Von Anja Förtsch / Wann & Wo
Es regnet seit Stunden ohne Pause, das Thermometer zeigt nur acht Grad Celsius an, es ist nicht nur Sonntag, sondern auch noch der erste Adventssonntag – und doch sammeln sich vor dem Hohenemser Rathaus rund 400 Vorarlberger. Der Blues „Too Bad“ schallt über den Platz, als würde er über das Wetter klagen, vielleicht auch über Politik und Gesellschaft, die Gitarre dazu spielt kein Geringerer als Michael Köhlmeier. Keine Frage: Der erste Advent 2018 ist in Hohenems kein Advent wie jeder andere. Und auch die folgenden Adventssonntage werden es nicht sein.
Denn seit und auch noch in den nächsten Wochen finden jeden Sonntag unter dem Titel „Uns reicht’s“ die Demonstration für ein menschlicheres Fremden- und Asylrecht statt. Und die ist auch an diesem Sonntag nicht zu übersehen: Schon vorab fällt die Menschenmenge auf, die von der Innenstadt zum Rathaus zieht, sich vor dem Gebäude sammelt und sogar auf dem Bürgersteig gegenüber Aufstellung nehmen muss, weil der Platz vor dem Haus nicht mehr reicht. Hunderte Menschen, die Woche für Woche für eine Sache auf die Straße gehen, die protestieren, Schilder malen, sich zum Zeichen auf die Straße legen – solche Szenen kennt man aus Ländern wie Frankreich, in Vorarlberg hingegen sind solche Bilder eher neu.
Wut auf die Regierung
„Ich habe das Gefühl, dass die Menschen wieder politischer werden“, findet auch Julia Felder. Die 29-Jährige ist Friedensforscherin und steht dem Verein „Inkontra – Interkulturelle Konflikttransformation“ vor. „Das war eine Zeit lang wirklich nicht gang und gäbe, hat dann aber mit dem ‚March against Monsanto‘ angefangen. Mich macht das sehr froh, weil ich es wichtig finde, sich politisch zu informieren, sich eine Meinung zu bilden und auch ein Zeichen zu setzen.“ Felder war bisher auf jeder Sonntagsdemo, will auch alle weiteren besuchen und auf der am kommenden, zweiten Adventssonntag auch selbst einen Redebeitrag halten. Den wird dann auch Margarete Broger hören.
Die 65-Jährige hat ebenfalls bisher keine Demo ausgelassen. „Mich treibt ganz klar die Menschlichkeit an“, sagt die Hittisauerin mit blitzenden Augen. Aber nicht nur die Menschlichkeit, sondern auch die Wut auf die Regierung in Wien: „Ich wünsche mir, dass von Vorarlberg aus die Politik in diesem Land gebrochen wird. Eigentlich müsste ganz Vorarlberg hier stehen.“ Auch wenn viele Menschen an Geschichten wie der vom kürzlich abgeschobenen Qamar Abbas Anteil genommen haben, gibt es auch Kritiker.
Denen nimmt Mitorganisator Klaus Begle in seinem Beitrag den Wind aus den Segeln dabei auch Bezug auf die Tötung des Bregenzers „Perry“ in Innsbruck: Begle fordert von allen Geflüchteten und Engagierten, „dass sie solche Gewalt bekämpfen und verurteilen“ und erntet dafür Beifall. Nach über einer Stunde hat der Regen noch immer nicht aufgehört, trotz verteilter Ponchos sind viele Vorarlberger nass geworden. Gegangen ist aber kein Einziger von ihnen.
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