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Vorarlberg radelt auf und davon

Martin Scheuermaier, Koordinator des Mobilitätsmanagements im Vorarlberger Landhaus, ist gemeinsam mit Gattin Martina im privaten Haushalt "autofrei":
Martin Scheuermaier, Koordinator des Mobilitätsmanagements im Vorarlberger Landhaus, ist gemeinsam mit Gattin Martina im privaten Haushalt "autofrei": ©Marianne Mathis

Land und Gemeinden schaffen erneut Anreize: Rad beim Umsteigen auf Bus und Bahn unter Dach und Fach (Ein Bericht von Marianne Mathis)

Dornbirn, Bregenz. Für die täglichen Wege an den Arbeitsplatz, in die Schule, zum Einkaufen oder um Freunde zu treffen, radeln die VorarlbergerInnen derzeit jährlich rund 500 Kilometer, im Bundesdurchschnitt sind es “nur” 225. Umgelegt auf den PKW, werden 300.000 Tonnen CO2 eingespart. Damit liegt das Ländle einsam an der Spitze. Land und Gemeinden setzen ihre Radverkehrsstrategie weiter konsequent um. Radeln ist nicht nur gesund und tut dem Klima gut. Vorarlberg will ja Schritt für Schritt energieautonom werden.

“Ein Stück Freiheit” ist für die 40-jährige Andrea Ettlinger aus Bregenz das Radfahren, das die gelernte Altenpflegerin mit Handicap vor zwei Jahren begann. Aufgrund ihrer eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten hielt sie sich vorwiegend in den eigenen vier Wänden auf. “Jetzt komme ich überall hin. Wenn ich mich entspannen will, steige ich einfach aufs Fahrrad”. Die drei Räder geben ihr die notwendige Stabilität. Und der Sturzhelm darf nie fehlen. Soweit es die Zeit erlaubt, begleitet sie ihr Gatte, der den Weg zur Arbeit ebenfalls mit dem Rad zurücklegt. 1000 Kilometer hat Andrea heuer schon geschafft, “auf 1500 will ich es bis Herbst bringen”. Besonders stolz ist sie auf die erste Radfahrt um den Bodensee. Die neue Radüberdachung in Lauterach sei super, “praktisch und schön”. Mit ihrem Dreirad braucht sie etwa soviel Platz wie ein Rad mit Anhängerchen für Kinder. “Manche Radstreifen auf den Straßen sind etwas eng”, sagt Andrea, getrennte Radwege seien vorteilhafter. Und ihre Botschaft: “Auch Menschen mit Handicap sind auf diese Art mobil, ich fühle mich gesünder als zuvor”.

Sie eine von mehr als 5000 TeilnehmerInnen am FAHR RAD Wettbewerb, den Martin Reis vom Energieinstitut im Auftrag von Vorarlberg MOBIL bereits zum dritten Mal koordiniert. Ziel: Speziell Einsteiger und Gelegenheitsradler sollen auf lustvolle Art zur verstärkten Nutzung des Fahrrads motiviert werden. Seit dem Startschuss des Bewerbs Anfang April haben rund 5.500 angemeldete Teilnehmer bereits 1,8 Millionen Radkilometer zurückgelegt – in 33 Gemeinden, 51 Betrieben, elf öffentlichen Verwaltungen, 19 Vereinen und neun Schulen. Sie treten fleißig in die Pedale, am 12. September wird bilanziert. 2009 wurden 3,7 Millionen Kilometer zurückgelegt. Rein rechnerisch entspricht dies einer Erdumrundung von mehr als 90 Mal.

Vorarlberg ist mit 15 Prozent Radverkehrsanteil zwar Primus unter den österreichischen Bundesländern, doch damit gibt man sich nicht zufrieden: “Es ist möglich, die mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege innerhalb der nächsten fünf Jahre noch einmal um 20 Prozent zu steigern, weil nur ein Drittel aller Autofahrten länger als 10 Kilometer sind. Hier steckt noch viel Potenzial”, ist Verkehrs- und Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser überzeugt. Das Land fördert beispielsweise die Erstellung von regionalen Radroutenkonzepten mit bis zu 70 Prozent der Kosten, mit dem Ziel, gemeinsam mit den Gemeinden der Region die Entwicklung von Landesradrouten als Schnellverbindungen für den Alltagsradverkehr voranzutreiben. Landesradrouten müssen bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen, so zum Beispiel eine nach Möglichkeit vom KFZ-Verkehr getrennte oder zumindest KFZ-arme Routenführung, Mindestbreiten, gute Belagsqualitäten und Vorrang bei der Querungen von Erschließungs- und Sammelstraßen.

Vernetzung der Regionen

Die ambitionierte Radverkehrsstrategie für Vorarlberg sieht vor, am Ende der Planungsprozesse eine vorarlbergweite Vernetzung solcher Schnellverbindungen zu erreichen. Verbindungen, die den Alltagsradler noch “schnelleren Fußes via Pedal” von A nach B bringen. Im Zentralraum des Rheintals und im Walgau sind die Konzepte in Umsetzung, im Vorderland und Walgau Ost bereits abgeschlossen. Wichtigste Akteure zur Förderung des Radverkehrs sind die Gemeinden. “Wir arbeiten deshalb bei all unseren Aktivitäten sehr eng mit den Kommunen zusammen”, sagt Martin Scheuermaier, Koordinator des Mobilitätsmanagements im Landhaus. Mobilitätsmanagement nimmt einen wichtigen Platz in der Verkehrspolitik der Landesregierung ein und gehört zu den Schwerpunkten des aktuellen Verkehrskonzeptes. Daher betreut und vernetzt das Land Vorarlberg die vielen erfolgreichen Maßnahmen zur Förderung sanfter Mobilität, die in Vorarlberg von verschiedensten Akteuren seit Jahren initiiert werden.

Imagearbeit

Warum die VorarlbergerInnen so gerne radeln? “Die Geografie ist es nicht, denn auch abgelegene Orte in höheren Lagen zeigen deutliche Radleidenschaft im Alltag. Es geht eher um Einstellung und Image des Radverkehrs als ernstzunehmende Mobilitätsform. Die Radler in Vorarlberg sind jedenfalls gut gerüstet: 82 Prozent der Leute verfügen über ein Fahrrad. “Der neue Trend zu elektrisch unterstützten Fahrräder erschließt zudem neue Nutzergruppen: Ältere Menschen und solche, die beruflich oder privat nicht so gerne ins Schwitzen geraten”, so Scheuermaier, der selbst nicht Wasser predigt und Wein trinkt. Sein Haushalt mit Gattin Martina ist autofrei, dafür können sich die beiden für sieben verschiedene Räder entscheiden.

Abstellanlagen gemeinsam beschaffen

“Neben komfortablen und schnellen Verbindungen sind attraktive, funktionelle Radabstellanlagen die Grundvoraussetzungen für den Alltagsradverkehr” weiß Martin Reis vom Energieinstitut. Deshalb wurde ein Projekt zur gemeinsamen kommunalen Beschaffung von Radabstellanlagen und Buswartehäuschen auf die Beine gestellt. Über den Öko-Beschaffungsservice (ÖBS) des Vorarlberger Umweltverbandes – das ist der zentrale “grüne Einkauf” der Gemeinden – wurde unter Mitarbeit von Fachexperten und Gemeindevertretern ein neuer Standard für Bus- Wartehäuschen, Rad-Überdachungen, -ständer und -boxen entwickelt. Gemeinden können damit ab sofort beim ÖBS unbürokratisch die hochwertigen und optisch ansprechenden Einrichtungen – vom Dornbirner Architekturbüro Ritsch entworfen – zu günstigen Preisen bestellen und beziehen. Sozialer Zusatznutzen: Die vandalismussichere Radbox und Anlehnbügel werden von den Arbeitsinitiativen “Integra” und “Aqua Mühle” gefertigt.

Links:
www.fahrradwettbewerb.at
www.vmobil.at
www.vorarlberg.at/Verkehr

Bundesländer-Ranking
Mit dem Fahrrad im Alltag gefahrene Kilometer pro Person im Jahr 2009 (laut VCÖ):
Vorarlberg 500 km
Tirol 270 km
Salzburg 265 km
Niederösterreich 240 km
Oberösterreich 225 km
Steiermark 195 km
Burgenland 185 km
Kärnten 180 km
Wien 165 km
Österreich-Durchschnitt 225 km

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