Die tägliche Turnstunde ist derzeit in aller Munde. Angestoßen durch das mäßige Abschneiden der österreichischen Athleten bei den olympischen Spielen in London, hat die Debatte mittlerweile ein Eigenleben entwickelt. Eine Online-Petition der Bundes-Sportorganisation verzeichnet bereits über 80.000 Unterschriften. Und auch im Ländle ist der Zuspruch groß.
Sportverbände geschlossen dafür
Josef Lampert vom Vorarlberger Fußballverband hält die tägliche Turnstunde für wichtig, „damit die Kinder frühzeitig lernen, dass Sport Spaß macht – und zwar vor allem in der Gruppe.“ Er sieht insbesondere die Chance zur leichteren Integration von schwächeren Schülern und Ausländern, die ansonsten eher schwer Anschluss finden würden. Patrick Ortlieb, Präsident des Vorarlberger Skiverbandes, ist der Meinung, dass „jede Art von sportlicher Betätigung gefördert gehört.“ Die Investition in die tägliche Turnstunde sei gleichzeitig eine „irrsinnige Gesundheitsvorsorge“.
Leichtathletik statt Cäsar, Cicero und Co.?
Für Helene Pflüge vom Vorarlberg Leichtathletikverband ist Bewegung „das Um und Auf“ – und zwar nicht nur für die körperliche Gesundheit. Auch das Denkvermögen werde dadurch angeregt. Anstatt etwa im Lateinunterricht fünf verschiedene Schriftsteller zu behandeln, sei es deswegen sinnvoller, die Kinder wortwörtlich in Bewegung zu setzen. Gottfried Schröckenfuchs, Präsident des Vorarlberger Tennisverbandes, hält die tägliche Turnstunde für ein Mittel, um der Bewegungsarmut der heutigen „Fernseh- und Sitzgesellschaft“ entgegenzuwirken. Allein mit Turnen sei es aber noch nicht getan: Auch die richtige Ernährung müsse den jungen Menschen vermittelt werden.
„Wer rastet, der rostet“
Wenig überraschend ist, dass auch die Vorarlberger Sportärzte das Anliegen der Verbände teilen. Peter Wöß glaubt, dass die tägliche Turnstunde den Gesundheitszustand der Bevölkerung verbessern könnte. Weitverbreiteten Krankheiten wie etwa Diabetes könne damit wirkungsvoll entgegengetreten werden. Insbesondere in einer Zeit, in der sich die Menschen immer weniger bewegen und immer mehr Fast Food konsumieren. Sein Kollege Albert Walz sieht das ähnlich. Das bekannte Sprichwort „wer rastet, der rostet“ habe nichts von seiner Gültigkeit verloren. Allerdings betont Walz, dass nicht die ganze Verantwortung an die Schule abgeschoben werden solle – Familien und der Einzelne seien hier ebenso in der Pflicht.
Kein Zuchtbecken für Olympiasieger
Jos Wüstner hält die täglich Turnstunde zwar für sinnvoll – allerdings nicht mit dem Anspruch, zukünftige Olympiasieger heranzuziehen. Wenn, dann müsse den Kindern und Jugendlichen auf spielerische Weise der Spaß am Sport vermittelt werden. Klaus Zitt wiederum sieht im gemeinschaftlichen Sport auch die Möglichkeit, dem Egoismus in unserer Gesellschaft ein Bein zu stellen. Über das Erlebnis des gemeinsamen Mannschaftssports könne ein Gegengewicht zu den Horden an einsamen jungen Menschen vor ihren Computern geschaffen werden.
Die Frage, auf wessen Kosten die zusätzlichen Turnstunden gehen sollen, beantwortet Zitt mit einer Beobachtung aus seinem privaten Umfeld. Es sei nicht unbedingt sinnvoll, Kindern schon ab der ersten Klasse Volksschule alles Mögliche eintrichtern zu wollen: „Meine Kinder sprechen perfekt Englisch und können ausgezeichnet mit Computern umgehen. Und das, obwohl sie es nicht schon mit sechs Jahren gelernt haben.“ (MST)
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