne.

Aufgrund der Prognose für Alen R. geht Haller jedenfalls davon aus, dass dieser aufgrund seiner Gefährlichkeit sowie der negativen Prognosen – unabhängig vom heutigen Urteil – wohl auf lange Zeit in einer Anstalt untergebracht sein werde. Grundsätzlich würde er zudem kritisieren – in seiner Rolle als Staatsbürger, wie Haller betonte -, dass der Prozess in Graz, dem Ort der Amokfahrt, stattgefunden hat.

(APA/Red.)

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